Nahost:Radikale Palästinensergruppen brechen Waffenruhe

Lesezeit: 2 min

Bei Selbstmordattentaten in einem Einkaufszentrum in der Nähe von Tel Aviv sowie im Westjordanland wurden zwei israelische Jugendliche mit in den Tod gerissen und mindestens 13 Menschen verletzt. Israel setzte eine für Dienstag geplante Freilassung von palästinensischen Gefangenen aus.

(SZ vom 13.08.2003) - Die palästinensischen Terrorgruppen Hamas und Al-Aksa-Brigaden haben am Dienstag zwei Selbstmordanschläge verübt und damit die seit sechs Wochen geltende Waffenruhe beendet. Ministerpräsident Ariel Scharon sagte, es werde keine Fortschritte im diplomatischen Prozess geben, solange die Gewalt andauere.

Die beiden Anschläge ereigneten sich am Dienstagmorgen innerhalb von nur einer halben Stunde. Zur ersten Tat bekannte sich die Hamas auf ihrer Internet-Seite, die zweite sei von den Al-Aksa-Brigaden verübt worden, hieß es aus israelischen Polizeikreisen.

Der erste Anschlag wurde in der israelischen Kleinstadt Rosch Ha'ajin etwa 20 Kilometer östlich von Tel Aviv verübt. Dem Selbstmordattentäter war es gelungen, an einem Wachmann vorbei eine Drogerie in einem Einkaufszentrum zu betreten, wo er den Sprengsatz zündete. Durch die Detonation wurden ein israelischer Jugendlicher getötet und etwa zehn Menschen verletzt.

Eine halbe Stunde später sprengte sich ein Terrorist am Eingang der jüdischen Siedlung Ariel im Westjordanland in die Luft und riss einen Tramper mit in den Tod. Nach Angaben der israelischen Polizei stammten beide Attentäter aus der palästinensischen Autonomiestadt Nablus. Die Anschläge überschatteten den Besuch des US-Sondergesandten William Burns, der am Dienstag mit Israelis und Palästinensern über den Friedensprozess reden wollte.

Abbas bricht Reise ab

Ariel war seit Beginn der Intifada, des Palästinenser-Aufstandes, im Herbst 2000 bereits mehrmals Ort von Selbstmordanschlägen gewesen. In der jüdischen Siedlung nahe der Grünen Grenze, die das Westjordanland vom israelischen Kernland trennt, leben etwa 15000 Menschen. Es ist eine der größten jüdischen Siedlungen im Westjordanland. Der israelische Regierungssprecher Avi Pazner machte die Palästinensische Autonomiebehörde für die Anschläge verantwortlich.

Er warf ihr vor, nicht damit begonnen zu haben, die palästinensischen Terrororganisationen zu entwaffnen und aufzulösen. Der Friedensfahrplan des Nahost-Quartetts, dem Palästinenser und Israel auf einem Gipfeltreffen in Jordanien Anfang Juni zugestimmt hatten, sieht unter anderem die Zerschlagung der palästinensischen Terrororganisationen vor. Dem Quartett gehören die USA, die UN, die EU und Russland an.

Die israelische Regierung setzte am Dienstag auf Anordnung von Premierminister Scharon vorerst die geplante Freilassung von 79 palästinensischen Gefangenen aus. Scharon sagte, es müsse alle Gewalt seitens der Palästinenser gestoppt werden, um im diplomatischen Prozess fortzufahren.

Der palästinensische Ministerpräsident Machmud Abbas jedoch lehnt dies strikt ab. Er verfolgt eigenen Worten zufolge das Ziel, die Gruppen in das politische System der palästinensischen Regierung zu integrieren. Abbas verurteilte am Dienstag die beiden Anschläge und kündigte an, er werde vorzeitig von seiner Reise durch mehrere arabische Golfstaaten nach Ramallah im Westjordanland zurückkehren. Zugleich warf er Israel vor, seit Beginn der Waffenruhe diese mehrmals verletzt zu haben.

Seit die größten palästinensischen Terrororganisationen Hamas, Islamischer Dschihad und Al-Aksa-Brigaden am 29.Juni einen auf drei Monate befristeten Waffenstillstand erklärt haben, ist die Gewalt im Nahen Osten deutlich zurückgegangen. Zuletzt hatte sich Anfang Juli ein palästinensischer Selbstmordattentäter im israelischen Dorf Jawetz in die Luft gesprengt und dabei eine 65Jahre alte Israelin mit in den Tod gerissen.

Zu dem Anschlag bekannte sich eine Splittergruppe des Islamischen Dschihad. Ein Sprecher der Hamas sagte am Dienstag, man fühle sich der Waffenruhe trotz der Anschläge nach wie vor verpflichtet. Israel trage jedoch die Schuld für die Angriffe, weil es seinerseits die Waffenruhe mehrmals verletzt habe, zuletzt am vergangenen Freitag, als bei Feuergefechten zwischen israelischen Soldaten und bewaffneten Palästinensern in Nablus vier Palästinenser und ein israelischer Soldat getötet worden waren. Unter ihnen waren zwei hochrangige Hamas-Mitglieder.

© Von Thorsten Schmitz - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: