Nahost-Konflikt:Trumps Jerusalem-Entscheidung zwingt die Europäer aus der Deckung

Nahost-Konflikt: EU-Außenbeauftragte Mogherini sieht sich in der Verantwortung.

EU-Außenbeauftragte Mogherini sieht sich in der Verantwortung.

(Foto: Thierry Charlier/AFP)
  • EU-Außenbeauftragte Mogherini reagiert entsetzt auf Trumps Entscheidung, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen.
  • Im Nahen Osten ist die EU direkt gefordert, sie muss nun ihre Deckung verlassen und Position beziehen.
  • Am Montag treffen die EU-Außenminister Israels Ministerpräsident Netanjahu, dann können sie ihre Einflussmöglichkeiten testen.

Von Daniel Brössler, Brüssel

Eines konnte Federica Mogherini nicht sein: überrascht. Die EU-Außenbeauftragte hatte am Dienstag ihren Kollegen US-Außenminister Rex Tillerson zu Gast. Er dürfte sie umfassend darauf vorbereitet haben, dass US-Präsident Donald Trump seine Drohung wahr machen und Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkennen wird.

Eines war Mogherini dann trotzdem: entsetzt. So sah es jedenfalls aus, als die Italienerin am Donnerstag in Brüssel vor die Presse trat. Die Entscheidung habe "das Potenzial uns zurückzuschicken in noch dunklere Zeiten als die, in denen wir ohnehin schon leben", verkündete sie düster. Und warnte: "Was in Jerusalem passiert, betrifft die ganze Region und die ganze Welt."

Es ist seit dem Amtsantritt des Rechtspopulisten Trump viel über die notwendigen Antworten Europas diskutiert worden, und Mogherini ist klar, dass von ihr gerade jetzt eine erwartet wird. Die EU werde sich nun noch mehr engagieren, verspricht sie. Dieser "schwierige Moment" verlange ein "noch entschlosseneres Eintreten für den Frieden".

Tatsächlich ist die EU im Unterschied zu Trumps anderem Brandherd Nordkorea im Nahen Osten direkt gefordert. Wegen der geografischen Nähe, der historischen, politischen und wirtschaftlichen Verbindungen sieht sie sich selbst in einer Verantwortung, der sie in der Vergangenheit freilich kaum je gerecht werden konnte. Im Friedensprozess spielte sie eine Rolle, allerdings häufig jene des Juniorpartners der USA.

Die in Brüssel als aberwitzig eingestufte Jerusalem-Entscheidung Trumps zwingt die Europäer nun aus der Deckung. Wo immer es möglich war, hatten sie bisher versucht, den Anschein der Normalität aufrecht zu erhalten. Noch am Dienstag hatte Mogherini beim Tillerson-Besuch die "enge Partnerschaft und Kooperation" beschworen. "Was wir wirklich brauchen in dieser schwierigen Zeit, ist Weisheit", sagt Mogherini nun. Sie verbindet das mit einem Lob des jordanischen Königs. Aber der Stoßseufzer gilt natürlich Trump.

Das Erschrecken über Trumps Zündelei eint die Europäer

Das Erschrecken über dessen Zündelei eint die Europäer nun erst einmal. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, die britische Premierministerin Theresa May und Bundeskanzlerin Angela Merkel haben die Entscheidung des Amerikaners in ähnlich Worten verurteilt. "Die Europäische Union hat eine klare und vereinte Position", fasst Mogherini das zusammen. Das mag so erst einmal stimmen, aber traditionell zeigt sich gerade im Nahen Osten, warum eine gemeinsame europäische Außenpolitik ein so mühsames Geschäft ist.

Da kommt die gegenüber Israel in einigen skandinavischen Ländern fast schon feindselige Haltung ebenso zum Tragen wie die besondere Verantwortung Deutschlands gegenüber dem jüdischen Staat. Konsens ist das Beharren auf der Zwei-Staaten-Lösung, doch in der Politik gegenüber Israel treten immer wieder Differenzen auf - etwa in der Frage, ob ein Assoziierungsrat nach Jahren wieder tagen soll. Tschechien hielt nach der Rede Trumps gar die Feststellung für nötig, man betrachte West-Jerusalem als faktische Hauptstadt Israels.

"Niemand in der EU sollte jetzt Trump auf den Leim gehen", appelliert der SPD-Außenpolitiker im EU-Parlament, Arne Lietz. Die EU könne im Nahen Osten nicht zuletzt aufgrund ihrer Wirtschaftsmacht durchaus Einfluss nehmen. Die EU ist größter Geldgeber der Palästinenser und wichtigster Handelspartner Israels.

Mogherini will nun das Nahost-Quartett aus EU, USA, UN und Russland beleben und Länder wie Jordanien und Saudi-Arabien einbinden. Am dringendsten sei nun, betont sie, eine weitere Eskalation zu verhindern. Es ist eine Mahnung, die Palästinensern wie Israelis gleichermaßen gilt. Der Zufall will es, dass die EU-Außenminister am kommenden Montag zum Frühstück den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu empfangen, der sich durch Trump gestärkt fühlt. Für die Europäer bietet das eine Gelegenheit, ihre Einflussmöglichkeiten zu testen.

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