Nahost-Konflikt:Israel attackiert mutmaßliches Dschihad-Trainingscamp in Syrien

Die militärische Antwort Israels auf den Terroranschlag in Haifa kam prompt: Zum ersten Mal seit über 20 Jahren hat die israelische Armee Ziele in Syrien angegriffen. Ziel war ein angebliches Trainingslager der palästinensischen Terrororganisation Dschihad, die sich zu dem Anschlag in Haifa bekannt hatte.

Am Samstag hatte sich eine Palästinenserin in einem voll besetzten Strandcafé in Haifa in die Luft gesprengt, 19 Personen mit in den Tod gerissen und 55 weitere verletzt. Der Islamische Dschihad bekannte sich zu dem Anschlag. Das Attentat - eines der blutigsten seit Beginn des palästinensischen Aufstandes vor drei Jahren - ereignete sich einen Tag vor Beginn des höchsten jüdischen Festes Jom Kippur.

Die Kampfflugzeuge der israelischen Luftwaffe nahmen dieses Mal allerdings einen anderen Kurs als sonst: Noch vor Morgengrauen donnerten die Maschinen über das Dorf Ein el Sahib auf syrischem Gebiet. Die Flugzeuge griffen ein Lager an, das nach Erkenntnissen des Mossad-Geheimdienstes als Trainingslager für Mitglieder der militanten Gruppen Hamas und islamischer Dschihad diente.

Der Angriff auf das Trainingscamp hatte mehr Symbolkraft als Wirkung. Das Lager, so hieß es Stunden später in einer Erklärung der radikalen Volksfront für die Befreiung Palästinas in Damaskus, sei "seit langem leer" gewesen.

Schröder: "Nicht akzeptabel"

Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hat den israelischen Luftangriff auf ein palästinensisches Trainingslager in Syrien als "nicht akzeptabel" bezeichnet. Der Friedensprozess werde komplizierter, wenn die Souveränität eines anderen Landes verletzt werde, sagte Schröder am Sonntag nach einem Treffen mit dem ägyptischen Präsidenten Husni Mubarak in Kairo. Auch Mubarak verurteilte den Angriff. Dieser sei "eine Aggression gegen ein Bruderland".

Doch für die israelischen Streitkräfte war der Angriff nach eigenen Angaben nur ein Anfang: "Die Armee hat jetzt Operationen gegen diejenigen begonnen, die hinter den (Selbstmord)-Anschlägen stehen. Jene, die den Terror unterstützen, und jene die eine Strategie des Terrors verfolgen, um Israels Bürger zu verletzen", hieß es in einer Erklärung.

Weitere Angriffe nicht ausgeschlossen

Nach dem Angriff auf ein das Trainingslager in Syrien hat Israel weitere Angriffe auf Ziele im Nachbarland nicht ausgeschlossen. Der Angriff sei eine Warnung an Damaskus gewesen, dass alle, die "den Terrorismus unterstützen, keinerlei Immunität mehr genießen", sagte der Sprecher des israelischen Regierungschefs Ariel Scharon, Raanan Gissin. Syrien sei selbst verantwortlich, da es trotz entsprechender Zusicherungen gegenüber den USA Einrichtungen "terroristischer Organisationen" auf seinem Boden nicht geschlossen habe.

Mit dem ersten israelischen Angriff auf Ziele in Syrien seit 21 Jahren treibt der bisher begrenzte Nahostkonflikt einer weiteren Eskalation entgegen. Die Reaktion kam nicht unerwartet. Denn der Regierung Ariel Scharon gehen die Optionen im Kampf gegen den palästinensischen Terror langsam aus. Die gezielten Angriffe der Luftwaffe auf die Führer der Hamas im Gazastreifen konnten die Gewalt ebenso wenig stoppen, wie die Ausweisungsdrohungen gegen Palästinenserführer Jassir Arafat.

Die 29-jährige angehende Rechtsanwältin Hanadi Dscharadad konnte trotz einer wochenlangen Ausgangssperre in ihrer Heimatstadt Dschenin und trotz der fast fertigen Sperranlage nach Haifa reisen, wo sie ungehindert von einem Wachmann die verheerende Explosion auslösen konnte.

Der Luftangriff auf das syrische Ziel erscheint militärstrategisch konsequent. Geheimdienstinformationen zufolge wurden in den vergangenen Monaten mehrere Terroranschläge gegen Israel direkt von den Exilanführern der Hamas und des Dschihad in Damaskus geplant und befohlen. Die Zusage des syrischen Präsidenten Baschir El Assad an die USA, die Büros dieser Gruppen zu schließen, konnte die Extremistenführer nicht stoppen.

Der Angriff auf ein El Sahib gilt deshalb als Warnsignal sowohl an die militanten Palästinenser, als auch an die Führung in Damaskus. Die Armeeführung habe beschlossen "den Islamischen Dschihad (der sich zum Anschlag von Haifa bekannte) überall in der Region zu verfolgen" berichtete die Tageszeitung Jediot Achronot.

Arafat als "Grund allen Übels"

Doch die Regierung Scharon behalte auch ihren Plan weiter im Auge, Palästinenserführer Arafat auszuweisen, der in den Augen der meisten Israelis der "Grund allen Übels" ist. Ein Kommandounternehmen gegen den seit fast zwei Jahren in Ramallah isolierten PLO-Chef sei lediglich "aufgeschoben", hieß es in dem Blatt. Denn der 74-Jährige ist seit Samstagabend von Hunderten westlicher und palästinensischer Sympathisanten umgeben, die ihn als "lebende Schutzschilde" vor einem israelischen Angriff schützen wollen.

Doch die Zwangsexilierung Arafats, deren Sinn alle Experten bezweifeln, sei unausweichlich, wenn sicher gestellt sei, "dass (bei der Aktion) die Zahl der Opfer auf ein Minimum reduziert werden kann".

Dass sich mit der "Entfernung" Arafats oder durch seinen gewaltsamen Tod durch israelischen Beschuss, die Lage in der Konfliktzone eher noch verschlechtern dürfte, wird in der Region kaum bezweifelt. Chaos in den Palästinensergebieten, die politische Zerstörung der Autonomiebehörde und die vollständige Wiederbesetzung wären unausweichlich, warnten Kommentatoren am Sonntag.

Dennoch werde es letztlich dazu kommen, meinte Jediot Achronot: "wie in der griechischen Tragödie bewegen sich beide Seiten Stück für Stück auf den letzten Akt zu, einen Akt der im Chaos enden wird."

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