Israel und der Gaza-Streifen:Westerwelle darf nach Gaza

Überraschender Vorstoß von Israel: Noch vor ein paar Tagen durfte Dirk Niebel die Grenze nach Gaza nicht passieren. Nun hat sein Parteikollege, Außenminister Guido Westerwelle, eine Einladung in das abgeschottete Gebiet erhalten.

Außenminister Guido Westerwelle will die israelische Einladung zu einem Besuch des Gazastreifens annehmen. Mit der Lockerung der diplomatischen Blockade habe Israel einen "Politikwechsel in Sachen Gaza eingeleitet", sagte Westerwelle bei einem Besuch in Rumänien. "Wenn man bedenkt, was die israelische Regierung damit auch innenpolitisch schultert, so ist das etwas, was man nur sehr begrüßen kann."

-

Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle (FDP) will die israelische Einladung zu einem Besuch des Gazastreifens annehmen.

(Foto: afp)

Israels Außenminister Avigdor Lieberman hatte Westerwelle und sechs weitere europäische Außenminister überraschend in den Gazastreifen eingeladen. Die Einladung wurde über den italienischen Ressortchef Franco Frattini übermittelt. Westerwelle sagte nach einem Telefonat mit Frattini, man werde eine Einladung "immer unterstützen und ihr auch folgen". Er sprach von einer "sehr guten Entwicklung, bei der auch Europa eine Rolle gespielt hat".

Israel hat mit seiner Einladung nur wenige Tage nach dem Eklat um Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) die seit drei Jahren währende diplomatische Blockade des Gazastreifens gelockert. Eine offizielle Stellungnahme zu der Einladung der europäischen Außenminister und den entsprechenden Medienberichten gab es von israelischer Seite bisher nicht.

Kommentatoren sprachen von einer radikalen Kehrtwende in der bisherigen Gaza-Politik Israels. Die Außenminister sollen sich den Berichten zufolge selbst ein Bild davon machen, dass es keine humanitäre Krise im Gazastreifen gibt. UN-Hilfsorganisationen hatten wegen der großen Armut, der hohen Arbeitslosigkeit und der massiven Abhängigkeit von ausländischer Hilfe ein entsprechend düsteres Bild gezeichnet.

Ein Zeitpunkt für den Besuch der Außenminister stand noch nicht fest. Zu der kleinen Delegation sollen neben Franco Frattini und dem deutschen Außenminister Westerwelle auch deren Amtskollegen aus Frankreich und Großbritannien gehören.

Sie sollen während ihres Besuches keinerlei Gespräche mit der im Gazastreifen herrschenden Hamas-Organisation führen. Geplant sei auch ein Besuch der israelischen Grenzstadt Sderot, deren knapp 20.000 Einwohner besonders schwer unter dem jahrelangen Raketenbeschuss militanter Palästinenser gelitten haben, berichtete die Tageszeitung Jerusalem Post. Außerdem sollen sich die Außenminister in der israelischen Hafenstadt Aschdod darüber informieren, wie die internationalen Hilfsgüter überprüft werden.

Israel hat seit der Machtübernahme der radikal-islamischen Hamas im Juni 2007 bis auf wenige Ausnahmen keine Minister oder Diplomaten anderer Länder in den Gazastreifen reisen lassen. Ausnahmeregelungen galten unter anderem für UN-Generalsekretär Ban Ki Moon sowie zuletzt für die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton. Als Grund für den Boykott gab Israel an, dass ein "politischer Reisetourismus" die Hamas stärken und sie als legitime Herrscherin des Gazastreifens erscheinen lassen würde.

Über die Hintergründe der politischen Kehrtwende gab es vorerst nur Spekulationen. Danach habe die israelischen Führung offenbar den Eindruck, dass Israel gegenüber den Europäern eine Geste des guten Willens machen sollte.

Nach einer zweiten Interpretation befürwortet der ultra-rechte Lieberman eine Abtrennung des Gazastreifens von der Versorgung durch Israel. Dies betreffe auch die Energie- und Wasserversorgung. Eine entsprechende Lücke solle die EU durch den Bau von Kraftwerken,Wasserentsalzungsanlagen und mit Projekten in der Abwasserwirtschaft schließen. Sollten solche Pläne umgesetzt werden, müssten EU-Minister auch Zugang zum Gazastreifen haben. Zuletzt hatte Entwicklungsminister Niebel seinen Besuchswunsch auch damit begründet, dass er persönlich sehen wolle, in welche Projekte Geld deutscher Steuerzahler fließe.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: