Bombardement von Gaza-Stadt:Hamas: Haben israelischen Soldaten in unserer Gewalt

Bombardement von Gaza-Stadt: Soldaten der israelischen Armee beim Vormarsch auf Gaza.

Soldaten der israelischen Armee beim Vormarsch auf Gaza.

(Foto: AFP)

Hamas-Kämpfer haben nach eigenen Angaben einen israelischen Soldaten gefangen genommen, in Gaza kommt es daraufhin zu Jubelszenen - Israels UN-Botschafter weist die Darstellung der militanten Palästinenser jedoch zurück.

  • Die Hamas hat nach eigenen Angaben einen israelischen Soldaten entführt - Israels UN-Botschafter Prosor dementiert das.
  • US-Präsident Obama billigt Israel Recht auf Selbstverteidigung zu.
  • Israelischer Ministerpräsident Netanjahu kündigt Ausweitung der Bodenoffensive an und sieht für sein Vorgehen internationalen Rückhalt.
  • Israel will den Großteil der Tunnel im Gazastreifen in den nächsten Tagen zerstören.
  • UN-Generalsekretär fordert sofortige Feuerpause.
  • Ärzte: Mindestens 87 Palästinenser sind am Sonntag in Gaza durch israelischen Beschuss getötet worden.

Hamas nimmt israelischen Soldaten gefangen

Hamas-Kämpfer haben nach eigenen Angaben einen israelischen Soldaten in ihre Gewalt gebracht. "Der israelische Soldat Schaul Aaron ist in den Händen der Essedin-el-Kassam-Brigaden", sagte ein Sprecher der Brigaden mit dem Kampfnamen Abu Obeida auf Hamas TV. In Gaza kam es daraufhin zu Jubelszenen; von ähnlichen Szenen berichteten AFP-Korrespondenten aus Ramallah und Hebron im Westjordanland. Eine israelische Armeesprecherin sagte, eine Untersuchung sei eingeleitet worden. Am Sonntagabend widersprach Israels UN-Botschafter Ron Prosor den Hamas-Kämpfern: "Diese Gerüchte sind unwahr", sagte Prosor am Rande einer Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats zum Gaza-Konflikt. Die Essedin-al-Kassam-Brigaden sind der bewaffnete Arm der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas.

Obama gesteht Israel Recht auf Selbstverteidigung zu

US-Präsident Barack Obama hat Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu erneut das Recht auf Selbstverteidigung im Konflikt mit der Hamas zugebilligt. Zugleich äußerte Obama dem Weißen Haus zufolge bei dem Telefonat am Sonntag "ernste Besorgnis" über die wachsende Zahl von Opfern, den Tod palästinensischer Zivilisten und israelischer Soldaten. Wie es weiter hieß, informierte Obama Netanjahu darüber, dass US-Außenminister John Kerry bald nach Kairo reisen werde, um eine unverzügliche Feuerpause im Nahost-Konflikt zu erreichen.

Netanjahu will Gaza-Offensive ausweiten und sieht Weltgemeinschaft hinter sich

Ungeachtet der zahlreichen Toten auf beiden Seiten hat Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu eine Ausweitung der Bodenoffensive im Gazastreifen angekündigt. "Wir werden nicht aufhören, bis alle Ziele erreicht sind" und die Offensive "so weit wie nötig ausdehnen", sagte Netanjahu in Tel Aviv. Die radikal-islamische Hamas sei selbst für die vielen Toten unter den Zivilisten in dem Palästinensergebiet verantwortlich. "Israel hat diesen Kampf nicht selbst gewählt, er ist uns aufgezwungen worden", sagte der Regierungschef. Das Vorgehen gegen die Tunnel und Raketen der Hamas sei lebensnotwendig für die Sicherheit der Bürger Israels. Es könnten noch "schwere Tage" bevorstehen, sagt Netanjahu.

Außerdem sehe er einen "sehr starken" internationalen Rückhalt für die Gaza-Offensive. Israel habe "internationale Legitimität" für seine Militäroperation gewonnen, nachdem die radikalislamische Hamas einen von Ägypten ausgearbeiteten Entwurf für einen Waffenstillstand abgelehnt habe, ergänzte der Regierungschef. Die Hamas müsse "ihre eigene Verantwortung" für das Geschehen im Gazastreifen erkennen.

Israel kündigt Tunnel-Zerstörung binnen zwei bis drei Tage an

Die Zerstörung eines Großteils der Tunnel im Gazastreifen kann nach den Worten des israelischen Verteidigungsministers binnen zwei bis drei Tagen abgeschlossen sein. "Uns stehen noch lange Tage des Kampfes bevor", sagte Mosche Jaalon in Tel Aviv. Die Hamas versucht immer wieder, durch Tunnel aus dem abgesperrten Gazastreifen nach Israel zu gelangen, um dort Anschläge zu verüben oder Menschen zu entführen. Dafür zahle sie "einen sehr hohen Preis", sagte Jaalon, "wir werden ihr harte Schläge versetzen." Israel bedaure den Tod jedes Zivilisten im Gazastreifen, sagte der Verteidigungsminister. Die Hamas trage jedoch die Verantwortung für das Blutvergießen.

UN-Generalsekretär fordert sofortigen Waffenstillstand

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hat im Gaza-Konflikt eine sofortige Feuerpause gefordert. Die israelische Militäroffensive sei eine "scheußliche Tat", sagte Ban am Sonntag bei einer Pressekonferenz in Katars Hauptstadt Doha. "Die Gewalt muss aufhören." Außerdem mahnte er Israel bei seinen Angriffen zu mehr Rücksicht gegenüber den Bewohnern im Gazastreifen. "Israel muss viel mehr tun, um Zivilisten zu schützen." Ban war in die Hauptstadt Katars gereist, um in Gesprächen mit den Konfliktparteien eine Waffenruhe zu erreichen.

87 Palästinenser sterben bei israelischer Militäroffensive

Bei den israelischen Angriffen auf den Gazastreifen sind am Sonntag nach Angaben von Ärzten mindestens 87 Palästinenser getötet worden. Allein im östlich von Gaza-Stadt gelegenen Vorort Schedschaija kamen bei den Angriffen 62 Menschen ums Leben, wie ein Sprecher der palästinensischen Rettungskräfte sagt. Seit Beginn der jüngsten israelischen Angriffswelle vor knapp zwei Wochen seien nun insgesamt 425 Menschen getötet worden, darunter 112 Kinder. Damit ist der Sonntag der Tag mit der höchsten Zahl von Toten bei israelischen Angriffen auf den Gazastreifen seit fünf Jahren.

Auf den Straßen Schedschaijas rannten tausende Zivilisten um ihr Leben. Ihr Fluchtweg wurde von zerbombten Häusern, verbrannten Autos und den verkohlten Leichen früherer Nachbarn gesäumt. Etliche Verletzte blieben in den Trümmern ihrer Häuser eingeschlossen.

Israelisches Militär vermeldet 13 getötete Soldaten

Nach Beginn des jüngsten israelischen Angriffs auf Gaza sollen allein in der Nacht zum Sonntag 13 israelische Soldaten der Brigade Golani getötet worden sein, sagt eine Armeesprecherin, ohne weitere Details zu nennen. Bislang war von fünf israelischen Soldaten die Rede gewesen, die seit Beginn der Offensive am 8. Juli getötet wurden.

Gaza-Stadt am Sonntagmorgen unter schwerem Beschuss

Zuvor hatte die israelische Armee am Sonntagmorgen eine neue Offensive auf Gaza-Stadt gestartet. Besonders das Viertel Sadschaija im Osten stand unter schwerem Beschuss. Tausende Palästinenser flohen vor den Bombardements, viele machten sich zu Fuß auf.

Hamas soll Waffenruhe frühzeitig aufgekündigt haben

Eine humanitäre Feuerpause zwischen Israel und der radikal-islamischen Hamas zur Bergung der Toten in Gaza-Stadt ist nach einer knappen Stunde zusammengebrochen. Hamas-Kämpfer hätten das Feuer auf israelische Soldaten eröffnet, sagte eine Armeesprecherin. Daraufhin habe das Militär den Beschuss erwidert. Die Feuerpause war vom Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) vermittelt worden und sollte von 12:30 MESZ an zwei Stunden dauern.

Humanitäre Lage verschärft sich weiter

Augenzeugen berichteten von dramatischen Szenen in hoffnungslos überfüllten Krankenhäusern im Gazastreifen. Die israelische Offensive in dem blockierten Palästinensergebiet hat die ohnehin schwierige humanitäre Lage weiter verschärft. Palästinensische Ärzte beklagen einen Mangel an Medikamenten und Ausrüstung bei der Behandlung der vielen Opfer.

Das UN-Hilfswerk für palästinensische Flüchtlinge teilt mit, dass inzwischen etwa 50 000 Palästinenser Schutz in seinen Einrichtungen gesucht hätten. Das UN-Welternährungsprogramm gibt an, etwa 20 000 Flüchtlinge mit Hilfslieferungen erreicht zu haben. In den kommenden Tagen sollten bis zu 85 000 Menschen versorgt werden.

Israel schickt weitere Bodentruppen

Israel bleibt bei seinem harten Kurs: Die Armee rief am Samstag etwa 50 000 Bewohner der Flüchtlingslager Bureij und Maghazi auf, ihre Unterkünfte zu verlassen. Die Lager befinden sich im Zentrum des Gazastreifens. "Wir wollen die Operationen ausweiten", sagte der israelische Generalstabschef Benny Gantz bei einem Besuch des Streitkräfte-Kommandos Süd in Beerscheva. Neben den Bombardements aus der Luft soll vor allem die Bodenoffensive verstärkt werden: Die Armee will in den kommenden Tagen mit zusätzlichen Bodentruppen gegen die radikalislamische Palästinenserorganisation Hamas vorgehen. "Wir haben mehr Soldaten in größeren Gebieten im Einsatz", sagte ein Militärsprecher.

Hauptziel sei die Zerstörung von Tunneln im Gazastreifen. Bei Israels Suche nach Tunneleingängen im Gazastreifen leiste die Hamas heftigen Widerstand. Es gebe schwere Gefechte mit militanten Palästinensern an verschiedenen Orten. Bislang seien 14 Tunnel mit 36 Zugangspunkten gefunden worden. Sie sollten nach gründlicher Untersuchung mit Sprengstoff zum Einsturz gebracht werden. "Einige dieser Tunnel sind eigentlich Bunker", sagte der Militärsprecher. Es seien dort auch viele Waffen gelagert.

Am Samstag drangen Panzer im Osten des Gazastreifens knapp drei Kilometer auf palästinensisches Gebiet vor. De facto gebe es nun eine Pufferzone, hieß es seitens der Armee. Durch die Pufferzone soll der Mörserbeschuss israelischer Orte verhindert werden.

Israel wurde nach eigenen Angaben seit dem 8. Juli mit mehr als 1770 Raketen aus dem Gazastreifen beschossen. Davon seien 360 von Raketenabwehrsystem abgefangen worden.

Erdoğan vergleicht Vorgehen Israels mit Hitler

Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan hat mit einem Hitler-Vergleich im Zusammenhang mit der israelischen Militäroffensive im Gazastreifen einen diplomatischen Eklat ausgelöst. Auf einer Wahlkampfveranstaltung in der Stadt Ordu kritisierte Erdogan das Vorgehen Israels und verwies auf die zahlreichen getöteten Zivilisten. "Sie (die Israelis) haben kein Gewissen, keine Ehre, keinen Stolz. Jene, die Hitler Tag und Nacht verurteilen, haben Hitler in Sachen Barbarei übertroffen", sagte er. Bereits vor einigen Tagen hatte er einer israelischen Politikerin eine "Hitler-Gesinnung" vorgeworfen.

In seiner Rede rief Erdogan die türkische Bevölkerung zur Ruhe auf. Es dürfe keine Übergriffe auf jüdische Mitbürger geben. In der Türkei leben etwa 17 000 Juden. Das israelische Außenministerium sprach eine Reisewarnung für die Türkei aus. Die Beziehungen der einst befreundeten Staaten haben sich in den vergangenen Jahren jedoch dramatisch verschlechtert. 2010 stoppte die israelische Marine ein türkisches Boot auf dem Weg zum Gazastreifen und tötete dabei zehn Menschen an Bord. Das Schiff sollte der Türkei zufolge Hilfsgüter transportieren, Israel warf der Besatzung vor, die Gaza-Blockade durchbrechen zu wollen.

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