Nahost-Konflikt:Erdoğan macht Front gegen die USA

Bei einem Sondergipfel in Istanbul erklären mehr als 50 islamische Staaten Ostjerusalem zur palästinensischen Hauptstadt. Sie folgen damit einer Forderung des türkischen Präsidenten.

Von Paul-Anton Krüger und Luisa Seeling, Kairo/München

Die Mitglieder der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC) haben bei einem vom türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan eigens einberufenen Gipfeltreffen in Istanbul "Ostjerusalem zur besetzten Hauptstadt des Staates Palästina" erklärt. Sie forderten alle anderen Länder auf, es ihnen gleichzutun, hieß es in der Abschlusserklärung, die Vertreter von mehr als 50 Staaten am Mittwoch verabschiedeten. Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas kündigte an, sich jetzt bei den Vereinten Nationen um eine Vollmitgliedschaft zu bemühen, was die USA jedoch per Veto blockieren können.

Die OIC kritisierte die Entscheidung von US-Präsident Donald Trump, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen, als "einseitig, illegal und unverantwortlich". Die OIC-Länder folgten damit einer Forderung des türkischen Präsidenten, der derzeit den Vorsitz der Organisation innehat. Erdoğan bezeichnete Israel erneut als "Terrorstaat" und sagte, das Schicksal Jerusalems könne nicht einem Land überlassen werden, "das sich von Blut ernährt und seine Grenzen erweitert, indem es Kinder, Zivilisten und Frauen brutal ermordet".

Abbas kündigte an, die USA nicht mehr als Vermittler in Nahost zu akzeptieren und forderte die UN auf, diese Rolle einzunehmen. Israel hatte den arabischen Osten Jerusalems im Sechs-Tage-Krieg 1967 erobert und beansprucht die Stadt als Hauptstadt. Die Palästinenser fordern Ostjerusalem als künftige Hauptstadt eines eigenen Staates. Nach Ansicht der meisten Länder muss der Status der Stadt in Friedensverhandlungen geklärt werden. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu zeigte sich von der Istanbuler Erklärung unbeeindruckt. Die Palästinenser sollten "die Realität anerkennen und sich für den Frieden und nicht den Extremismus einsetzen", sagte er am Abend in Jerusalem.

Auf konkrete Maßnahmen konnten sich die Teilnehmer bei aller Empörung nicht einigen

In der muslimischen Welt war Trumps Beschluss zwar einhellig verurteilt worden, auf konkrete Maßnahmen wie die Einbestellung von US-Botschaftern oder die Eröffnung eigener diplomatischer Vertretungen in Ostjerusalem konnten sich die OIC-Staaten jedoch nicht einigen. Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate entsandten zu dem Treffen der Staats- und Regierungschefs nur ihre Vize-Außenminister, aus Ägypten kam Außenminister Sameh Schoukry; offenbar wollten sie ihre guten Beziehungen zu Trump nicht aufs Spiel setzen, von dem sie sich einen entschiedenen Kurs gegen Iran erhoffen. Ägypten liegt mit Erdoğan im Clinch über dessen Unterstützung für die islamistische Muslimbruderschaft.

Irans Präsident Hassan Rohani kritisierte mit Blick auf Saudi-Arabien und die Emirate, dass "einige Länder unserer Region mit den USA und dem zionistischen Regime kooperieren". König Salman erklärte in Riad, es sei das "Recht" der Palästinenser, einen "unabhängigen Staat mit Ostjerusalem als Hauptstadt" zu errichten.

Der türkische Staatschef versucht schon länger, sich als Verteidiger muslimischer Interessen in der Welt zu profilieren. Der Gipfel ist für ihn zudem eine Möglichkeit, von innenpolitischen Problemen abzulenken, von gegen ihn erhobenen Korruptionsvorwürfen zum Beispiel. Spätestens 2019 stehen in der Türkei Präsidentschaftswahlen an; scharfe Töne gegen Israel und die USA sollen fromme muslimische Wähler und Nationalisten gleichermaßen mobilisieren.

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