Nahost-Konflikt:Diese Länder verlegen ihre Botschaften nach Jerusalem

Hilda Patricia Marroquin, the wife of Guatemalan President Jimmy Morales, cuts the ribbon during the dedication ceremony of the embassy of Guatemala in Jerusalem, as she stands with Guatemalan President Jimmy Morales, Israeli Prime Minister Benjamin Netan

Eröffnung der Botschaft Guatemalas in Jersusalem: Präsident Jimmy Morales neben Israels Premier Benjamin Netanjahu, neben Hilda Patricia Marroquin, Morales Frau plus Guatemalas Außenministerin Sandra Jovel

(Foto: REUTERS)

Den Anfang machten die USA mit der Verlegung ihrer diplomatischen Vertretung, heute folgt Guatemala, bald Paraguay. Wer noch folgen könnte - und warum.

Von Lars Langenau

Es muss ein nettes Abendessen gewesen sein, von dem die Jerusalem Post am 29. Januar 2018 berichtete: 70 Führer jüdischer und christlicher Gemeinschaften und Organisationen in den USA und Lateinamerika trafen sich in Guatemala-Stadt mit dem Präsidenten des zentralamerikanischen Staates. Die pro-israelischen Verbände dankten Jimmy Morales dafür, dass das kleine mittelamerikanische Land seine Botschaft am 16. Mai nach Jerusalem verlegen würde. Morales ist evangelikaler Christ und seit 2016 im höchsten Staatsamt Guatemalas. Früher war der 49-Jährige TV-Komiker, doch dann trat er als Außenseiter für eine rechte Partei an und gewann überraschend die Wahl.

Guatemala ist das erste Land, das im Gefolge der USA seine Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem verlegt. Bei dem Treffen im Januar mit Präsident Morales war auch Michel Bachmann anwesend. Die äußerst rechte ehemalige Kongressabgeordnete der US-Republikaner dankte Guatemala für den Einsatz für Israel seit 1948 - und nannte Jerusalem die "ewige und unteilbare Hauptstadt" Israels. "Gott wird Guatemala segnen wie nie zuvor. Das steht bereits in der Bibel, Genesis 12,3: Die, die Israel segnen, werden gesegnet sein", sagte die Frau, die für christlich-fundamentalistische Positionen bekannt ist.

Genaugenommen steht im Ersten Buch Moses laut Lutherbibel: "Ich will segnen, die dich segnen, und verfluchen, die dich verfluchen; und in dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf Erden." Hier zeigt sich ganz wunderbar, wie sich die Wortgläubigkeit evangelikaler Christen mit der Vorstellungswelt orthodoxer Juden und neuerdings auch überzeugter Zionisten verbindet: Religiöse Erwartungen und "Notwendigkeiten" verbinden sich mit politischer Praxis.

Wer folgt noch?

Zwar leben in Guatemala nur wenige hundert Juden, aber inzwischen sind 41 Prozent der 15 Millionen Einwohner des Landes evangelikale Christen. Es war das erste lateinamerikanische Land, das Israel nach dem Zweiten Weltkrieg anerkannte und zunächst in Jerusalem seine Botschaft eröffnete. 1980 wurde sie aus diplomatischen Gründen nach Tel Aviv verlegt.

Beide Länder pflegen enge Beziehungen, Israel unterstützt das Land im Gesundheitswesen, in der Landwirtschaft, in der Wissenschaft und im Umweltsektor. Zudem gibt es seit den 80er Jahren militärische Kooperationen im Kampf gegen linke Guerillas. Auch werden seit Jahren guatemalekische Polizisten in Israel ausgebildet.

Ende Dezember 2017 hatte Morales nach einem Treffen mit Israels Premier Benjamin Netanjahu erklärt, dass er sich zur Verlegung der Botschaft entschlossen habe und seine Außenministerin angewiesen habe, den Umzug in die Wege zu leiten. Sein Land sei "historisch proisraelisch", seit 70 Jahren ein "Verbündeter" Israels. Netanjahu sagte daraufhin: "Andere Länder werden Jerusalem anerkennen und den Umzug ihrer Botschaften ankündigen." Seine Regierung sei mit mindestens zehn weiteren Ländern im Gespräch über diesen Schritt.

Doch wer soll das sein?

Welche Länder ihre Botschaft auch nach Jerusalem verlegen könnten

Mitte Dezember hatte die UN-Vollversammlung die Entscheidung der USA vom 6. Dezember 2017 zur Botschaftsverlegung mit klarer Mehrheit verurteilt. Für die nicht bindende Resolution stimmten 128 der 193 UN-Mitgliedstaaten, darunter Deutschland.

35 Staaten wie Kanada, Kolumbien, Mexiko, Argentinien, Australien, Uganda, Ruanda, Kamerun, Polen, Tschechien, die Philippinen und Südsudan enthielten sich. 21 Staaten, darunter Sambia, Turkmenistan, San Marino, Mongolei, El Salvador oder Myanmar, waren gar nicht erst anwesend.

Nur neun Länder stimmten gegen die von der Türkei eingebrachte Resolution: Das waren die USA und Israel, aber es schlossen sich neben Guatemala auch Honduras, Togo, die Marschallinseln, die Föderierten Staaten von Mikronesien, Palau und Nauru an.

Warum? Für die pazifischen Inseln ist die Frage schnell beantwortet: Sie hängen finanziell am amerikanischen Tropf und folgen den USA daher in außenpolitischen Belangen. Und Togo? Als einziger afrikanischer Staat und entgegen der Linie der Organisation für die afrikanische Einheit (AOE) stimmte Deutschlands Ex-Kolonie am Golf von Guinea überraschend mit den USA und Israel. Das bitterarme Togo ist mehr noch als viele andere Länder anhängig von amerikanischer Entwicklungshilfe und ist deshalb eher geneigt amerikanischen Interessen zu folgen als andere Länder. Die Beziehungen zu Israel sind unter dem Diktatorensprößling Faure Gnassingbé aufgeblüht, der 51-jährige Präsident versteht sich persönlich gut mit Netanjahu. Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International allerdings zeichnen das Bild einer Willkürherrschaft in Lomé mit unrechtmäßigen Verhaftungen und Folter.

Allerdings hat man seither nichts mehr davon gehört, dass das westafrikanische Land auch seine Botschaft verlegen wird. Ganz anders bei zwei lateinamerikanischen Ländern. Mitte April fasste Honduras' Parlament den (nicht-bindenden) Beschluss, der die Regierung auffordert, die Botschaft des Landes nach Jerusalem zu verlegen. Es wird erwartet, dass der konservative Präsident Juan Orlando Hernandez der Aufforderung bald folgen wird. Der ehemalige Anwalt und Unternehmer ist in seinem Land höchst umstritten, seiner Familie werden gar Kontakte zum Drogenmilieu vorgeworfen. 2014 gewann der heute 49-Jährige gegen den linken, arabischstämmigen Kandidaten Salvador Nasralla. Bis heute hat die Opposition die Wahl nicht anerkannt.

Mitte Mai verkündete auch Paraguays scheidender Präsident Horacio Cartes eine Entscheidung für Jerusalem. Erst 2002 schloss Israel aus Geldgründen seine Botschaft in Asunción und Paraguay daraufhin seine Vertretung in Tel Aviv (2014/15 eröffneten beide Länder wieder ihre diplomatischen Vertretungen). Cartes war einst Jesuitenschüler, Unternehmer mit besten Beziehungen in die USA und gehörte zeitweise zu den reichsten Männern seines Landes. Seine Wahl 2013 verdankt er auch einer Gruppe von israelischen Beratern, inklusive Netanjahus früherem Bürochef Ari Harow, wie die Jerusalem Post berichtet.

Der 61-Jährige ist Mitglied der rechten Colorado-Partei mit äußerst konservativen Einstellungen, für ihn bedeuten gleichgeschlechtliche Ehen das "Ende der Welt", wie er einmal sagte. Mehrfach wurden ihm Verstrickungen in Geldwäsche und Drogenhandel unterstellt, verurteilt wurde er nie. Auch auf Druck der katholischen Kirche kandidierte er bei den jüngsten Wahlen nicht mehr - und tritt Mitte August ab.

Auseinandersetzungen über die Jerusalem-Frage auch in der EU

Ein weiterer Aspekt: Die mittelamerikanischen Staaten Honduras und Guatemala sind mit den USA im regionalen Handel eng verquickt und wirtschaftlich abhängig von Washington. Die USA sind in diesen Ländern nicht nur im Anti-Drogenkampf präsent, viele ihrer Staatsbürger leben und arbeiten illegal in den USA. Trump könnte also Druck ausüben, indem er auf die Idee kommen, auch sie auszuweisen.

Kritische Stimmen wie die von Guatemalas Ex-Präsident Eduardo Stein warnen allerdings vor wirtschaftlichen Einbußen für den größten Kardamon-Produzenten der Welt. Denn Kardamon wird besonders gern in arabischen Ländern konsumiert. Ein Handelsboykott der muslimischen Welt machte bereits in den 90er Jahren Pläne zur Rückverlegung der guatemalekischen Botschaft nach Jerusalem zunichte.

Und Südsudan? Im jüngsten Staat der Welt herrscht seit 2013 Bürgerkrieg. Millionen sind auf der Flucht, Zehntausende wurden getötet. Die USA aber sind der wichtigste internationale Partner des mehrheitlich christlichen, ostafrikanischen Landes, das erst 2011 mit massiver Hilfe aus Washington seine Unabhängigkeit vom muslimischen Norden erlangte.

Seit geraumer Zeit wird von israelischer Seite kolportiert, dass auch die Philippinen den Schritt wagen könnten. In Manila regiert seit Mitte 2016 Rodrigo Duterte mit eiserner Faust. Vielleicht ist das ja schon Begründung genug für den Hardliner: Provokation.

Der Umzug der US-Botschaft sorgt allerdings auch innerhalb der Europäischen Union für Uneinigkeit. Tschechien, Rumänien und Ungarn blockierten in den vergangenen Tagen die Vorbereitungen für eine gemeinsame Erklärung der 28 EU-Staaten zu dieser umstrittenen Frage. Die drei Länder und Österreich schickten als einzige aus der EU auch Gesandte zur Eröffnung der US-Botschaft nach Jerusalem.

Prag will noch im Mai ein Kulturzentrum und ein Honorarkonsulat in Jerusalem eröffnen. Präsident Milos Zeman kündigte an, dies sei der erste von drei Schritten der Verlegung der Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem. Allerdings ist dies aufgrund der ablehnenden EU-Haltung längst nicht ausgemacht. Die rumänische Ministerpräsidentin Viorica Dancila wurde mit ihren Vorstoß, Trump zu folgen, von Präsident Klaus Iohannis gestoppt.

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