Nahost-Konflikt:Der Zorn geht weiter

Unruhen in Jerusalem

Israelische Soldaten nehmen einen palästinensichen Demonstranten fest.

(Foto: Amir Abed Rabbo/dpa)

In Jerusalem eskaliert die Tempelberg-Krise. Palästinenser-Präsident Abbas bricht den Kontakt zu Israel ab.

Von Dunja Ramadan

Wegen der verschärften Kontrollen am Jerusalemer Tempelberg hat die Palästinensische Autonomiebehörde die diplomatischen Beziehungen zu Israel eingefroren. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas sagte am Freitag, die Beziehungen würden erst dann wieder aufgenommen, wenn die "Besatzungsmacht" Israel die Sicherheitsmaßnahmen wieder aufhebe. Zuvor hatte er die USA um eine Intervention gebeten. In einem Telefongespräch mit Jared Kushner, dem Nahost-Sondergesandten und Schwiegersohn des US-Präsidenten, forderte Abbas, Donald Trump müsse sich "sofort einmischen", andernfalls könne die Lage außer Kontrolle geraten.

Am Freitag hatte es wegen der zusätzlichen Kontrollen schwere Zusammenstöße zwischen palästinensischen Demonstranten und israelischen Sicherheitskräften gegeben. Nach dem blutigen Anschlag auf dem Tempelberg vor einer Woche, bei dem zwei israelische Polizisten und drei arabische Angreifer starben, hatte Israel dort die Kontrollmaßnahmen verschärft. Daraufhin kam es rund um Jerusalems Altstadt und im Westjordanland zu Ausschreitungen.

In der Nacht zum Samstag sterben in einer Siedlung zwei Israelis durch eine Messerattacke

Dieser Freitag sollte jedoch noch blutiger werden: 400 Palästinenser wurden verletzt, drei getötet. In den sozialen Netzwerken ist zu sehen, wie ein in eine Decke gewickelter junger Mann von einer Menschenmenge getragen wird. Über dem Bild steht, er werde zu seiner Beerdigung gebracht. Es soll sich dabei um den 17-jährigen Muhammad Sharf handeln, der im arabischen Ostteil Jerusalems, im Viertel Ras al-Amud, in den Kopf getroffen wurde, wie das Gesundheitsministerium der palästinensischen Autonomiebehörde mitteilte. Auch die anderen Opfer sollen durch Schüsse getötet worden sein.

In der Nacht zum Samstag dann gab es in einer jüdischen Siedlung im Westjordanland auch auf israelischer Seite Opfer zu beklagen: Ein Angreifer drang in ein Haus in Neve Zuf nordwestlich von Ramallah ein und erstach dort zwei Bewohner, wie die Armee mitteilte. Zwei weitere Menschen verletzte er, bevor er erschossen wurde. Zur Identität des Täters machte die Armee keine Angabe.

Dass es an diesem Freitag zu Zwischenfällen kommen könnte, war vorauszusehen. Vor allem die Metalldetektoren rund um den Tempelberg erregten den Zorn vieler Palästinenser. Sie werten es als Versuch Israels, mehr Kontrolle über die Al-Aksa-Moschee und das Areal zu erlangen. Israel betont, man wolle den Status quo nicht verändern. Die Metalldetektoren seien unentbehrlich, um die Sicherheit aufrechtzuerhalten, argumentierte die Regierung. Muslimische Autoritäten riefen daraufhin zu Massenprotesten auf, sollten die Vorrichtungen nicht bis Freitag beseitigt sein. Die Detektoren blieben, die Demonstranten kamen. Als die israelische Polizei am Freitag Männern unter 50 Jahren den Zutritt zum Gebet am Tempelberg untersagte, fachte das die Wut der Palästinenser weiter an. Hunderte jüngere Männer beteten deshalb auf der Straße außerhalb der Altstadtmauern. Auch an Militärsperren im Westjordanland beteten Muslime, die keine Einreisegenehmigung erhielten. Nach Polizeiangaben griffen sie nach dem Gebet Sicherheitskräfte mit Steinen, Feuerwerkskörpern und Brandflaschen an. Vier Polizisten seien verletzt worden.

Als Ariel Scharon den Berg im Jahr 2000 besuchte, war das der Auftakt zur Zweiten Intifada

Jordanien ist bis heute Hüter der religiösen islamischen Stätten im arabisch geprägten Ostteil Jerusalems, den Israel 1967 erobert und später annektiert hatte. Das Tempelberg-Plateau mit den beiden Moscheen untersteht heute der islamischen Waqf-Stiftung. Zwar sind die Israelis für die Sicherheit verantwortlich, doch nur Muslime dürfen dort beten. Bereits in der Vergangenheit zeigte sich die enorme emotionale Sprengkraft des Tempelbergs. Als am 28. September 2000 der israelische Oppositionsführer Ariel Scharon den Berg besuchte, empfanden das die Palästinenser als Provokation, was zu einem blutigen Konflikt führte: der Zweiten Intifada.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: