Nahost-Konflikt:Belehrungen unerwünscht

US-Außenminister John Kerrys Vorschlag für Frieden in Nahost verpufft. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu fiebert lieber dem 20. Januar entgegen.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Israels Regierung blickt mit freudiger Erwartung auf die Präsidentschaft von Donald Trump. Für die alte Administration gibt es nur noch Spott und böse Worte. US-Außenminister John Kerry hat das jetzt mit voller Kraft zu spüren bekommen, nachdem er in seiner vermutlich letzten großen Nahost-Rede in Washington ein leidenschaftliches Plädoyer für die Zweistaatenlösung gehalten und dabei den israelischen Kurs heftig kritisiert hatte. Premierminister Benjamin Netanjahu sagte postwendend, "Israel braucht keine Belehrungen von außen zum Frieden".

Der Erziehungsminister fordert eine Annexion von Teilen des Westjordanlands

Sein Erziehungsminister Naftali Bennett von der Siedlerpartei Jüdisches Heim will sich nicht einmal mehr mit einer Abrechnung aufhalten, sondern richtet den Blick gleich nach vorn auf die Amtsübernahme Trumps. "Am 20. Januar", so kündigte er an, "nehmen wir Palästina von der Tagesordnung". So droht auch die letzte Anstrengung zu verpuffen, die Kerry für den nahöstlichen Friedensprozess unternommen hat. Als Vermächtnis hinterlässt er Lösungsvorschläge für die Kernprobleme des Konflikts von der Grenzziehung bis zum Status von Jerusalem als Hauptstadt zweier Staaten. Von der israelischen Regierung wurde dies jedoch sogleich als "realitätsfern" abgetan. Kulturministerin Miri Regev aus Netanjahus Likud-Partei schlug vor, Kerry solle doch lieber Washington teilen statt Jerusalem. Schließlich sei dies "Israels Hauptstadt seit 3000 Jahren und wird für weitere 3000 Jahre und für immer Israels Hauptstadt bleiben". Ein Siedlersprecher nannte Kerry "den schlechtesten Außenminister in der amerikanischen Geschichte" und warf ihm vor, "seinem engsten Verbündeten ein Messer in den Rücken gerammt" zu haben.

Gegen solche Dolchstoßlegenden hat auch die israelische Opposition einen schweren Stand. Issac Herzog von der Arbeitspartei betonte dennoch im Anschluss an Kerrys Rede, der scheidende US-Außenminister sei ein "wahrer Freund" des jüdischen Staats, der seine "echte Sorge um die Sicherheit und Zukunft Israels zum Ausdruck gebracht" habe. Mehrheitsfähig ist der Oppositionsführer damit im eigenen Land kaum.

Zur Ehrenrettung Kerrys trat schließlich auch noch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier an, der dessen Appell zur Rettung der Zweistaatenlösung lobte. "Kerrys Rede ist Mahnung und Auftrag zugleich", sagte er. "Mahnung, dass die Zweistaatenlösung nicht zur Leerformel verkommen darf. Und Auftrag an beide Seiten, sich klar zur Zweistaatenlösung zu bekennen und konkrete Maßnahmen zu ergreifen, dieses Bekenntnis zu untermauern." Von solchen Maßnahmen sind jedoch Israelis und Palästinenser weit entfernt. In Ramallah zeigte sich zwar Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas nach Kerrys Rede demonstrativ bereit zu neuen Friedensgesprächen, sobald Israel den Siedlungsbau einstelle. Kerrys Positionen zur Frage palästinensischer Flüchtlinge, die Kompensationen erhalten sollen statt ein Rückkehrrecht nach Israel, werden aber weiterhin nicht geteilt.

In Israel beschäftigt man sich derweil mit Plänen, die in die genau entgegengesetzte Richtung zu Kerrys Bemühungen gehen: Erziehungsminister Bennett nutzte erneut die Gelegenheit, eine Annexion von Teilen des Westjordanlands zu fordern. Zu Beginn soll die Siedlerstadt Maale Adumim einbezogen werden, später sollen das Jordantal und andere Siedlungsgebiete im palästinensischen Westjordanland folgen. "Die Ära eines palästinensischen Staats geht zu Ende", sagte er.

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