Nahost:Jenseits aller Parolen

Israelis und Palästinenser reden nicht mehr miteinander. Sie bleiben sogar weg, wenn über sie geredet wird, wie jetzt bei der Konferenz in Paris. Doch so werden die einen nicht ihren Frieden und die anderen nicht ihren Staat bekommen, auch wenn sie das glauben.

Von Peter Münch

Finster sieht es aus auf dem Pfad zum Frieden in Nahost. Da kann es gewiss nicht schaden, dass Frankreich die Düsternis mit ein wenig Konferenzglanz aufzuhellen versucht. Mehr als 70 Delegationen haben sich in Paris versammelt, um den Ausgleich zwischen Israelis und Palästinensern zu befördern. Die Botschaft lautet, dass die Welt sich weiterhin kümmert. Wie schön. Die Frage ist allerdings, was die Welt tatsächlich tun kann. Seit Jahrzehnten schon hat es sich die internationale Gemeinschaft zur Aufgabe gemacht, im Konflikt ums Heilige Land zu vermitteln. Doch all die ausgefeilten Lösungsvorschläge, die nun auch in Paris wieder bekräftigt wurden, stehen unter demselben Vorbehalt: Der Frieden kann nicht von außen erzwungen werden. Die Kontrahenten müssen ihn schon selber schließen.

Dazu allerdings muss man Israelis und Palästinenser wieder an einen Tisch bringen - und in Paris ist das gescheitert. Israels Regierung hat die französische Initiative von Beginn an boykottiert. Es wäre jedoch trotzdem verkehrt gewesen, die Konferenz deshalb abzusagen. Damit nämlich hätte man der Regierung in Jerusalem ein Veto-Recht über jegliche internationale Initiative gegeben, und das wäre dann doch zu viel der Ehre für die israelische Destruktionsdiplomatie. Stattdessen haben sich die Pariser Teilnehmer um konstruktive Ideen bemüht. Denn wenn weder gute Worte noch Druck etwas bewirken, dann bleibt immer noch ein anderes Instrument: der Anreiz.

Israelis und Palästinenser liegen falsch, sie werden es noch sehen

Ein paar Ideen dazu wurden in Paris vorgelegt, es geht um Hilfe für die Palästinenser oder um wirtschaftliche Vorteile für beide Seiten. Klar wird dabei, wie viel es tatsächlich zu gewinnen gibt für Israelis und Palästinenser, wenn sie ihren Konflikt überwinden - und wie viel die Weltgemeinschaft doch noch zu bieten hat jenseits der gut abgehangenen Friedensparolen. Die EU zum Beispiel kann Israelis und Palästinensern eine "privilegierte Partnerschaft" in Aussicht stellen, die Märkte öffnet und Profite garantiert. Die USA können Sicherheitsgarantien geben, um Israels Risiko zu minimieren und Ängste zu lindern. Und das wohl größte Pfund hat die Arabische Liga in der Hand, deren Vertreter auch in Paris zugegen waren. Sie kann Israel eine Art langfristige Lebensversicherung anbieten: einen regionalen Frieden als Belohnung für den Ausgleich mit den Palästinensern.

Bei solch einer Friedensdividende ist eigentlich klar, wofür die Vernunft optieren würde. Doch statt sich mit solchen Aussichten an den Verhandlungstisch zu setzen, verfolgen sowohl Israel als auch die Palästinenser derzeit ganz andere Interessen: Die Jerusalemer Regierung hofft allein auf den neuen US-Präsidenten Donald Trump, von dem sie freie Hand für ihre Politik des Fakten schaffenden Landraubs erwartet. Die Palästinenser haben den Glauben an direkte Gespräche mit Israel verloren und setzen nur noch auf die Internationalisierung des Konflikts.

Falsch liegen beide - und irgendwann werden es auch beide einsehen müssen. Denn auch ein US-Präsident Trump als Erfüllungsgehilfe der Groß-Israel-Befürworter kann dem jüdischen Staat keine dauerhafte Sicherheit garantieren. Das kann nur ein Friedensvertrag. Auf der anderen Seite bringt auch die diplomatische Anerkennung durch immer mehr Nationen und der Beitritt zu noch mehr internationalen Organisationen die Palästinenser ihrem eigenen Staat nicht näher. Gegründet werden kann der nur durch einen Friedensvertrag mit Israel.

So ist es zumindest wichtig und richtig, auf der Pariser Konferenz noch einmal im breiten internationalen Konsens für die Zwei-Staaten-Lösung zu werben - als vorerst letzte Gelegenheit, bevor fünf Tage später Donald Trump in Washington übernimmt.

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