Nahost:Heiliger Hummus

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Muslime und Juden sind besorgt, weil Kichererbsen teuer werden.

Von Moritz Baumstieger

Ein äußerst appetitliches Foto verursachte jüngst große Erregung. Die US-Fernsehköchin Rachael Ray teilte auf Twitter ein Bild von apart drapierten Vorspeisen, die sie im Begleittext als "israelisch" bezeichnete. In der Bildmitte: Eine Schale Hummus, das in vielen Ländern des Nahen Ostens als Nationalheiligtum verehrte Püree aus Kichererbsen, Sesam-Mus, Zitronensaft und Knoblauch. Ein Sturm brach los: Dieses Grundnahrungsmittel als israelisch zu deklarieren, sei unerhört, empörten sich Hummus-Liebhaber aus arabischen Ländern - um sich dann zu zerstreiten, ob die Paste nun in Libanon, Syrien oder Palästina erfunden wurde.

Mittlerweile jedoch sind Israelis und Araber, Juden, Christen und Muslime der Region in ihren Ängsten vereint - eben wegen der Speise, die den Zwist hervorrief: Ein weltweiter Kichererbsen-Engpass droht die Hummus-Preise dramatisch steigen zu lassen. Der Streit um Jerusalem, die explosive Lage im Bürgerkriegsland Syrien, die Instabilität Libanons: Zu den nun schon bedrohlichen Krisen im Nahen Osten kommt eine weitere, die viele als essenziell betrachten.

Das Epizentrum des Hummus-Bebens liegt jedoch nicht im östlichen Mittelmeerraum, sondern in Großbritannien. Der Inselstaat importiert mehr als die Hälfte seines Lebensmittelbedarfs, seine Nahrungsmittelindustrie reagiert deshalb besonders empfindlich auf Schwankungen am Weltmarkt. Nun meldete ein Handelsmagazin, die Preise für den auch im Vereinigten Königreich zunehmend verzehrten Hummus seien 2017 um zwölf Prozent in die Höhe geschnellt. Bald erreichten die Schockwellen auch die Heimatregion des Pürees: Auf erschrockene Nachfragen von Konsumenten sagten Hersteller und Händler, dass Preissteigerungen wohl unausweichlich seien. In Libanon etwa teilte der Großimporteur Riachi Trading mit, dass der Preis für das Kilo Kichererbsen von 1,50 auf 2,80 Dollar springen werde. Schuld an der Misere, wegen der manche Volksaufstände befürchten, seien Wetterkapriolen in entfernten Gegenden - ungewöhnliche Kälte weit im Westen und große Hitze im fernen Osten.

Im für Libanon als Kichererbsen-Exporteur wichtigen Mexiko gab es Frost, als die Setzlinge ausgebracht wurden. In Indien, dem Weltmarktführer bei den proteinreichen Hülsenfrüchten, herrschte hingegen extreme Dürre. Die Folge waren Missernten, die laut Genetikern der Universität Vermont die Regel werden könnten: Die Pflanze, die in Regionen mit heißen Temperaturen beheimatet ist, kann sich demnach nur schlecht an das sich wandelnde Klima anpassen.

Zur ohnehin schon wenig lustigen Lage auf dem Kichererbsenmarkt kommt, dass Hummus - vegan, nährstoffreich und lecker - auch im Westen immer beliebter wird. Längst ist er nicht mehr nur in Feinkost- oder Naturkostläden zu finden, ernährungsbewusste Angestellte auf der Suche nach einem Mittagssnack finden Hummus abgepackt und haltbar im Discounter: Der Marktführer Aldi etwa hat ihn seit 2015 (Süd) beziehungsweise 2016 (Nord) im Sortiment. Zumindest hierzulande sind jedoch keine Hummus-Revolten zu befürchten: Man beobachte den Weltmarkt, teilte Aldi Nord auf Anfrage mit, könne aber bisher von Preiserhöhungen absehen.

© SZ vom 16.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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