Nahost:Grausam verknotet

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Steinmeiers Reise nach Iran und Saudi Arabien war nicht erfolgreich. Auf Deutschland hat keiner gewartet, die Feindschaften sind enorm. Und dennoch sollte der Minister gleich die nächste Tour planen.

Von Stefan Braun

Erst Teheran, dann Riad - die Reise von Frank-Walter Steinmeier zu zwei Erzfeinden des Nahen Ostens ist alles andere als gewöhnlich gewesen. Wahrscheinlich hätte er derlei noch vor wenigen Monaten gar nicht machen können; sehr wahrscheinlich nämlich hätten Teheran oder Riad oder beide es abgelehnt, einen deutschen Außenminister zu empfangen, der auf demselben Reiseweg auch dem Erzfeind einen Besuch abstattet. Zu tief ist der Graben zwischen den Ländern, zu sehr treffen hier politische, militärische und innerislamische Konflikte aufeinander. So gesehen ist wenigstens die Reise selbst ein kleiner Fortschritt gewesen.

Ansonsten aber ist wenig herausgekommen. Die iranische Führung zeigt mit dem Finger vor allem auf die Saudis, wenn es um die Frage geht, wer eine Lösung der Konflikte in Syrien und Jemen verhindert. Die Saudis lenken den Blick zurück auf die Iraner, sprechen von Aggression, Besatzung, Waffenschmuggel, der die arabische Welt und zuallererst Saudi-Arabien bedrohe. So unversöhnlich klingen beide Seiten, dass man geneigt ist, nach diesen vier Tagen alle Hoffnungen auf ein Ende der Konflikte fahren zu lassen.

Dabei allerdings sollte man die Schuld nicht nur den Staaten der Region zuweisen. Wenn der Westen ehrlich mit sich ist, muss er eingestehen: Jetzt schlägt zurück, was in der Vergangenheit falsch gemacht wurde. Irans Verhalten lässt sich nur verstehen, wenn man an die Geschichte des Landes erinnert. Zu der gehört unter anderem, dass der Westen einst Saddam Hussein massiv aufrüstete, um Iran in die Knie zu zwingen. Und warum soll Saudi-Arabien, das vom Westen seit Jahrzehnten in großem Stil bewaffnet wird, plötzlich dem Erzfeind die Hand reichen - nur weil Europa auf einmal Fluchtursachen bekämpfen möchte?

Steinmeiers Reise nach Riad und Teheran war nicht nutzlos

Wer vier Jahre lang meint, er könne den fürchterlichen Krieg in Syrien weitgehend aus der Position des mitleidenden Zuschauers betrachten, kann nicht erwarten, dass plötzlich ein Knoten entwirrt wird, der vier Jahre lang festgezogen wurde. Wer jetzt überhaupt nur Kontakte knüpfen will, braucht mehr Zeit, als die Flüchtlingskrise erlaubt. Die Bundesregierung jedenfalls hat diese Zeit nicht. Wenn man so will: Die Flüchtlinge bestrafen das Zaudern und Zögern der letzten Jahre.

Trotzdem darf man solche Reisen nicht für nutzlos halten. Steinmeier sollte vielmehr sofort die nächste Konsultationsrunde in der Region planen. Nur dann wird man in Riad oder Teheran erkennen, dass die Bemühungen ernst gemeint sind. Steinmeier muss in Kauf nehmen, ohne Ergebnisse nach Hause zu kommen. Deutschland kann zwar nicht plötzlich den Einfluss der Amerikaner, der Russen oder der unmittelbaren Nachbarn in Nahost ersetzen. Aber es kann dabei helfen, den Erzfeinden die allerersten Schritte der Annäherung zu erleichtern. Es gibt nur wenige, die dazu derzeit in der Lage wären. Deshalb: So wenig diese Reise zunächst brachte, so groß ist die Verpflichtung, nicht aufzugeben.

© SZ vom 21.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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