Nahost:Fehlende Millionen

In Gaza könnten bald die Lebensmittel knapp werden: Den UN droht das Geld für Hilfslieferungen auszugehen - vor allem weil die USA zugesagte Mittel zurückhalten.

Von Alexandra Föderl-Schmid, Gaza

Während sich in den vergangenen Wochen die Aufmerksamkeit auf die Auseinandersetzungen an der Grenze zum Gazastreifen konzentrierte, kämpft das Hilfswerk der Vereinten Nationen für die Palästina-Flüchtlinge (UNRWA) weiter um finanzielle Mittel. Zuletzt hatten die USA mit 65 Millionen Dollar den Löwenanteil zum UNRWA-Budget beigetragen. Nachdem US-Präsident Donald Trump zu Jahresbeginn Zahlungen für die Palästinenser auf Eis gelegt hat, sind einige andere Länder eingesprungen: Nach Zusagen insbesondere von Katar, Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, der Türkei und Indien ist bis zum Spätsommer der Weiterbetrieb der Schulen, Gesundheitszentren und der sozialen Aktivitäten der UNRWA im Gazastreifen sichergestellt.

Das sind schon die einzigen guten Nachrichten, die der für den Gazastreifen zuständige UNRWA-Direktor Matthias Schmale zu überbringen hat. Ob die 275 Schulen nach den Sommerferien im September geöffnet werden können, sei derzeit nicht garantiert. Aufgrund von Platzmangel wurden die 271 000 Schülerinnen und Schüler schon bisher häufig im Zwei-Schicht-Betrieb unterrichtet.

Akuter sind die Schwierigkeiten bei den humanitären Hilfsleistungen, das ist vor allem die Nahrungsmittelhilfe, von der rund 1,2 der zwei Millionen Menschen im Gazastreifen abhängig sind. "Im Prinzip läuft uns für diesen Bereich ab Juni das Geld aus", sagt Schmale. "Wir hoffen zwar, dass wir genug für die eigentlichen Nahrungsmittel für den Zeitraum Juli bis September zusammenkratzen können, aber es fehlen uns immer noch mehrere Millionen für die Logistikkosten." Damit sind die Kosten für die Einfuhr, die Lagerung und die Verteilung gemeint. 60 Prozent jenes Budgettopfs, aus dem die Nahrungsmittelhilfen im Gazastreifen bezahlt werden, waren bisher durch Zahlungen aus den USA abgedeckt. Eine Warenlieferung pro Quartal kostet etwa 20 Millionen US-Dollar.

Der Bedarf an psychologischer Betreuung dürfte in nächster Zeit dramatisch zunehmen

Die ohnehin überlasteten Gesundheitszentren sind durch die Ereignisse an der Grenze weiteren Belastungen ausgesetzt. Mehr als tausend Palästinenser haben laut Schmale in den vergangenen Wochen die 22 von der UN-Organisation betriebenen Gesundheitszentren aufgesucht; der Bedarf an psychologischer Betreuung und orthopädischen Behandlungen werde in nächster Zeit dramatisch zunehmen. Auch an den Schulen herrscht verstärkter Bedarf an psychologischer Betreuung. Denn drei der 62 getöteten Palästinenser, die am Montag vor einer Woche von israelischen Soldaten erschossen worden sind, gingen in eine UNRWA-Schule. Insgesamt sind bei den seit acht Wochen andauernden Protesten sieben Schüler getötet und mehr als hundert verletzt worden.

Zwar sind nach Angaben der radikalislamischen Hamas, die im Gazastreifen seit zehn Jahren regiert, rund die Hälfte der bisher 117 Getöteten ihre Mitglieder. Aber vor allem zu Beginn der Proteste haben viele Bürger ohne politischen Bezug daran teilgenommen, um ihrer Wut über die derzeitige Lage im Gazastreifen Ausdruck zu verleihen. "Meine Sorge bleibt, dass das Potenzial für Gewalt in Form von sozialen Unruhen oder Krieg steigen wird, wenn sich nicht bald etwas im tagtäglichen Leben der Menschen positiv verändert und wenn UNRWA-Dienstleistungen tatsächlich einbrechen würden", sagt Schmale.

Von insgesamt 251 Millionen Dollar an geplanten bilateralen Hilfen für die Palästinenser wurden in diesem Jahr laut US-Regierung erst 50,5 Millionen Dollar ausgezahlt. Trump will damit die Palästinenser zu Verhandlungen zwingen, die sie wegen der Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels nicht mehr fortsetzen wollen. Dem Vernehmen nach soll der mehrfach angekündigte US-Friedensplan im Juni vorgelegt werden.

Unterdessen gehen die Auseinandersetzungen im und um den Gazastreifen weiter. Die israelische Armee hat in der Nacht zum Mittwoch laut eigenen Angaben eine unterirdische Anlage der Hamas und Boote im Hafen von Gaza angegriffen, nachdem Palästinenser kurzzeitig nach Israel eingedrungen waren und einen verwaisten Militärposten für Scharfschützen angezündet hatten. Verletzt wurde demnach niemand.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: