Nahost-Experte:"Iraner werden mit dem Finger auf Saudis zeigen"

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Volker Perthes, 53, ist Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin und Experte für den Nahen Osten. (Foto: dpa/dpaweb)

Nahost-Experte Volker Perthes befürchtet, dass die Selbstmordanschläge in Teheran die Spannungen in der Golfregion dramatisch anheizen. Und die USA unter Trump fallen als Vermittler aus.

Interview von Stefan Braun, Berlin

Volker Perthes ist Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik, Nahostexperte, sowie Berater der UN und der Bundesregierung.

SZ: Am Mittwoch haben Attentäter in Teheran mehrere Menschen getötet. Einen solchen Anschlag hat es in Iran seit Jahrzehnten nicht gegeben. Was ist da los?

Volker Perthes: Noch wissen wir es nicht genau. Richtig ist, dass es solche Anschläge in Irans Hauptstadt noch nicht gegeben hat. Es gab Aktivitäten terroristischer, sunnitisch-extremistischer Organisationen in einzelnen Provinzen, so in Belutschistan. Aber nicht in Teheran.

SZ: Wie groß ist Ihre Sorge, dass zwei derartige Anschläge die ohnehin starken Spannungen in der Region verschärfen?

Perthes: Die Gefahr ist da. Wir haben schon jetzt regionale Eskalationen an ganz unterschiedlichen Fronten. Syrien und Jemen sind schon länger bekannt; in den letzten Tagen kam die Krise um Katar dazu. Was nicht nur, aber auch mit den Kontakten der Kataris zu Iran zu tun hat. So gut wie alles trägt derzeit zu einer Verschärfung zwischen den Saudis und den Iranern bei. Insofern wird man in Iran, wo man ohnehin zu Verschwörungstheorien neigt, mit dem Finger auf die Saudis zeigen. Ganz gleich, was wirklich passiert ist oder wer sich für die Anschläge verantwortlich erklärt. Sie werden in Teheran sagen: Schaut her, hier sitzen die Unterstützer des Wahhabismus, des Terrorismus, des sunnitischen Extremismus. Das wird die Reaktion sein, egal, was sich hinterher rausstellt.

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SZ: Sie haben die Katar-Krise angesprochen. Sehen Sie eine Verbindung zwischen beiden Ereignissen?

Perthes: Ich glaube, wir haben hier erst mal eine Koinzidenz und keine Kausalität. Beides fällt zusammen. Aber das eine ist vermutlich nicht die Folge des anderen. Wenn es denn der IS war, der hier Leute los geschickt hat, dann ist schwer vorstellbar, dass er sie nicht schon vor vier oder mehr Tagen los geschickt hat. Eher schon kam da jemand zu dem Ergebnis, angesichts des Konflikts um Katar lohnt es sich, weiteres Öl ins Feuer zu gießen. Das ist plausibel, bleibt aber fürs Erste unbewiesen.

SZ: Kann in der Situation überhaupt jemand auf Iran einwirken?

Perthes: Es gibt ein paar regionale Kräfte, die das versuchen. Die Kuwaitis, auch der Oman. Aber sollte eintreten, was man jetzt befürchten muss, dann werden seine Bemühungen, zwischen Saudi-Arabien und Iran zu beschwichtigen, massiv erschwert. Allerdings kann auch der bestwillige Vermittler nur erfolgreich sein, wenn ein Mindestmaß an Bereitschaft bei den Parteien da ist. Und hier kommt der internationale Faktor dazu: Saudi-Arabien fühlt sich in seiner harten Anti-Iran-Haltung durch die USA, durch US-Präsident Trump, bestätigt. Dadurch sieht die Führung in Saudi-Arabien gar keinen Grund, sich auf solche Bemühungen einzulassen. Die iranischen Hardliner wiederum fühlen sich bestätigt, dadurch, dass sie sagen: Die USA haben sich doch unter Trump auf die Seite der Saudis geschlagen. Also müssen wir unsere Reihen schließen und nicht irgendwelche Öffnungen anbieten.

SZ: Das heißt, die USA fallen als Vermittler aus?

Perthes: In der besten aller Welten würden die USA in einer solchen Situation versuchen, deeskalierend zu wirken. Trotz ihrer schwierigen Beziehungen zu Iran. Nehmen wir mal an, wir hätten noch die Obama-Kerry-Administration, dann könnte man ziemlich sicher sein, dass Herr Kerry jetzt am Telefon wäre und mit dem iranischen und dem saudischen Außenminister reden würde. Heute haben wir einen US-Außenminister, der im Prinzip dasselbe sagt, aber unterminiert wird von seinem eigenen Präsidenten. Einem US-Präsidenten, der früh morgens los-twittert und behauptet, was da mit Katar gerade geschehe, sei vielleicht das Ende des Terrorismus. Damit im Übrigen untergräbt er nicht nur seinen Außen-, sondern auch seinen Verteidigungsminister, der sich um die Existenz der amerikanischen Luftwaffenbasis in Katar sorgt.

SZ: Ist das Atom-Abkommen mit Iran in Gefahr?

Perthes: Das denke ich fürs Erste nicht. Hier gibt es für einige Monate Luft, nachdem die US-Regierung jüngst still und leise die Aussetzung der Sanktionen gegen Iran verlängert hat. Hier mache ich mir im Augenblick keine Sorgen.

SZ: Sollte es stimmen, dass es der IS war - muss man die Anschläge von Teheran als Zeichen der Stärke oder als Zeichen der Schwäche lesen? Immerhin wird er in seinen Hochburgen Mossul und Rakka immer stärker bedrängt.

Perthes: Je stärker der so genannte Islamische Staat unter Druck kommt, desto mehr werden sie versuchen, Terror in die Länder der Anti-IS-Koalition zu tragen. Westeuropa hat das in den letzten Monaten furchtbar zu spüren bekommen, weil der IS hier seine Anhänger nicht mehr auffordert, nach Syrien zu gehen. Sondern sagt: Haltet euch in Europa bereit; die Ergebnisse sehen wir jetzt überall in Europa. Genau das Gleiche könnte jetzt auch in Iran passiert sein. Aus Sicht der IS-Führer ist Iran letztlich auch ein Teil der Anti-IS-Koalition. Gerade in Irak, also auch rund um Mossul, ist Iran einer der effektivsten Gegner des IS.

SZ: Zur Zuspitzung gehört die Krise um Katar. Wie bedrohlich ist die Lage - für das Land und für die Region?

Perthes: Wenn Sie reich genug sind, können Sie auch Käse und Frischmilch per Flugzeug einfliegen. Und das wird man sicherlich tun. Aber Katar ist unglaublich reich und gleichzeitig unglaublich schwach. Und es hat seine Schwäche immer versucht auszugleichen. Erstens durch strategische Investitionen für die Zeiten, in denen man nicht mehr so reich sein sollte. Also Investitionen in europäische Unternehmen. Und zweitens durch sicherheitspolitische Beziehungen in alle Richtungen. Man gibt den Taliban ein Office und hat die größte amerikanische Airbase; man hat offizielle Beziehungen mit Israel und gibt gleichzeitig den Hamas-Führern Zuflucht. Das ist das katarische Überlebensprinzip.

SZ: Das jetzt an seinem Ende angekommen ist.

Perthes: Möglicherweise. Wenn jetzt die großen Nachbarn am Golf die Schlinge zuschnüren, gibt es wahrscheinlich nur zwei Möglichkeiten: Entweder einknicken. Also man opfert ein paar Minister, schmeißt ein paar Hamas-Leute raus und macht deutlich, dass man sich jetzt in den großen Konsens einreiht - auch wenn man die Beziehungen zu Iran nie ganz einstellen kann, jedenfalls solange man gemeinsam ein großes Gasfeld hat. Oder es gibt tatsächlich so etwas wie einen Regimewechsel. Einen Coup aus der Familie heraus - es wäre nicht das erste Mal.

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