Nahost:Dutzende Tote bei Kämpfen im Grenzgebiet

Israel will die Bodenoffensive ausweiten. Die Truppen sollen 20 Kilometer tief in den Libanon vorrücken.

Israel und die Hisbollah bemühen sich offenbar verstärkt um militärische Geländegewinne, bevor ein von den Vereinten Nationen angestrebter Waffenstillstand in Kraft tritt. Bei erbitterten Kämpfen im Grenzgebiet starben am Dienstag mehr als 50 Menschen, unter ihnen drei israelische Soldaten.

Das Sicherheitskabinett in Jerusalem will an diesem Mittwoch über eine Ausweitung der Bodenoffensive beraten. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier, der auf einer Nahost-Reise für die UN-Resolution warb, rechnet bis Ende der Woche mit einer Einigung.

Beobachter deuten die neue militärische Eskalation als Versuch beider Seiten, sich vor der erwarteten UN-Resolution zum Libanon-Konflikt eine gute Ausgangslage zu verschaffen. Besonders heftig waren die Kämpfe nahe der Hisbollah-Hochburg Bint Dschbeil.

Die radikal-islamische Gruppe teilte mit, ihre Kämpfer hätten dort drei israelische Panzer zerstört. Von UN-Beobachtern hieß es, die israelische Armee sei im Grenzgebiet inzwischen bis zu acht Kilometer ins Landesinnere vorgerückt.

Israels Verteidigungsminister Amir Peretz wies die Armee an, sich auf einen möglichen Vorstoß bis zum Fluss Litani vorzubereiten. Einzelheiten wird das Sicherheitskabinett besprechen. Der Litani liegt etwa 20 Kilometer nördlich der israelisch-libanesischen Grenze. Aus dieser Region feuert die Hisbollah Raketen auf Israel ab.

Einigung im Sicherheitsrat bis Ende der Woche?

Indes ist weiter unklar, wann der UN-Sicherheitsrat sich auf eine Resolution einigen wird, die ein Ende der Kampfhandlungen zwischen Israel und der schiitischen Hisbollah bringen soll. Außenminister Steinmeier sagte während eines Besuches im Libanon, er glaube, dass es bis Ende der Woche eine Einigung geben werde. Er sehe eine Chance, "dass wir bald zu einem Ruhen der Waffen kommen werden".

Der SPD-Politiker versuchte, in der Hauptstadt Beirut für eine Akzeptanz der Resolution zu werben; dazu sprach er mit Parlamentspräsident Nabih Berri, der als Verbindungsmann zur Hisbollah gilt, und mit Regierungschef Fuad Siniora. Er wollte die libanesische Seite überzeugen, eine zeitlich begrenzte Präsenz israelischer Truppen im Süden des Landes hinzunehmen, bis dort eine internationale Stabilisierungstruppe stationiert sei. Beirut will der Resolution nicht zustimmen, weil diese nicht den sofortigen Abzug Israels verlangt.

Am UN-Sitz in New York verlautete, dass die USA und Frankreich einen neuen Entwurf vorbereiteten, der den Bedenken Libanons Rechnung trage. Moskaus UN-Botschafter Vitali Tschurkin machte klar, dass eine Resolution, die "ungünstig für Libanon ausfällt", bei der Vetomacht Russland keine Chancen habe.

Als Alternative zu einer internationalen Stabilisierungstruppe hatte der Libanon am Montagabend vorgeschlagen, 15000 eigene Soldaten zur Friedenssicherung in den Süden des Landes zu schicken. Steinmeier lobte den Vorschlag ausdrücklich als Beitrag zur Stärkung der libanesischen Regierung. Als Ersatz für eine internationale Mission wollte er die Idee aber nicht verstanden wissen.

In Israel stieß der Vorschlag auf unterschiedliche Reaktionen. Premier Olmert sprach von einer interessanten Überlegung. Kabinettsminister Tsahi Hanegbi wies den Plan hingegen zurück: "Wir kennen die libanesische Armee, sie ist eine virtuelle Armee, die nie in einem echten Konflikt getestet wurde." Der Vorschlag sei nur ein Trick, um den wachsenden Druck auf die Hisbollah-Miliz wieder abzumildern.

Am Mittwoch will Steinmeier in Israel mit Olmert sprechen, der sich eine deutsche Beteiligung an einer Libanon-Friedenstruppe wünscht. Dazu hat sich die Bundesregierung bislang nicht öffentlich festgelegt. In Regierungskreisen verdichtet sich aber die Auffassung, dass eine Beteiligung an der Truppe unter französischer Führung womöglich schwer abzulehnen sein wird, wenn selbst Israels Regierung die deutsche Historie nicht mehr als Hinderungsgrund sieht.

Steinmeier versprach der libanesischen Regierung, er werde sich in Israel dafür einsetzen, einen humanitären Korridor zur Versorgung der Kriegsopfer und Flüchtlinge einzurichten. Nach Darstellung von Hilfsorganisationen verschärft sich die Lage der Zivilbevölkerung im Libanon täglich. "Die humanitäre Uhr tickt", sagte eine Sprecherin des UN-Kinderhilfswerks Unicef. Der Südlibanon sei für die Organisationen eine unzugängliche Region geworden. Die Vorräte an Hilfsgütern in Beirut seien fast erschöpft. Allein in der Hauptstadt gebe es 100000 Flüchtlinge.

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