Nahost:Die Rückkehr zur Gewalt

Israels Ministerpräsident Ariel Sharon kündigt an, Liquidierungen militanter Palästinenser weiter zu verstärken. Die radikalislamischen Gruppen Hamas und Dschihad lehnen jede Waffenruhe ab. Die Unverbesserlichen lassen im Nahen Osten wieder die Waffen sprechen.

Eine Woche nach der Wahl von Mahmud Abbas zum palästinensischen Präsidenten hat sich die Lage im Nahen Osten wieder zugespitzt:

Die israelische Regierung will Armeeeinsätze zur gezielten Tötung militanter Palästinenser wieder verstärken. Ministerpräsident Ariel Scharon warf der neuen Palästinenserführung von Präsident Mahmud Abbas vor, weiterhin nicht gegen den Terrorismus vorzugehen.

Scharon sagte vor einer Kabinettssitzung in Jerusalem: "Leider sehen wir trotz der Veränderungen in der Palästinenserführung, dass deren Spitze nichts unternimmt, um den Terror zu verhindern. Die Armee ist angewiesen worden, ohne Beschränkungen alles zu unternehmen, um den Terror zu stoppen."

"Ohne Einschränkungen" gegen den Terror vorgehen

Verteidigungsminister Schaul Mofas hat nach Medienberichten bei einem Treffen mit Militärs eine Wiederaufnahme der gezielten Tötungen angeordnet. So lange Abbas keinen Finger gegen die radikalen Kräfte rühre, müssten die Streitkräfte "ohne Einschränkungen" gegen den Terror vorgehen, sagte Scharon.

Die Ankündigung wurde von palästinensischer Seite scharf kritisiert. "Während Abbas alles unternimmt, um auf den Weg zum Frieden zurückzukehren, erklärt Scharon eine militärische Eskalation", sagte Außenminister Nabil Schaath. "Scharon wird sagen, Abbas folge dem Kurs von Jassir Arafat, und nicht mit ihm zusammenarbeiten."

Nur einen Tag zuvor hatte Abbas in Ramallah seinen Amtseid abgelegt und erklärt, er reiche Israel die Hand zum Frieden. Er äußerte sich aber nicht dazu, wie er den Anschlägen militanter Gruppen Einhalt gebieten will. Genau dies ist für Scharon jedoch die Bedingung, um Friedensverhandlungen wieder aufzunehmen und sich mit Abbas zu treffen.

Rakete verletzt ein kleines Mädchen

Die Amtseinführung von Abbas wurde zudem von neuer Gewalt überschattet: Nachdem am Freitag sechs Israelis einem Angriff militanter Palästinenser am Grenzübergang Karni zum Opfer gefallen waren, wurden am Samstag im Gazastreifen acht Palästinenser von israelischen Soldaten getötet.

Ein israelisches Mädchen wurde verletzt, als die radikalislamische Hamas Kassem-Raketen auf die Grenzstadt Sderot abfeuerte. Ein israelischer Junge erlitt bei einem Granatenangriff schwere Verletzungen. Auch am Sonntag schlugen mehrere Raketen in Sderot ein.

Der Islamische Dschihad und die Hamas wiesen Abbas' Aufruf zu einem Gewaltverzicht zurück. Bei einem vierstündigen Treffen mit Vertretern der regierungsnahen Fatah-Bewegung am Samstag weigerten sich Funktionäre des Islamischen Dschihad, über den Vorschlag einer Waffenruhe überhaupt zu sprechen.

"Die Israelis vermehren ihre Angriffe auf unser Volk", sagte Nafes Assam. In dieser Situation könne nicht über eine Feuerpause diskutiert werden. Mussa Abu Marsuk vom politischen Büro der Hamas in Damaskus erklärte, seine Organisation sei zurzeit nicht zu einem Gewaltverzicht bereit.

Hamas würde Grenzen von 1967 akzeptieren

Er wies auch Forderungen nach einer Entwaffnung der Hamas zurück. Allerdings stellte er in Aussicht, dass seine Organisation den israelischen Staat in den Grenzen von 1967 akzeptieren könnte, sollten sich die Truppen aus dem Westjordanland und dem Gazastreifen zurückziehen. Bislang spricht die Hamas Israel offiziell jedes Existenzrecht ab.

Unterdessen nahm auch der internationale Druck auf Abbas zu, den militanten Kräften Einhalt zu gebieten. Der EU-Außenbeauftragte Javier Solana und US-Außenminister Colin Powell riefen zu einem entschiedenen Vorgehen auf.

Den von Scharon verfügten einseitigen Abbruch aller Kontakte zu Abbas kommentierte Powell mit den Worten: "Ich hoffe, das ist nur vorübergehend."

Auch der Rücktritt von 46 Mitgliedern der palästinensischen Wahlkommission belastet des neuen Präsidenten. Ammar Dwaik und Baha al Bakri, zwei Spitzenfunktionäre der Kommission, begründeten ihren Schritt am Samstag mit dem Vorwurf, das Lager von Abbas habe massiven Druck auf die Kommission ausgeübt.

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