Nahost:Der Vermittler meldet sich zurück

Ägyptens Außenminister besucht Israel - ein seltenes Hoffnungszeichen für den Friedensprozess.

Von Peter Münch , Tel Aviv

Mit allen Ehren hat Israels Pre-mierminister Benjamin Netanjahu einen seltenen Gast in seiner Residenz empfangen: Sameh Schukri kam zu Besuch, als erster ägyptischer Außenminister seit fast einem Jahrzehnt, und dessen Reise nach Jerusalem birgt gleich eine doppelte Bot-schaft: Zum einen ist sie ein Signal für eine Wiederannäherung zwischen Israel und Ägypten, die seit dem offiziellen Friedensschluss 1979 eine wechselvolle Beziehung pflegen - mit dem Tiefpunkt während der Präsidentschaft des 2013 gestürzten Muslimbruders Mohammed Mursi. Zum zweiten ist dieser Besuch ein selten gewordenes Hoffnungszeichen für den nahöstlichen Friedensprozess. Denn die Regierung in Kairo meldet sich damit ganz offiziell als Vermittler zurück.

Schukri machte in Jerusalem bei seinen zwei Gesprächsrunden mit Netanjahu keinen Hehl aus Ägyptens ehrgeizigen Motiven: Der gesamte Nahe Osten stehe an einem "kritischen Wendepunkt", warnte er. Deshalb sei es dringlich, eine Friedenslösung zwischen Israel und den Palästinensern anzustoßen, die "weiteichende, dramatisch-positive Auswirkungen auf die gesamte Lage in der Region" haben würde. Schukri knüpft damit an eine viel beachtete Rede des ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi an, der Mitte Mai Israel enge-re Beziehungen in Aussicht gestellt hatte für den Fall, dass die seit zwei Jahren stillstehenden Verhandlungen mit den Palästinensern wieder aufgenommen würden.

Premier Netanjahu nutzt den Besuch für einen neuen Appell an die Palästinenser

Vorarbeit für seinen Auftritt in Jerusalem hatte Schukri vor zwei Wochen in Ramallah geleistet bei Gesprächen mit Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas. In Israels Medien wird darüber spekuliert, dass er der Palästinenser-Führung dabei "wichtige" und "geheime" Botschaften von al-Sisi überbracht habe. Konkret könnte es sich dabei um vertrauensbildende Maßnahmen handeln, die als Vorleistung beider Seiten einen Friedensprozess wieder in Gang bringen könnten. Der Zeitung Haaretz zufolge könnten dazu nun - angeleitet von Ägypten und Jordanien - israelisch-palästinensische Arbeitsgruppen eingesetzt werden, um zum Beispiel einen begrenzten Siedlungsbaustopp oder palästinensische Maßnahmen zur Terrorbekämpfung zu vereinbaren. Dieses Prozedere könnte dann in direkte Verhandlungen und ein Gipfeltreffen zwischen Netanjahu und Abbas in Kairo münden.

Bislang allerdings lehnt Abbas solche direkten Gespräche ab. Netanjahu dagegen nutzte die Gelegenheit des Schukri-Besuchs zu einem neuerlichen Appell: "Ich rufe die Palästinenser dazu auf, dem Beispiel von Ägypten und Jordanien zu folgen und direkte Friedensgespräche aufzunehmen", sagt er. Dass seit dem Friedensvertrag von Oslo fast zwei Jahrzehnte lang ergebnislos direkte Gespräche geführt worden waren, erwähnte er allerdings nicht.

Ägypten bezieht sich als Grundlage für seinen Vorstoß auf die arabische Friedensinitiative von 2002, die Israel als Belohnung für einen Ausgleich mit den Palästinensern die Anerkennung durch alle Staaten der Arabischen Liga verheißen hatte. Netanjahu war jüngst nicht müde geworden, diesen alten Plan zu loben und al-Sisi für dessen Wiederbelebung zu preisen. Im Nachgang allerdings war dies für die arabische Seite mit einigen Pferdefüßen verbunden. Zum einen forderte Netanjahu alsbald, dass am ursprünglichen Plan "Änderungen" vorzunehmen seien, was in der arabischen Welt umgehend abgelehnt wurde. Zum anderen brüskierte er al-Sisi mit der Ernennung des Ultrarechten Avigdor Lieberman zum Verteidigungsminister. Der Haudegen genießt in Ägypten einen denkbar schlechten Ruf, seitdem er einmal über eine mögliche Bombardierung des Assuan-Staudamms schwadroniert hatte.

Doch die gemeinsamen Interessen haben offenkundig auch diese Irritationen überstrahlt. Lieberman schickte gleich nach Amtsantritt ein paar freundliche Botschaften gen Kairo, die Ägypter revanchierten sich nun mit Schukris Besuch in Jerusalem. Dahinter steckt die Einsicht, dass die beiden Staaten neben dem Palästina-Thema auch noch durch anderes verbunden sind - vor allem durch gleich mehrere gemeinsame Feinde: Das fängt an mit der Hamas in Gaza und setzt sich fort auf dem Sinai, wo die ägyptischen Sicherheitskräfte vom sogenannten Islamischen Staat herausgefordert werden. Überdies sind Israel und Ägypten beide daran interessiert, den iranischen Einfluss in der Region zurückzudrängen.

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