Nahost:Der Reiz des Vakuums

Es drängen sich neue Vermittler auf für den Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern: Russen, Ägypter, Franzosen. Aber was eigentlich wollen sie wirklich? Wenn die Zankparteien Frieden wollten, können sie sich binnen zehn Minuten zusammensetzen.

Von Peter Münch

Frieden hat wieder Konjunktur im Heiligen Land. Zum Beweis hat der notorische Friedensfreund Wladimir Putin gerade einen Sonderbotschafter nach Jerusalem und Ramallah entsandt. Das Ziel: ein baldiges Gipfeltreffen zwischen Israels Premier Benjamin Netanjahu und Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas an der schönen Moskwa. Vielleicht treffen sich die beiden Kontrahenten aber nach Jahren des Schweigens auch in Kairo, wo Ägyptens Präsident Fattah al-Sisi sich danach sehnt, dem Ausgleich eine Bresche zu schlagen. Oder doch eher in Paris, der Stadt der Liebe, wo die Franzosen allzu gern noch in diesem Jahr eine schillernde Nahost-Konferenz ausrichten würden?

Der Möglichkeiten gibt es plötzlich viele - dabei lehrt die Erfahrung doch, dass es für Vermittler an diesen festgefahrenen Fronten nun wirklich nichts zu gewinnen gibt. Gewiss, der ein oder andere hat hier schon einen Nobelpreis abgestaubt. Doch selbst solcher Lorbeer ist schnell verwelkt. Was bleibt, ist das bedrückende Gefühl des Scheiterns. Bezeugen können das ganze Dynastien von US-Mediatoren: die Clintons, die Bushs und zuletzt auch Präsident Barack Obama.

Was also ist so attraktiv an diesem Konflikt, dass sich plötzlich von überall her neue Friedensfürsten aufdrängen? Eines ist klar: Um die Lösung geht es eher nicht, eine solche Naivität darf man keinem der Protagonisten unterstellen. Der Reiz liegt vielmehr im Vakuum. Die Amerikaner, die vor zwei Jahren ihren letzten Vermittlungsanlauf ins Leere pendeln ließen, haben es hinterlassen - und viele fühlen sich nun berufen, es zu füllen. Ihre Motive sind allerdings vor allem selbstsüchtig. Der Friedensprozess wird zur Projektionsfläche für anderweitige Interessen: Die Franzosen träumen von diplomatischer Glorie, Ägyptens Machthaber al-Sisi betreibt kostengünstige Imagepflege und Putin will sowieso im Nahen Osten die Amerikaner beerben, mindestens. Wenn er dabei außer Bomben auch mal einen Olivenzweig herzeigen kann, soll es ihm recht sein.

Es gibt wieder Friedensvermittler, aber was eigentlich wollen sie?

Beenden könnten dieses falsche Spiel allein die Protagonisten, die Israelis und die Palästinenser also, indem sie selbst die Initiative ergriffen. Schließlich müssen Netanjahu und Abbas gar nicht zum Reden ins ferne Moskau, Kairo oder Paris reisen. Sie könnten sich jederzeit binnen zehn Minuten auf halber Wegstrecke zwischen Jerusalem und Ramallah treffen. Doch von solcher Eigeninitiative ist nichts zu sehen, und sie ist auch nicht zu erwarten. Dennoch spielen beide munter mit.

Netanjahu erkennt im eitlen Wettstreit der Vermittler den Vorteil, dass er den einen gegen den andern ausspielen kann. Wenn die Franzosen Druck machen wollen, wendet er sich gen Kairo. Wenn es dort unbequem wird, weicht er aus nach Moskau. Nebenher kann er dort noch die neue Männerfreundschaft mit Putin zelebrieren und den lieben Freunden in Washington eins auswischen.

Vor allem aber produziert das Spiel jenen diplomatischen Stillstand, den Netanjahu braucht, um in den seit fast fünfzig Jahren besetzten palästinensischen Gebieten weiter friedensfeindliche Fakten zu schaffen mit dem Siedlungsbau und der schleichenden Landnahme. Dass Mahmud Abbas dem nichts entgegensetzt, liegt nur zum einen an seiner Schwäche. Zum andern ist die, wie auch immer geartete, internationale Aufmerksamkeit das Elixir, das ihn politisch noch am Leben hält. Hofiert von den Großen der Welt, sucht er vor seinem Volk die eigene Erfolglosigkeit zu kaschieren.

So ist der Friedensprozess zum Friedenszirkus verkommen. Ob er in Moskau, Kairo oder Paris Station macht, ist völlig unerheblich, solange in der Manege nur Zaubertricks und bitterböse Clownerien geboten werden.

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