Nahost-Debatte im Sicherheitsrat:EU wirft Israel "Unverhältnismäßigkeit" vor

Bei dem bislang blutigsten Einsatz der israelischen Armee im Gazastreifen starben in der letzten Woche 77 Menschen. Im UN-Sicherheitsrat hat die EU die Militäroffensive jetzt scharf kritisiert. Algerien will mit einer UN-Resolution Israel zum Truppenabzug bewegen.

"Israel sollte das Recht, seine Bürger vor Terrorismus zu schützen, im Rahmen des internationalen Rechts ausüben", hieß es in einer am Montag (Ortszeit) vom niederländische UN-Botschafter Dirk van den Berg vorgetragenen Erklärung der EU-Staaten vor dem Sicherheitsrat in New York.

Panzer im Gaza-Streifen

Seit sechs Tagen rollen die Panzer durch den Gaza-Streifen. Arabische Staaten forderten wegen Israels Großoffensive eine Sonderdebatte im Sicherheitsrat.

(Foto: Foto: AP)

Auch US-Außenminister Colin Powell rief Israel zur Mäßigung auf. Powell äußerte bei einem Brasilien-Besuch die Hoffnung, dass sich die israelische Militäroffensive im Gazastreifen "nicht weiter ausdehnt". Er hoffe, dass der israelische Ministerpräsident Ariel Scharon "angemessene" Mittel zum Erreichen seiner Ziele findet, sagte Powell in Sao Paulo."Und ich hoffe, dass diese Operation zu einem baldigen Ende gelangt."

In den sechs Tagen der Militäroffensive im Gazastreifen starben mindestens 77 Palästinenser. Der Einsatz ist damit der blutigste seit Beginn der Intifada vor vier Jahren.

"Cheerleader für die Palästinenser"

In einem von Algerien im UN-Sicherheitsrat eingebrachten Resolutionsentwurf wurde der sofortige Abzug der israelischen Truppen aus dem Gazastreifen verlangt. Der amerikanische UN-Botschafter John Danforth kritisierte den Entwurf. Der Text sei "ein weiterer Schritt auf der Straße nach Nirgendwo". Danforth warf dem Sicherheitsrat und der UN-Generalversammlung vor, "als Cheerleader für die Palästinenser aufzutreten, anstatt zu beiden Seiten 'Stopp' zu sagen".

Der algerische UN-Botschafter Abdallah Baali warf Israel "schreckliche Methoden gegen die wehrlose Zivilbevölkerung" vor. In dem Resolutionsentwurf wird Israel aufgefordert, "sofort alle militärischen Aktivitäten im nördlichen Gazastreifen einzustellen und (seine) Besatzungskräfte aus der Region abzuziehen". Der Sicherheitsrat sollte am Dienstag über den Entwurf abstimmen. Es galt als sicher, dass er am Veto der USA scheitert.

Israel hegt Terrorverdacht gegen UN

Israels UN-Botschafter Dan Gillerman warf den Vereinten Nationen unterdessen Verwicklung in "terroristische Aktivitäten" vor. "Wir sehen ein Besorgnis erregendes Muster von UN-Verwicklungen in terroristische Aktivitäten", sagte Gillerman nach einem Gespräch mit UN-Generalsekretär Kofi Annan in New York. "Zu oft waren entweder Personal oder Fahrzeuge oder Logistik der Vereinten Nationen zu nahe an terroristischen Aktivitäten, oder sie wurden von Terroristen zynisch missbraucht."

Bei dem Gespräch mit Annan ging es um Vorwürfe Israels an das UN-Hilfswerk für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA). Die israelische Regierung beschuldigt die Organisation, in UN-Krankenwagen Raketen für Palästinenser in den Gazastreifen gebracht zu haben.

Bei gewaltsamen Zusammenstößen zwischen israelischen Soldaten und Palästinensern gab es am Montagabend Tote auf beiden Seiten. Soldaten einer israelischen Spezialeinheit erschossen bei einem Einsatz in Ramallah im Westjordanland zwei Palästinenser, wie ein örtliches Krankenhaus bekannt gab. Nach Angaben des israelischen Militärrundfunks wurde ein Israeli von Palästinensern erschossen. Bei dem Einsatz in Ramallah seien fünf Mitglieder der radikalislamischen Hamas festgenommen worden.

Im Flüchtlingslager Dschabalija im Gazastreifen starb am Abend ein 22-jähriger Palästinenser bei der Explosion einer Granate, die von einem israelischen Panzer abgefeuert wurde. Ebenfalls im Gazastreifen erschossen Soldaten einen Palästinenser, der sich einer von jüdischen Siedlern genutzten Straße näherte. Der Mann habe eine automatische Waffe bei sich gehabt, teilte die Armee mit.

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