Nahost:An der Schwelle zur Katastrophe

Bei seinem Blitzbesuch im Nahen Osten muss UN-Generalsekretär Ban Ki Moon feststellen, wie verhärtet die Fronten sind.

Von Peter Münch und Stefan Braun, Tel Aviv/Berlin

Bei einem Blitzbesuch im Nahen Osten hat UN-Generalsekretär Ban Ki Moon Israelis und Palästinenser zu einem sofortigen Ende der Gewalt aufgerufen. Der einzige Weg, die Ruhe wiederherzustellen, sei "echter Fortschritt hin zu einer politischen Lösung", sagte Ban und appellierte an die Führungen in Jerusalem und Ramallah, "durch Worte und Taten zu zeigen, dass sie Partner für den Frieden sind". Bei seinen Gesprächen auf beiden Seiten musste er jedoch vor allem erkennen, wie verhärtet die Fronten sind. Allen Appellen und Vermittlungsbemühungen zum Trotz geht auch die Serie der blutigen Anschläge unvermindert weiter.

Beim Treffen Bans mit Israels Premier Benjamin Netanjahu bezichtigte dieser den Palästinenser-Präsidenten Mahmud Abbas der "totalen Lüge" und sagte, "Abbas hat sich mit dem IS und der Hamas verbündet in der Behauptung, dass Israel die Al-Aksa-Moschee bedroht". Netanjahu forderte die Welt zu einer Neubewertung des palästinensischen Terrors auf: "Es geht nicht um die Siedlungen, es geht nicht um den Friedensprozess, es geht um die Sehnsucht, den Staat Israel zu zerstören, so einfach ist das." Auch in Ramallah traf Ban am Mittwoch auf wenig Kompromissbereitschaft. Abbas wiederholte den Vorwurf, dass Israels Regierung am Tempelberg zündele. Die anhaltende Aggression gegen heilige Stätten in Ostjerusalem öffne die Türen zu einem Religionskonflikt, "der leider schon begonnen hat", sagte er. "Wir wollen das nicht und warnen vor den Konsequenzen."

Unter dem Eindruck der Gespräche warnte Ban: "Israel und die Palästinenser stehen an der Schwelle einer neuen katastrophalen Gewaltperiode." Er zeigte Verständnis für die Frustration der Palästinenser, forderte sie aber auf, "die Waffen der Verzweiflung" niederzulegen. Israel gestand er das Recht auf Selbstverteidigung zu, warnte aber vor einem zu harten Einsatz der Sicherheitskräfte. Er sprach sich für neue Friedensgespräche aus mit dem Ziel, die israelische Besatzung der Palästinensergebiete zu beenden.

Am Abend traf Netanjahu in Berlin mit Bundeskanzlerin Angela Merkel zusammen. Auch Merkel mahnte alle Seiten, baldmöglichst Schritte zur Entspannung der Lage einzuleiten. Die Kanzlerin zeigte Verständnis dafür, dass Israel sich angesichts der Gewaltattacken verteidige. Sie erinnerte aber auch daran, dass selbst in solcher Not die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben müsse. ,,Wir wünschen uns, dass alle Seiten zur Deeskalation der Lage beitragen", betonte Merkel. Berlin fürchtet seit vielen Monaten einen neuen Ausbruch der Gewalt und fühlt sich derzeit auf traurige Weise bestätigt. Merkel hob hervor, dass Israels Sicherheit und Existenz stets Teil der deutschen Staatsräson sein werde. Zugleich betonte sie, dass die Bundesregierung den israelischen Siedlungsbau schon lange als Hindernis für Fortschritte bei Friedensbemühungen betrachte. Netanjahu übte auch hier scharfe Kritik an den Palästinensern und Präsident Abbas. Dessen Reaktion auf die derzeitigen Attacken sei völlig unangemessen. Abbas müsse die Hetze gegen Israel aufgeben, verlangte Netanjahu. "Jede Hetze produziert Hass und Terror", sagte Netanjahu. Israels Premier wird in Berlin am Donnerstag auch US-Außenminister John Kerry, die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini und Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier treffen.

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