Naher Osten:Wahlen sollen Unruhen verhindern

Mit den überraschend früh angesetzten Wahlen will die Palästinenserführung die "chaotische Sicherheitslage" in den Autonomiegebieten entspannen. PLO-Chef und Präsidentschaftskandidat Machmud Abbas war bei einer Trauerfeier für den verstorbenen Jassir Arafat in eine Schießerei geraten.

Der palästinensische Chefunterhändler Saeb Erekat sagte, die Wahlen am 9. Januar seien unerlässlich, damit unter den Palästinensern keine Unruhen ausbrechen. "Wenn wir keine Wahlen haben, werden Gewalt und Anarchie wieder ausbrechen." Nur wenn das Votum verfassungsgemäß innerhalb von 60 Tagen nach dem Tod von Palästinenserpräsident Jassir Arafat abgehalten werde, könne "ein Prozess zur Wiederherstellung von Recht und Ordnung" einsetzen. Kandidaten können sich vom 20. November an zehn Tage lang aufstellen lassen.

Die radikal-islamische Hamas-Organisation forderte im Gazastreifen, die Gelegenheit zu allgemeinen Wahlen zu nutzen. "Wenn die Palästinenserbehörde Präsidentenwahlen organisieren kann, warum dann nicht gleich allgemeine Wahlen", sagte Hamas-Sprecher Sami Abu Suchri. Sollten aber keine Wahlen möglich sein, müsse eine vereinte Führung aller Palästinenserorganisationen gebildet werden.

Schießerei bei Trauerfeier

PLO-Chef Abbas räumte ein, die Sicherheitslage in den Palästinensergebieten sei zum Teil "chaotisch". Dies sei auch einer der Gründe für den Vorfall im Gazastreifen. Die palästinensischen Sicherheitskräfte müssten die Situation in den Griff bekommen.

Abbas versuchte die Schießerei am Sonntagabend herunterzuspielen. Sie sei keinesfalls ein Anschlag auf ihn gewesen, betonte der PLO-Chef, der vom Zentralkomitee der Fatah-Organisation als Kandidat für die Nachfolge Arafats nominiert wurde.

Eine Gruppe Bewaffneter, mutmaßlich Mitglieder der Al-Aksa-Brigaden, hatte beim Eintreffen des PLO-Chefs Sprechchöre gegen ihn intoniert und in die Luft geschossen. Daraufhin eröffneten Leibwächter von Abbas und Sicherheitschef Mohammed Dachlan das Feuer auf die Gruppe. Zwei palästinensische Beamte wurden bei der Schießerei getötet. Abbas und Dachlan blieben unverletzt.

Stimmen für Generationswechsel

Unter den etwa taudsend Gästen in dem Trauerzelt für Arafat brach Panik aus. Es kam zu einem regelrechten Chaos, als die Menschen vor und aus dem Trauerzelt im Westen von Gaza drängten und dann flüchteten, sagte ein Augenzeuge.

Auch wenn Abbas und Dachlan einen Anschlag abstreiten, vermuten Beobachter Spannungen um die Nachfolge Arafats als Auslöser der Schießerei. Viele Palästinenser wollen einen Generationswechsel in der Führung, weil die alte Riege um Abbas und Kurei im Verdacht der Korruption und Vetternwirtschaft steht. Sie bevorzugen etwa den früheren Fatah-Führer Marwan Barguti, der als beliebtester Politiker der Palästinenser nach Arafat gilt.

Allerdings sitzt der 45-jährige Mitinitiator der zweiten Intifada in einem israelischen Gefängnis. Er war wegen Mordes an 26 Israelis zu fünf Mal lebenslanger Haft verurteilt worden. Freikommen könnte er möglicherweise im Rahmen eines Gefangenenaustausches. Zudem erlaubt die palästinensische Verfassung auch eine Kandidatur aus dem Gefängnis heraus. Nachdem die PLO Abbas nominiert hat, will sich Barguti jetzt vielleicht um einen Sitz im Parlament bewerben.

Israelische Armee übernimmt wieder Kontrolle

Unterdessen hat die israelische Armee der palästinensischen Polizei in Ramallah am Montag wieder die Erlaubnis entzogen, Waffen zu tragen. Ab sofort würden wieder alle Bewaffneten in den Palästinensergebieten als "Terroristen" betrachtet, sagte ein Vertreter des Militärs. Israelische Soldaten und jüdische Siedler seien davon ausgenommen. Israel hatte das Waffenverbot für die Polizei in Ramallah im Westjordanland für die ersten drei Trauertage nach Arafats Tod ausgesetzt.

In Ramallah kündigte Übergangspräsident Fattuh an, dass Ministerpräsident Achmed Kurei das Amt für nationale Sicherheit übernehmen wird. Die Entscheidung sei vom Zentralkomitee der Fatah und vom PLO- Exekutivkomitee in gemeinsamer Sitzung in Ramallah getroffen worden. Chef des Amtes, das alle palästinensischen Sicherheitskräfte kontrolliert, war bisher Arafat.

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