Naher Osten:Palästinenser suchen Hilfe bei der Weltjustiz

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Der überraschend eingeleitete Beitritt zum Internationalen Strafgerichtshof soll den Druck auf Israel erhöhen. Jerusalem und Washington warnen jedoch vor Rückschlägen.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern verlagert sich auf neue Schauplätze: Nachdem im UN-Sicherheitsrat eine von Jordanien eingebrachte Nahost-Resolution gescheitert ist, drohen die Palästinenser nun mit dem Beitritt zum Internationalen Strafgerichtshof (ICC). Als ersten Schritt dazu unterzeichnete Präsident Mahmud Abbas vor laufenden Kameras das Rom-Statut sowie 19 weitere internationale Verträge. Israel muss nun befürchten, eines Tages wegen der Besatzungspolitik oder auch wegen möglicher Kriegsverbrechen bei Angriffen im Gazastreifen strafrechtlich verfolgt zu werden.

Israels Premierminister Benjamin Netanjahu drohte mit harten Gegenmaßnahmen. Die US-Regierung nannte die von den Palästinensern angestoßene Entwicklung "total kontraproduktiv". Hinter der Verhärtung der Fronten steht allerdings der Versuch, neue Bewegung in den festgefahrenen Nahost-Prozess zu bringen. Die im Sicherheitsrat abgelehnte Resolution sollte dabei einen Zeitplan für die Gründung eines Palästinenser-Staats festlegen - ein Jahr bis zum Abschluss eines Friedensvertrags, drei Jahre bis zum kompletten Abzug der israelischen Truppen aus den besetzten Palästinenser-Gebieten. Statt der für eine Annahme notwendigen neun erhielt die Resolution jedoch nur acht Ja-Stimmen im 15-köpfigen Gremium. Fünf Länder enthielten sich. Die USA und Australien stimmten mit Nein.

Die Palästinenser nannten ihre Niederlage "unerhört beschämend" für die Weltgemeinschaft. Dabei ist offenkundig, dass sie die Ablehnung in Kauf genommen haben, um sich neue Handlungsoptionen wie den Weg zum ICC zu erschließen. Hätten sie mit der Abstimmung nur einen Tag länger gewartet, also bis zum neuen Jahr, wäre die Zusammensetzung im Sicherheitsrat für sie günstiger gewesen. Dann hätten die USA die Resolution wohl mit der Maximalwaffe eines Vetos verhindern müssen.

So aber sind nun mit einem Schlag gleich mehrere neue Entwicklungen in Gang gesetzt worden. Washington hatte die Resolution, mit deren Grundlinien es übereinstimmt, wegen mangelnder Berücksichtigung israelischer Sicherheitsinteressen abgelehnt. Denkbar ist nun, dass nach der israelischen Parlamentswahl im März eine neue Fassung in den Sicherheitsrat eingebracht wird, die diesen Bedenken Rechnung trägt. Deutschland, Großbritannien und Frankreich bemühen sich schon seit Längerem um eine solche Resolution. Die amerikanische UN-Botschafterin Samantha Power warnte Israel bereits, die aktuelle Ablehnung des palästinensischen Petitums "nicht als Bestätigung für einen unhaltbaren Status quo zu interpretieren".

Palästinenser-Präsident Abbas hat sich mit seinem konsequenten Kurs in Richtung ICC nun innenpolitisch wieder Spielraum geschaffen. Bis zu möglichen Anklagen gegen Israel vor dem Strafgerichtshof dürfte es jedoch noch ein weiter Weg sein, zumal umgekehrt dann auch palästinensischen Militanten Prozesse in Den Haag wegen des Raketenbeschusses auf israelische Zivilisten oder wegen Selbstmordanschlägen drohen.

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