Nachruf:Der Richter, der den Abschuss verbot

BVG verkündet Urteil über das Luftsicherheitsgesetz; Dieter Hörnig

Kein kühler Technokrat: Dieter Hömig (1938 - 2016) war elf Jahre lang Richter am Bundesverfassungsgericht.

(Foto: Uli Deck/dpa)

Am Ende waren die Urteile, die Dieter Hömig fällte, dann doch bekannter geworden, als er selbst. Gestört hat es ihn wohl nicht - Dieter Hömig war alles andere als ein kühler Technokrat. Nun ist er im Alter von 78 Jahren gestorben.

Von Wolfgang Janisch

Dass "seine" Urteile dann doch sehr viel bekannter geworden sind als er selbst, das hat ihm ganz gut gefallen. Und Dieter Hömig, der dem Bundesverfassungsgericht von 1995 bis 2006 angehörte, war im Ersten Senat für eine ganze Reihe großer Entscheidungen als Berichterstatter mitverantwortlich - zur Rechtschreibreform etwa, und zum betäubungslosen "Schächten" von Tieren durch muslimische Metzger; das erzliberale Urteil von 2002 hat dem Gericht damals viele Hassbriefe eingebracht. Vor allem aber war Hömig für das 2006 ergangene Urteil zum Luftsicherheitsgesetz zuständig, das derzeit ein etwas bizarres Revival erfährt. Der Hype, den Ferdinand von Schirachs Stück "Terror" und vor allem der ARD-Spielfilm um das Urteil entfacht hat, wird dem besonnenen und zurückhaltenden Richter nicht behagt haben.

Hömig, auf Betreiben des einstigen Justiz- und Außenministers Klaus Kinkel (FDP) zum Verfassungsrichter gewählt, war kein kühler Technokrat. Ihm bereitete das Ringen um die richtige Entscheidung Gewissensqualen. "Mein Gott, was du jetzt entscheidest, ist Gesetz", so beschrieb er einmal seine Gedanken am Beginn seiner Richterkarriere. Und bei der Frage, ob entführte Passagierflugzeuge abgeschossen werden dürfen, um andere Menschen zu retten, ging es buchstäblich um Leben und Tod. Das Gericht untersagte den Abschuss entführter Passagiermaschinen, weil die Tötung Unschuldiger nicht mit der Menschenwürde vereinbar ist. Hömig wusste natürlich, dass das wichtigste Fundament der Verfassung ins Wanken geraten könnte, würde man dem Staat erlauben, Leben gegen Leben abzuwägen. Zugleich aber setzte er darauf, dass im Ernstfall jemand eine mutige, eine menschliche Entscheidung treffen werde: Er hoffe, dass es ein Verantwortlicher auf sich nehmen würde, das Notwendige zu vollziehen und die Last eines Rechtsverstoßes auf sich zu nehmen, bekannte er später.

Den Film "Terror" hat er sich am Montagabend bewusst nicht angesehen, auch das Theaterstück kannte er nicht. Er befürchtete, die juristischen Feinheiten würden der Dramaturgie zum Opfer fallen, sagte er den Badischen Neuesten Nachrichten. Aber am Dienstagvormittag gab er dem Karlsruher Blatt ein Interview. Den Text konnte er nicht mehr autorisieren; Dieter Hömig ist am selben Tag überraschend im Alter von 78 Jahren gestorben.

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