Nachrichtendienst-Affäre:Der Ausforscher

BND-Abwehrchef Volker Foertsch forschte drei Jahre lang Journalisten aus, darunter Mitarbeiter von Spiegel, Stern und Focus. Manch einer plauderte gerne - aus Eitelkeit oder Dummheit.

Hans Leyendecker

31 lange Jahre war Volker Foertsch Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND). Als er im Sommer 1998 "auf eigenen Wunsch" ausschied, war er längst zu einer Legende des Dienstes geworden: Der 1. BND-Direktor, Abteilungsleiter für Sicherheit und Spionageabwehr, galt, auch international, als der bestinformierte deutsche Agent.

Nachrichtendienst-Affäre: Volker Foertsch, einstiger BND-Spezialist für Journalistenkontakte, auf einem Bild aus dem Jahr 1996.

Volker Foertsch, einstiger BND-Spezialist für Journalistenkontakte, auf einem Bild aus dem Jahr 1996.

(Foto: Foto: SZ-Archiv)

Vor ein paar Monaten besprach der 72-jährige ehemalige Nachrichtendienstler mit dem früheren Karlsruher Bundesrichter Gerhard Schäfer eine seiner heikelsten Missionen: die Ausforschung von Journalisten. Im Frühsommer 1995 hatte Foertsch begonnen, Material über Journalisten zu sammeln, die durch ihre Berichte über den Dienst aufgefallen waren.

Auslöser für die Aktion war eine Spiegel-Titelgeschichte im April 1995 gewesen: "Der Bombenschwindel des BND". Zwei Mitarbeiter des Magazins, unter ihnen der Autor dieses Textes, hatten enthüllt, dass V-Leute des Dienstes einen Plutonium-Schmuggel inszeniert hatten.

"Enge dienstliche Beziehungen"

Das Blatt hatte Kenntnisse über heikelste Dienstinterna. Abwehrchef Foertsch bekam nach seiner Darstellung vom damaligen Geheimdienstkoordinator im Kanzleramt, Bernd Schmidbauer, und vom damaligen BND-Präsidenten Konrad Porzner den Auftrag, die Lecks im Dienst ausfindig zu machen und die Löcher zu stopfen.

Foertsch berichtete dem Richter Schäfer, dass er sich die Genehmigung habe geben lassen, im Journalistenmilieu Kontakte zu knüpfen und zu pflegen. Dies sei sowohl von Schmidbauer als auch von Porzner gebilligt worden. Seine Spezialkontakte seien mit der Behördenleitung und der Pressestelle des Dienstes abgesprochen worden, bestätigt er auf Anfrage der Süddeutschen Zeitung.

Zu etwa zwanzig Journalisten, unter ihnen Mitarbeiter von Spiegel, Focus und Stern, sagt Foertsch, habe er fortan zum Teil enge dienstliche Beziehungen unterhalten. Ihm sei es immer darum gegangen, herauszufinden, woher die Reporter ihre Informationen bekämen und welche Geschichten über den BND geplant würden.

"Die Eitlen waren leicht zu knacken"

Foertsch war Informant und Ausforscher zugleich. Er lernte rasch die branchenüblichen Sumpfblüten und auch die Seriösen kennen: "Die Dummen und Eitlen waren leicht zu knacken", sagt er.

Der damalige Mitarbeiter eines Münchner Magazins sei besonders kokett gewesen. Manchmal eine Stunde lang habe der Reporter seine eigene Arbeit und sich selbst gerühmt und er, Foertsch, habe zugestimmt. Dann habe der Journalist begonnen, über seine Quellen zu reden.

Einer der wichtigsten Zuträger sei der frühere Focus-Mitarbeiter Willy D. gewesen, der bereits 1982 als "nachrichtendienstliche Verbindung" (NDV) für den Dienst aktiv geworden sei. Früher habe D., auch "Dali" genannt, dem Dienst Informationen über Kontakte im Nahen und Mittleren Osten geliefert.

Die trübe Quelle sprudelte

Nachdem D. einen Vorvertrag mit dem Spiegel geschlossen hatte, der aufgelöst worden war, weil einige Redakteure mit ihm wegen seiner offenkundigen Geheimdienstanbindung nicht zusammenarbeiten wollten, steuerte er angebliche und vermeintliche Spiegel-Interna bei. Die Quelle habe gesprudelt, aber sie war auch angemessen trüb.

Als Schmidbauer, der sich über ein Buch von Willy D. geärgert hatte, verlangte, die Quelle D. "abzuschalten", legte sich Foertsch nach eigener Aussage quer. D., das wurde im Dezember 1996 im Beisein der Amtsspitze beschlossen, sollte fortan bevorzugt Journalisten ausspähen.

Weil auch die meisten Kollegen nicht erfahren sollten, mit wem Foertsch Umgang hatte, landeten alle heiklen und sensitiven Notizen in einem Giftschrank, und Foertsch gab einigen der Journalisten Decknamen wie "Sommer" oder "Kempinski".

Halbwelt des Journalismus

Ein System des Gebens und Nehmens habe sich, so Foertsch, mit einigen Journalisten entwickelt. Nach seiner Darstellung hat er sowohl Schmidbauer als auch Porzner und dessen Nachfolger Hansjörg Geiger über seine wichtigsten Erkenntnisse beim Umgang mit Journalisten berichtet.

Der Fall ist eine Affäre des BND, aber auch eine Milieustudie aus der Halbwelt des Journalismus. Kollegen schwärzten sich gegenseitig an und erzählten, wer mit wem sich treffe.

Auf den Geheimdienstkritiker Erich Schmidt-Eenboom setzte Foertsch einen Agentenführer an, "der Leute öffnen konnte - ein begabter Hund" Der Beamte mit dem Decknamen "Bessel" besuchte Schmidt-Eenboom und erhielt im Juli 1997 Material aus dem Nachlass eines Stasi-Spions, das der Publizist für ein Buch ausgewertet hatte. Später hat Schmidt-Eenboom, der allerdings niemanden verraten hat, vom BND kleine Spenden kassiert.

Von den eigenen Leuten belauscht

Dieser Teil der Mimikry des Agenten Foertsch im Journalistenmilieu endete 1998. Durch eine Intrige von BND-Mitarbeitern war Foertsch, der viele Jahre im Kanzleramt ein- und ausgegangen war, in den Verdacht geraten, Agent eines russischen Geheimdienstes zu sein.

Der Nachrichtendienstler, der die Journaille ausforschte, wurde von den eigenen Leuten belauscht wie ein feindlicher Spion. Etwa 16 Monate waren BND-Spezialisten hinter ihm her, hörten ihn ab, überwachten ihn mit versteckten Kameras.

Ein von der Bundesanwaltschaft eingeleitetes Ermittlungsverfahren wurde mit einem für Foertsch glänzenden Ergebnis rasch eingestellt.

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