Nachkriegsordnung im Irak:Keine Schecks für die Besatzer

Spätestens seit dem Anschlag auf die UN in Bagdad ist klar: Amerikaner und Briten allein schaffen es nicht, die Sicherheit im Irak zu gewährleisten. Doch viele Länder wollen Geld und Soldaten nur dann bereitstellen, wenn die Rolle der Vereinten Nationen aufgewertet wird.

Von Wolfgang Koydl

(SZ vom 23. August 2003) Amerikas Außenminister Colin Powell und UN-Generalsekretär Kofi Annan kennen, vertrauen und respektieren einander seit vielen Jahren. Wenn es alleine nach ihnen ginge, dürfte einer Zusammenarbeit der Weltmacht mit der Weltorganisation eigentlich nichts entgegenstehen. Zumal da sogar George Bush unlängst ein Damaskus-Erlebnis gehabt haben muss.

"Der Präsident", teilte Powell einer verdutzten Öffentlichkeit mit, "war schon immer der Meinung, dass die Vereinten Nationen eine entscheidende Rolle zu spielen haben". Das mag schon sein, nur sind die Vereinten Nationen - wie Annan bei seinem Treffen mit dem US-Außenminister am Donnerstag pointiert hervorhob - die Summe aller Mitgliedstaaten, und die teilen eben nicht alle die Meinung Washingtons.

Hilflosigkeit eingestehen, ohne Gesicht zu verlieren

Mit Vertretern einiger von ihnen hat Powell in den letzten Tagen intensive Telefongespräche geführt, doch das einzige Zugeständnis, das er von seinen Amtskollegen aus Berlin, Paris, Moskau, Delhi, Islamabad oder Ankara hörte, war die eher allgemein gehaltene Zusicherung, dass man, ja doch, sicherlich, dem irakischen Volk helfen solle, müsse, könne.

Doch das alleine reicht nicht. Denn Hilfe brauchen nicht nur die Iraker, Hilfe brauchen auch die USA, Hilfe brauchen die UN, und Hilfe braucht die Weltgemeinschaft, wenn die Situation im Irak nicht völlig außer Kontrolle geraten soll. Das Problem für die USA und für andere Beteiligte liegt darin, sich selbst und einander diese Hilflosigkeit einzugestehen, ohne dabei allzu sehr an Gesicht zu verlieren.

Die USA sind, auch wenn es schwer gefallen sein mag, ihren Verbündeten ein paar Schritte auf diesem Weg entgegengekommen. Offen ist freilich, ob sie auch zum nächsten Zugeständnis bereit sein werden: der Teilung ihrer Vollmachten im besetzten Irak mit den Vereinten Nationen oder einem anderen Gremium.

Hier war Powell unnachgiebig, und es war wohl auch der ehemalige Berufssoldat und General, der da sprach: "Man braucht Kontrolle über eine große Militäroperation; diesen Beitrag leistet amerikanische Führung für die Koalition." Beim Gedanken an ein geteiltes Kommando werden bei altgedienten Pentagon-Offizieren schnell Erinnerungen an die Balkan-Bredouille wach, als US-Truppen reihum die Verbündeten immer erst um Genehmigung fragen mussten, bevor sie eine serbische Stellung bombardieren durften.

Von den Briten bis zu den Mongolen

Hilfe soll sich in Truppen und in Geld für den Wiederaufbau des Irak nieder-schlagen. Zur Zeit sind knapp 165.000 ausländische Soldaten im dem Land sta-tioniert, die große Mehrheit mit 140 000 sind Amerikaner. Der Rest verteilt sich auf 27 Nationen von den Briten bis zu den Mongolen. Hinzu kommen etwa 35000 irakische bewaffnete Polizisten, die mehr und mehr zur Wahrung der inneren Sicherheit herangezogen werden sollen.

Verteidigungsminister Donald Rumsfeld und General John Abizaid, der Oberkommandierende des für den Irak zuständigen US-Zentralkommandos, streiten die Notwendigkeit einer Truppenaufstockung zwar - für den Moment - ab; unabhängige Militärexperten rechnen indes damit, dass mindestens 300000 bis 500000 Soldaten zur Sicherung des Irak notwendig wären.

Es ist freilich zur Zeit noch schwer vorstellbar, dass Frankreich, Deutschland oder Russland, die den Irak-Feldzug abgelehnt haben, größere Kontingente an diese gefährliche Front schicken.

Konferenz der Gebernationen für Oktober geplant

Ähnlich sieht es bei den Finanzen aus. Für den kommenden Oktober ist eine Konferenz der Gebernationen geplant. Aber auch unter ihnen ist die Bereitschaft gering, Geld zur Verfügung zu stellen, solange die USA die alleinige Verantwortung für den Irak haben.

"Wenn wir anfangen, Schecks zu schreiben, für wen stellen wir sie dann aus?", fragte unlängst ein westlicher Diplomat aus einer Gebernation. "Wir werden sie sicherlich nicht für die Okkupationsmacht ausstellen. Es muss eine stärkere Rolle für die Vereinten Nationen geben."

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