Nach Zickzack-Kurs bei Waffengesetz:Schäuble unter Beschuss

Auch nach dem Rückzieher des Innenministers im Zusammenhang mit der geplanten Lockerung des Waffenrechts reißt die Kritik nicht ab. Schäuble stifte mit seinen Vorstößen "ein Chaos in der Innenpolitik".

Nach dem Rückzieher von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble beim Waffenrecht haben Politiker aus SPD und Opposition seine Amtsführung kritisiert.

Inhaltlich wurde die Entscheidung des CDU-Politikers, den umstrittenen Gesetzentwurf zur Senkung der Altersgrenze für den Erwerb großkalibriger Sportwaffen auf 18 Jahre zu stoppen, aber fast einhellig begrüßt. Nur die Sportschützen sprachen von Populismus.

Die Partei Die Linke begrüßte den Rückzieher von Schäuble im Zusammenhang mit seiner geplanten Lockerung des Waffenrechts. "Das war richtig", sagte Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch in Berlin.

Offensichtlich habe es auch Druck vom Koalitionspartner SPD gegeben.

Auch Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU) begrüßte die Entscheidung Schäubles, nicht die Altersgrenze zum Erwerb großkalibriger Waffen vom 21. auf das 18. Lebensjahr zu senken.

Eine Lockerung, wie ursprünglich vorgesehen, wäre aus Sicht der Justiz ein falsches Signal gewesen, erklärte Merk am Montag in München. Die Abgabe und der Erwerb großkalibriger Waffen an unter 21-Jährige müsse nach wie vor verboten und strafbar sein. Nur so sei die "abschreckende Wirkung" zu erzielen, die nach dem Amoklauf in Erfurt erreicht werden sollte.

Bartsch sagte, Schäuble mache immer wieder kritikwürdige Vorstöße. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) "muss ihm sagen, was geht und was nicht geht".

"Von allen demokratischen Geistern verlassen"

FDP-Chef Guido Westerwelle warf Schäuble nach dessen Verwirrung stiftenden Äußerungen vor, "Chaos in der Innenpolitik" anzurichten.

Die CDU-Ministerpräsidenten zeigten sich uneins. Niedersachsens Regierungschef Christian Wulff und sein baden-württembergischer Kollege Günther Oettinger plädierten dafür, eine Lockerung des Waffenrechts ernsthaft zu prüfen. Ihr thüringischer Kollege Dieter Althaus wandte sich gegen eine Lockerung des Waffenrechts.

Der innenpolitische Sprecher der SPD, Dieter Wiefelspütz, stellte Schäubles Amtsführung in Frage. "Die vielen interpretationsfähigen Interviews ... haben das Koalitionsklima spürbar belastet", sagte er der in Halle erscheinenden Mitteldeutschen Zeitung.

SPD-Generalsekretär Hubertus Heil sprach von einer "merkwürdigen Diskussion". Es sei richtig, dass Schäuble jetzt Klarheit geschaffen habe, dass er keine Lockerung des Waffenbesitzes anstrebe. Mit der SPD hätte es das ohnehin nicht gegeben. Der FDP-Innenexperte Hartfrid Wolff meinte, die Diskussion gleiche "einem Stück aus dem Tollhaus. Offenbar hat Schäuble sein Haus nicht im Griff."

Er plädierte allerdings für Vereinfachung des Waffenrechts. Linkspartei-Vorstandsmitglied Bodo Ramelow sprach von "Instinktlosigkeit des Ministers". Die Grünen begrüßten den Rückzieher, äußerten aber drastische Kritik an seiner Sicherheitspolitik. Der Innenminister sei "von allen guten demokratischen Geistern verlassen", sagte Parteichefin Claudia Roth.

Der Vorsitzende des Bundes Deutscher Sportschützen, Friedrich Gepperth, nannte die Kritik an Schäubles Gesetzentwurf "populistisch". In der Saarbrücker Zeitung sprach er von einer "Medienhysterie", angesichts derer er sogar verstehen könne, "dass Schäuble einknickt".

Auch die ursprüngliche Argumentation Schäubles, mit der Gesetzesänderung einer geplanten Harmonisierung des EU-Rechts vorgreifen zu wollen, wurde angegriffen. So bezeichnete die EU-Abgeordnete Gisela Kallenbach Schäubles Worte als unglaubwürdig. Die Erklärung Schäubles sei "an den Haaren herbeigezogen", sagte die Grünen-Politikerin. Kallenbach ist Berichterstatterin des Europaparlaments für die fragliche EU-Richtlinie.

Die Richtlinie über die Kontrolle des Erwerbs und des Besitzes von Waffen aus dem Jahr 1991 wird derzeit überarbeitet. Sie schreibt für den Kauf von Waffen ein Mindestalter von 18 Jahren vor, die einzelnen EU-Staaten dürfen aber auch strengere Regeln erlassen.

Dieses Recht sei bei der laufenden Überarbeitung der Richtlinie bislang nicht in Frage gestellt worden, sagte Kallenbach. Dies bestätigte auch das Büro des zweiten Berichterstatters, des FDP-Europaabgeordneten Alexander Alvaro. Das Bundesinnenministerium hatte seinen nach heftiger Kritik zurückgezogenen Vorstoß zur Senkung des Mindestalters auf 18 Jahre mit Harmonisierungsbestrebungen auf EU-Ebene begründet.

"Als Beweggrund kann ich mir nur gute Lobbyisten-Arbeit vorstellen"

Die unter anderem für Thüringen zuständige Grünen-EU-Abgeordnete Kallenbach erklärte: "Es gibt keinen Anlass, die Aktivitäten der EU zur Begründung heranzuziehen, die in Deutschland nach Erfurt eingeführte Regelung zu ändern."

Nach einem Amoklauf in der thüringischen Landeshauptstadt war vor fünf Jahren in Deutschland das Mindestalter für Erwerb und Besitz von großkalibrigen Gewehren und Pistolen für den Schießsport von 18 auf 21 Jahre erhöht worden. Dies hatte Schäuble wieder rückgängig machen wollen. Kallenbach erklärte, als eigentlichen Beweggrund dafür könne sie sich "nur einen guten Erfolg der Lobbyisten-Arbeit vorstellen".

Durch die Überarbeitung der EU-Richtlinie soll in erster Linie die Kennzeichnungspflicht für Feuerwaffen verschärft werden. Die EU-Kommission hatte dies im März vorgeschlagen, um das EU-Recht an das UN-Schusswaffenprotokoll anzupassen. Das Europäische Parlament stimmt voraussichtlich im November über die Vorlage ab.

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