Nach verlorener Vertrauensabstimmung:Tschechien erwartet Neuwahlen

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Aus nach 100 Tagen: Der tschechische Premier Jiri Rusnok spricht zur Presse (Foto: REUTERS)

Korruption, Misstrauen, "autoritäre Züge": Das politische Klima in der Tschechischen Republik ist seit Monaten eisig, das Land steckt in einer Regierungskrise. Jezt scheinen Neuwahlen unvermeidlich.

Nach der verlorenen Vertrauensabstimmung der schechischen Expertenregierung stehen die Zeichen auf Neuwahlen: "Es gibt keinen anderen würdigen Ausweg", sagte die konservative Parlamentspräsidentin Miroslava Nemcova nach dem Votum am späten Mittwochabend. Der Versuch des linksgerichteten Präsidenten Milos Zeman, das aus seinen Gefolgsleuten gebildete Kabinett gegen den Willen der Parlamentsmehrheit dauerhaft im Amt zu halten, gilt als gescheitert. Das Unterhaus hatte der Expertenregierung des Linkspolitikers Jiri Rusnok nur einen Monat nach dem Amtsantritt das Vertrauen entzogen. 100 von 193 Abgeordneten votierten gegen die Regierung. Rusnok sprach im Anschluss von einer "sehr würdevollen Niederlage" und kündigte seinen Rücktritt an, stellte aber zugleich klar, dass er bis zu vorgezogenen Neuwahlen weiterregieren wolle.

Hohe Hürden für Neuwahl

Für vorgezogene Wahlen muss sich das Parlament selbst mit Drei-Fünftel-Mehrheit auflösen. Bis zum Mittwoch schien dies nahezu ausgeschlossen. Denn laut Umfragen würde das Mitte-rechts-Lager bei Neuwahlen viele Stimmen verlieren und seine Mehrheit einbüßen. Allerdings scheiterte es auch mit dem Versuch, Präsident Zeman dazu zu bringen, einen Kandidaten aus den eigenen Reihen mit der Bildung einer neuen Regierung zu beauftragen. Und bei der Vertrauensabstimmung scherten zahlreiche konservative Abgeordnete aus.

Auch ihre konservative Partei ODS könne einer Parlamentsauflösung nun zustimmen, sagte Parlamentspräsidentin Nemcova nach dem Votum. "Es macht keinen Sinn, in dieser Lage länger zu warten", sagte der Vorsitzende der Sozialdemokraten, Bohuslav Sobotka. Seine Partei führt derzeit in Umfragen. Neuwahlen müssen laut Verfassung spätestens 60 Tage nach der Auflösung des Parlaments stattfinden.

"Projekt des Präsidenten"

Anlass der politischen Krise war der Rücktritt der Mitte-rechts-Regierung von Ministerpräsident Petr Necas; er war über eine Korruptions- und Bespitzelungsaffäre seiner Beraterin und Geliebten gestürzt. In der Folge ernannte Zeman eine Regierung mit seinen Gefolgsleuten, was ihm scharfe Kritik einbringt.

Rusnoks Regierung sei ohne Zusammenarbeit mit dem Parlament gebildet worden, sie sei "einfach ein Projekt des Präsidenten", sagte der Chef der tschechischen Grünen, Ondrej Liska, am Donnerstag dem Deutschlandradio. Er warf dem Staatschef vor, das Parlament zu schwächen und "autokratische Züge" anzunehmen. Laut Verfassung kann Zeman die Regierung auch ohne Parlamentsvertrauen für unbestimmte Zeit im Amt lassen - reguläre Wahlen sind erst im Mai kommenden Jahres. Das wäre "eine sehr schlechte Nachricht für die parlamentarische Demokratie in Tschechien", sagte Liska. Dass Zeman weiter hartnäckig bleibt, selbst wenn sich das Parlament auflösen sollte, wird in Prag aber nicht mehr erwartet: "Neuwahl" titelte das Boulevardblatt DNES schon.

© AFP/Reuters/webe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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