Nach US-Präsidentschaftswahlen:Nachrufe auf die Republikaner kommen zu früh

Mitt Romney

Mitt Romney wurde bei der Wahl geschlagen - aber seine Niederlage war nicht vernichtend.

(Foto: AP)

Seit der verlorenen Präsidentschaftswahl scheint der republikanische Weltuntergang bevorzustehen. Das sollte für die Grand Old Party aber kein Grund sein, von ihren Grundsätzen abzurücken. Die Niederlage Mitt Romneys war unerwartet, aber nicht vernichtend - und der Nachwuchs steht schon bereit.

Ein Gastbeitrag von John Gizzi

Nach der Niederlage Mitt Romneys gegen Barack Obama in einem Rennen, das die meisten Vormänner der Republikaner schon gewonnen glaubten, haben nun die Weltuntergangspropheten ihre große Stunde. Manche spekulieren schon, dass die Tage der Republikanischen Partei gezählt sind und sie den Weg gehen wird, den die Whigs in den 1840er-Jahren genommen haben, als der innerparteiliche Streit über die Sklaverei die Partei sprengte. Das Problem an diesem Schreckensszenario ist indes dies: Es kann nicht passieren, und es wird nicht passieren.

Ähnlich verfrühte Nachrufe wurden auch schon auf die französischen Sozialisten verfasst, nachdem sie drei Präsidentschaftswahlen in Folge verloren hatten. Und heute, voilà, sitzt der Sozialist François Hollande im Élysée-Palast. Der britischen Labour Party wurde das Totenglöckchen geläutet, als der Konservative David Cameron 2010 in Downing Street Nr. 10 einzog und Labour sich in einen Bruderkampf um die Parteiführung verstrickte - die Brüder Ed und David Milbrand kämpften um die Nachfolge von Gordon Brown als Parteichef. Ed gewann und hat sich zu einem durchsetzungsfähigen Parteiführer entwickelt, der Labour früher, als manche denken, zurück an die Macht bringen könnte.

Seit etwa einem Jahrhundert sind die politischen Parteien in den westlichen Demokratien im Geschäft. Sie haben in dieser Zeit ein hohes Beharrungsvermögen bewiesen. Ihr Kurs mag zwar mal nachgeben, insgesamt aber haben sie ihren Anhängern reiche Dividenden abgeworfen und werden es weiter tun. Die Republikanische Partei wird es noch eine ganze Weile geben.

Nicht die Aktivisten vor den Kopf stoßen

Es war viel zu lesen über die Republikaner in den vergangenen Wochen. Etwa, dass sie heillos ihrer Zeit hinterher sind angesichts eines Wahlvolks, das toleranter geworden ist, was zum Beispiel die Homo-Ehe und Abtreibungen angeht. Oder dass das Scheitern einer gesetzlichen Regelung für die schätzungsweise elf Millionen illegalen Einwanderer 2008 manche Republikaner zu Äußerungen verleitet hat, die der Partei viele Stimmen der hispanischstämmigen Wähler gekostet haben - sie haben zu 70 Prozent Obama unterstützt.

Deshalb ist es wahrscheinlich, dass nun die vertrackte Einwanderungsfrage doch per Gesetz im Kongress gelöst wird. Unwahrscheinlich indes ist es, dass die Partei ihre traditionellen Vorstellungen zur Ehe und zur Unantastbarkeit menschlichen Lebens aufgibt. Wenn sie das täte, würde sie die Aktivisten vor den Kopf stoßen, die die meiste Arbeit für die Partei leisten.

Zudem sollte man nicht vergessen, dass viele derer, die für das Recht auf Abtreibung sind, in der Partei bleiben, weil sie andere Dinge für wichtiger halten, für die ihre Partei eben auch steht - die Forderung nach Abbau des Staates oder niedrigeren Steuern zum Beispiel. Das Gleiche gilt auch für die Befürworter der Homo-Ehe oder für schwule Republikaner selbst wie etwa Richard Tisei aus Massachusetts, der bei der Wahl Anfang November nur knapp den Einzug ins Repräsentantenhaus verfehlte. Ronald Reagan sagte einmal: "Wenn Sie in 20 Prozent der Fälle gegen mich sind, sind Sie in 80 Prozent auf meiner Seite."

Die Wähler wollten Romney nicht

Die Republikaner sind in Kampfesstimmung. Sie haben zwei Sitze im Senat verloren und 16 im Repräsentantenhaus (obwohl sie dort auch acht Sitze erobert haben, die bisher von Demokraten gehalten wurden). Nur einer der abgewählten Kongressabgeordneten kam aus einem ansonsten verlässlich republikanischen Wahlbezirk. Alle anderen wurden in Wahlkreisen geschlagen, in denen die Demokraten mehr eingetragene Wähler hatten - "hinter den feindlichen Linien" also, wie ein republikanischer Wahlkampforganisator es formuliert hat.

Von 50 Bundesstaaten stellen die Republikaner aber nun in 30 den Gouverneur - das ist ein Rekord. Und sie haben in den Abgeordnetenhäusern der Bundesstaaten zugelegt. Michael Barone, der Autor des renommierten Almanac of American Politics, glaubt, dass das einen langfristigen Vorsprung der Republikaner auf regionaler Ebene zur Folge haben wird. Die Demokraten stellen nach den Wahlen 2012 nur noch 46 Prozent der Senatoren auf Bundesstaatenebene und 48 Prozent der Parlamentarier in den Abgeordnetenhäusern. "Die Veränderungen im Süden sind besonders auffallend," schreibt Barone, "in die Wahl 2010 gingen die Demokraten dort mit 51 Prozent der Senatoren und Abgeordneten. Nach der Wahl 2012 haben sie noch 38 Prozent der Senatoren und 40 Prozent der Abgeordneten."

So unerwartet die Niederlage Romney getroffen haben mag, sie ist nicht vernichtend. Nicht so wie beispielsweise die Schlappe von Michael Dukakis, dem demokratischen Kandidaten von 1988, der gegen George Bush senior nur zehn Bundesstaaten gewinnen konnte. Doch selbst nach dieser Demütigung gewann vier Jahre später Bill Clinton die Präsidentschaft. Hätten sich bei der jetzigen Wahl von 122 Millionen Wählern nur 333.000 Wähler in vier Bundesstaaten anders entschieden, wäre nun bald Mitt Romney Präsident. Und so hoch es in diesem Wahlkampf auch herging, die Wahlbeteiligung ist gesunken.

Junger, charismatischer Nachwuchs

Die Wähler haben nicht so sehr gesagt: Wir lieben Barack Obama. Sie wollten keinen Mann aus der Risikokapitalbranche zum Präsidenten haben. Der Kandidat bei dieser Wahl hatte nun einmal Mängel. Er war schwerreich, abgehoben von den Sorgen der Mittel- und Unterschicht und belastet mit dem Ruf, seine Einstellungen zu den Dingen zu oft geändert zu haben. Der nächste Kandidat dürfte aus anderem Holz geschnitzt sein.

Der republikanische Nachwuchs steht schon bereit: der Vorsitzende des Haushaltsausschusses im Repräsentantenhaus und Vizepräsidentschaftskandidat Paul Ryan; Senator Marco Rubio aus Florida, mit Sicherheit einer der begehrtesten Redner der Partei; Louisianas Gouverneur Bobby Jindal, ein Sohn indischer Einwanderer - alle drei sind erst 41 Jahre alt. Oder die Gouverneurin von New Mexico, Susana Martinez (53), die Enkeltochter von Einwanderern aus Mexiko und eine unerschrockene Konservative in einem Bundesstaat, der historisch demokratisch wählt.

Diesen möglichen republikanischen Präsidentschaftskandidaten ist gemeinsam, dass sie jung sind, charismatisch und vor allem in sozialen und wirtschaftspolitischen Fragen die Werte der Partei mittragen. In gewisser Hinsicht mutet es wie ein Déjà-vu-Erlebnis an: Nur eine gute Generation zurück formulierte Barry Goldwater konservative Werte sehr offen, geradezu brutal. Er wurde 1964 schwer geschlagen als Präsidentschaftskandidat. Ronald Reagan teilte Goldwaters Ansichten - aber er trug sie geschmeidiger und durchdachter vor. Er wurde 1980 Präsident. Und die Geschichte nahm ihren Lauf.

John Gizzi, 57, ist Kommentator und White-House-Correspondent für "Human Events", die älteste konservative Wochenzeitung der USA.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: