Nach umstrittener Rede des türkischen Premier:CSU-Chef Huber warnt vor EU-Beitritt der Türkei

Der Auftritt des türkischen Regierungschefs Recep Tayyip Erdogan in Köln sorgt weiter für kontroverse Diskussionen. CSU-Chef Erwin Huber wirft dem Premier "türkischen Nationalismus auf deutschem Boden" vor und wettert gegen den EU-Beitritt des Landes.

Der Auftritt des türkischen Premierministers Recep Tayyip Erdogan in Köln erhitzt weiter die Gemüter. "Erdogan hat türkischen Nationalismus auf deutschem Boden gepredigt. Das ist antieuropäisch und belegt unsere Bedenken hinsichtlich eines EU-Beitritts der Türkei", sagte CSU-Chef Erwin Huber dem Münchner Merkur.

Nach umstrittener Rede des türkischen Premier: CSU-Chef Erwin Huber übt heftige Kritik an der Rede des türkischen Premier in Köln.

CSU-Chef Erwin Huber übt heftige Kritik an der Rede des türkischen Premier in Köln.

(Foto: Foto: dpa)

Huber erklärte weiter: "Man muss jetzt überlegen und prüfen, ob unter diesen Umständen die Fortführung der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei überhaupt noch sinnvoll ist."

Der CSU-Chef bekräftigte zugleich seine Kritik an Erdogans Forderung nach Einführung türkischer Schulen in Deutschland: "Erdogan will gemeinsame Werte verhindern und will, dass auch in Deutschland geborene Türken der zweiten und dritten Generation auf immer Türken bleiben", kritisierte der CSU-Vorsitzende.

Damit erhebe der türkische Staat Anspruch auf die Identität dieser Jugendlichen, was einem Staat überhaupt nicht zustehe. Insgesamt habe Erdogan mit seinem Deutschland-Besuch "dem deutsch-türkischen Verhältnis und dem Zusammenleben von Deutschen und Türken schweren Schaden zugefügt". Huber sprach von "einer Kampfansage an die Politik in Deutschland".

Beckstein: "Diese Rede war höchst unerfreulich"

Erdogan hatte am Sonntag bei einem Auftritt vor Landsleuten in Köln unter anderem die in Deutschland lebenden Türken zur Integration aufgefordert, zugleich aber vor völliger Aufgabe ihrer kulturellen Identität (Assimilation) gewarnt.

"Diese Rede war höchst unerfreulich", sagte Bayerns Ministerpräsident Günther Beckstein (CSU) der Nürnberger Zeitung. Erdogan stelle die türkische Sprache und Kultur eindeutig über die deutsche. Es sei zwar nicht verboten, wenn sich der Premier bei seinem Deutschland-Besuch an die türkische und türkischstämmige Gemeinschaft wende, die Art und Weise, wie er es getan habe, sei aber "aus deutscher Sicht höchst problematisch".

"Verantwortungslos und politisch kurzsichtig"

Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU) betonte in der Westdeutschen Zeitung: "Man sollte nicht versuchen, als türkische Regierung Innenpolitik in Deutschland zu betreiben." Dennoch werte er Erdogans Besuch "eher positiv". In Ludwigshafen habe Erdogan am Ort der Brandkatastrophe die richtigen Worte gefunden.

Die Bundesintegrationsbeauftragte Maria Böhmer (CDU) rief unterdessen zur Mäßigung in der Debatte auf. "Wir müssen hier Klartext miteinander reden, aber wir müssen es in unaufgeregter Weise tun", sagte die CDU-Politikerin im ZDF-Morgenmagazin.

Bülent Arslan, Vorsitzender des Deutsch-Türkischen Forums in der CDU Nordrhein-Westfalens, rief die türkische Regierung auf, zur Integration türkischstämmiger Bürger in Deutschland beizutragen. "Botschaften, die zur Integration aufrufen, können einen wichtigen Beitrag leisten", sagte Arslan der in Dresden erscheinenden Sächsischen Zeitung. Die Türkei könne so "atmosphärisch zu einer Verbesserung beitragen".

Der Vorsitzende des Islamrats in Deutschland, Ali Kizilkaya, verteidigte Erdogan im Tagesspiegel: "Assimilation abzulehnen steht doch nicht im Gegensatz zu Integration, im Gegenteil." Kizilkaya kritisierte indirekt die Bundeskanzlerin: "Viele Türken hatten das Gefühl, dass ihnen endlich ein Regierungschef zuhört. Das hätte auch Frau Merkel tun können."

Auch die migrationspolitische Sprecherin der Linken, Sevim Dagdelen, kritisierte Erdogan. Sie warf ihm vor, "verantwortungslos und politisch kurzsichtig Lobbyarbeit für die Türkei betrieben" zu haben.

Heil: "Nein, keine türkischen Schulen"

Im Streit um Erdogans Vorschlag zur Einrichtung türkischer Schulen und Universitäten in Deutschland sagte FDP-Generalsekretär Dirk Niebel im Fernsehsender Phoenix, er habe nichts dagegen, wenn sie staatlich zertifiziert und überwacht würden. SPD-Generalsekretär Hubertus Heil erklärte auf dem gleichen Sender: "Nein, keine türkischen Schulen, Ja zu bilingualem Unterricht."

Unterdessen berichtete die Süddeutsche Zeitung, dass die Integrationskurse der Regierung auf bemerkenswerte Resonanz stoßen. Nach Zahlen des Innenministeriums hätten von Januar 2005 bis Ende September 2007 rund 350.000 Migranten solche Kurse belegt, in denen ihnen die deutsche Sprache und das Gesellschaftssystem vermittelt werden.

498.000 Zuwanderer wären demnach zur Teilnahme berechtigt gewesen. 101.530 hätten die Prüfung abgelegt, davon hätten 70 Prozent bestanden.

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