Nach über 18 Jahren:Libyen zahlt Entschädigung für La-Belle-Anschlag

Die 163 Überlebenden des Attentats erhalten 35 Millionen Dollar. Libyen betonte, die Zahlung sei kein Schuldeingeständnis. Gleichzeitig forderte die Gaddafi-Stiftung von den USA Entschädigung für die Luftangriffe auf Tripolis und Benghasi 1986.

Fast zwei Jahrzehnte nach dem Terroranschlag auf die Berliner Diskothek La Belle erhalten die deutschen Opfer 35 Millionen Dollar Entschädigung von Libyen. Dies teilte der libysche Botschafter Said Abdulaati am Dienstag in Berlin mit.

Die Bundesregierung wie auch Opferanwalt Sven Leistikow bestätigten die Einigung. Die genannte Summe entspricht nur etwa der Hälfte der Forderungen der Anwälte, die mit der libyschen Gaddafi-Stiftung für die deutschen Opfer und die Angehörigen einer getöteten Türkin des verheerenden Terroranschlags vom 5. April 1986 verhandelt hatten.

Sie hatten je 600000 Dollar für elf Schwerverletzte und je 400000 Dollar für 152 leichter Verletzte gefordert - in der Summe etwa 68 Millionen Dollar.

Der libysche Botschafter sagte, der Vertrag mit den Opfervertretern sei bereits unterschrieben. Dies sei ein guter Schritt zur Verbesserung der Beziehungen seines Landes zu Deutschland wie auch zur gesamten Europäischen Union.

Schröder will bald nach Tripolis reisen

Er mache den Weg frei für einen Besuch von Bundeskanzler Gerhard Schröder in dem Wüstenstaat "in naher Zukunft". Zu möglichen Entschädigungen auch für die amerikanischen Opfer des Terroranschlags wollte er sich nicht äußern. "Das ist eine andere Angelegenheit", sagte Abdulaati.

Regierungssprecher Bela Anda kündigte unmittelbar nach der Einigung auf eine Entschädigungszahlung einen "baldigen Besuch" Schröders in Libyen an. Über den genauen Termin und die Ausgestaltung des Besuchs würden beide Seiten umgehend Gespräche aufnehmen, sagte Anda. Die Bundesregierung und die deutsche Wirtschaft seien bereit, Libyen bei der Modernisierung seiner Wirtschaft zu unterstützen.

Bei dem verheerenden Anschlag auf das bei US-Soldaten beliebte Berliner Tanzlokal am 5. April 1986 waren zwei Amerikaner und eine Türkin getötet worden. Mehr als 200 Menschen wurden verletzt, viele davon schwer. Im Juni hatte der Bundesgerichtshof in Karlsruhe ein Urteil für rechtskräftig erklärt, in dem Libyen eine erhebliche Mitschuld an dem Anschlag gegeben wurde.

Im vorigen Jahr hatte die von einem Sohn von Staatschef Muammar el Gaddafi geleitete Gaddafi-Stiftung Entschädigungszahlungen angeboten, obwohl die libysche Regierung nie offiziell die Verantwortung für das Attentat übernommen hat. Die Stiftung machte dabei deutlich, dass es sich bei den Zahlungen um eine "humanitäre Geste" handele und nicht um ein Schuldeingeständnis.

Vereinigte Staaten wollen Entschädigung für US-Opfer

Die USA begrüßten den Durchbruch. Zugleich mahnte das US-Außenamt, Libyen müsse nun auch die US-Opfer beziehungsweise ihre Angehörigen entschädigen. "Dies ist eine wichtige Frage für uns, und sie muss geklärt werden", sagte der stellvertretende Außenamtssprecher Adam Ereli.

Gleichzeitig forderte die Gaddafi-Stiftung von den USA Entschädigung für die US-Luftangriffe auf Tripolis und Benghasi 1986. Bei den Bombardierungen seien 41 Menschen getötet und 226 weitere verletzt worden, die es verdienten, "geehrt" und "angemessen entschädigt" zu werden, erklärte die Stiftung am Dienstagabend in Tripolis.

"Die, die diese Tat verübt haben, müssen vor Gericht gestellt werden", erklärte die Gaddafi-Stiftung weiter. Sie sei zwar "vollkommen zufrieden" mit der Berliner Einigung. In diesem Zusammenhang dürfe aber nicht vergessen werden, dass der La-Belle-Anschlag Teil einer "traurigen Episode" gewesen sei.

Denn als Folge des "schmerzlichen Vorfalls" in Berlin hätten die USA die beiden libyschen Städte angegriffen. Die Attacken erfolgten nur wenige Tage nach dem Attentat auf La Belle. Sie waren zugleich der Höhepunkt einer Ende 1985 ausgelösten Krise zwischen Washington und Tripolis, nachdem Libyen für zwei Anschläge auf die Flughäfen von Rom und Wien mit 20 Toten verantwortlich gemacht wurde.

Libyen war international wegen des Vorwurfs geächtet worden, extremistische Organisationen zu unterstützen. Das Land hatte Mitte August 2003 die Verantwortung für den Anschlag auf ein US-Flugzeug über dem schottischen Lockerbie im Jahr 1988 übernommen, bei dem 270 Menschen starben.

An die Hinterbliebenen zahlte Libyen 2,7 Milliarden Dollar. Im Januar hatte Libyen auch Entschädigungszahlungen in Höhe von 170 Millionen Dollar für die Hinterbliebenen eines Anschlags auf ein französisches Flugzeug von 1989 vereinbart, bei dem 170 Menschen gestorben sind.

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