Nach schweren Unruhen im Kosovo:"Wir räumen mit denen auf"

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Im albanisch dominierten Kosovo leben nur noch wenige Serben - doch der Hass der beiden Volksgruppen aufeinander verursacht wieder tödliche Gewalt.

An der Hauptstraße durch Kosovopolje, einen Vorort Pristinas, raucht es noch aus niedergebrannten Häusern. Am Morgen nach den Ausschreitungen haben die Kfor-Soldaten in Bussen Serben davongefahren. An der verkohlten Ruine der Post wurde eine albanische Fahne aufgezogen. Vor der Apotheke gegenüber sitzen Albaner im Gespräch. "Wo die Serben weg sind, wird es nun sicher friedlicher werden", sagt der Angestellte Waldet Drenovci. "Und für Frieden haben wir schließlich gekämpft."

Am Tag zuvor hatte sich die Straße unversehens am Nachmittag mit Tausenden von Menschen gefüllt. Alle wussten von der Fernsehnachricht, dass Serben bei Mitrovica albanische Kinder mit einem Hund in den Tod im reißenden Fluss Ibar getrieben hätten. Sie wussten auch von den Anläufen der Albaner in der geteilten Stadt Mitrovica, über die Ibar-Brücke und durch die Blockaden der Kfor-Soldaten und UN-Polizisten zu den Serben im Nordteil vorzudringen, von den Schüssen dabei und den Toten.

In Kosovopolje gingen daraufhin zwei schäbige Häuser im Nachbarhof der Apotheke in Flammen auf. Ein alter Serbe, der dort noch wohnte, konnte von Kfor-Soldaten gerettet werden. Auch die von Serben benutzte Mittelschule ist ausgebrannt, die Ruine mit einer albanischen Fahne versehen.

Trügerische Ruhe

Seit der Flucht und Vertreibung nach der Nato-Intervention 1999 lebte in Kosovopolje ohnehin nur noch ein Bruchteil der früheren serbischen Einwohnerschaft. 18 Familien von serbischen Arbeitern sind am Morgen aus ihren Baracken in der Stadt in Sicherheit gebracht worden. Der Apotheker Fahri Zaberxha ist ein ruhiger Mann. "In letzter Zeit sind zu mir immer öfter auch schon wieder Serben Medikamente kaufen gekommen", sagt der Albaner. "Aber die scheinbare Ruhe hat offensichtlich getrügt."

Albaner haben am Mittwoch im Kosovo Dutzende serbischer Häuser angesteckt, Fahrzeuge der internationalen Friedenstruppe zerstört und historische Kirchenbauten der Serbisch-Orthodoxen Kirche beschädigt. Im Gegenzug haben randalierende serbische Extremisten die letzten Moscheen in Belgrad und der Industriestadt Nis demoliert. Serbiens Regierungschef Vojislav Kostunica verlangt unterdessen erneut Autonomie für die Kosovo-Serben.

Er bezeichnet die Ausschreitungen als "versuchten Pogrom" und "organisierte ethnische Säuberung". Er ruft zu friedlichen Protesten gegen den "albanischen Terror" im Kosovo auf und verurteilt zugleich die Angriffe auf islamische und albanische Einrichtungen in Serbien.

Ausgebrannte UN-Wagen

In der Kosovo-Hauptstadt Pristina liegen hier und da umgestürzte und ausgebrannte Wagen der UN-Administration herum. In einer Reihe von Straßencafés beim Sitz der UN-Administration sind die Scheiben von nur einem Café zertrümmert. Dort verkehrten vornehmlich UN-Polizisten. Unter Angestellten der UN-Administration sind viele erstaunt, dass Kfor und UN-Polizei auf die Ausschreitungen nicht besser vorbereitet waren.

Eine Landstraße, die von Pristina weiter nach Mazedonien führt, ist inzwischen schon am Stadtausgang mit Stacheldraht und Panzerfahrzeugen versperrt. Am Tag zuvor ist ein Zug mit Tausenden Albanern aus der Hauptstadt erst unmittelbar vor Caglavica weiter südlich aufgehalten worden.

In dem Dorf ging ein serbisches Haus in Flammen auf. Die Demonstration der Albaner richtete sich dagegen, dass Serben die "Lebensader" des Kosovo blockierten. Diese Serben wollten mit der Blockade gegen den mangelnden Schutz ihrer Enklaven durch internationale Sicherheitskräfte protestieren.

Verwüstete Straßen in Belgrad

Am Donnerstag versammelten sich vor der Straßensperre albanische Schüler. "Wir warten, dass noch mehr kommen, und dann räumen wir mit den Serben auf", sagt einer von ihnen fröhlich.

In der serbischen Hauptstadt Belgrad boten mehrere Straßenzüge ein Bild der Verwüstung. "Demonstranten" in der Nacht hatten "Kosovo ist Serbien" skandiert, allerdings auch andere Absichten verfolgt: Bevor sie geparkte Autos in Brand setzten, montierten sie die Kennzeichen ab, wohl zum weiteren Gebrauch an gestohlenen oder illegal eingeführten Wagen. Auch am Donnerstag skandierten Tausende von nationalistischen Serben Aufforderungen zum Mord an Albanern.

© SZ vom 19.03.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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