Nach Rücktritt von Berlusconi-Ministern:Italien vor ungewisser Zukunft

In Italien herrscht Regierungskrise, mal wieder. Nachdem alle fünf Minister von Silvio Berlusconis Partei PdL unter Regierungschef Enrico Letta zurückgetreten sind, ist die Empörung groß - und alles andere offen.

Nachdem Silvio Berlusconi am Samstag alle fünf Minister seiner Partei Volk der Freiheit (PdL) aus der Regierung unter Enrico Letta (PD) zurückgezogen hat, ist ungewiss, wie es weitergeht in Italien. Denkbar wären Neuwahlen oder die Bildung einer neuen Koalition.

Der sozialdemokratische Ministerpräsident Letta will sich um die Mehrheit für ein neues Regierungsbündnis mit PDL-Abweichlern und Oppositions-Vertretern bemühen. Minister der PD zeigten sich zurückhaltend. "Ich rechne nicht mit Neuwahlen", sagte Wirtschafts-Staatssekretär Stefano Fassina von der PD dem öffentlichen Rundfunk RAI.

Auch Präsident Giorgio Napolitano lehnt eine Auflösung der Regierung ab und nannte sie die "letzte Möglichkeit". Solange es keine Wahlrechtsreform gibt, könnten Neuwahlen erneut eine Patt-Situation wie im Februar erzeugen. "Wir brauchen ein Parlament, das debattiert und entscheidet, aber keines, das immer auseinandergeht", sagte er am Samstag.

Im Abgeordnetenhaus verfügen Lettas PD und ihre Verbündeten über eine große Mehrheit. Im Senat, der bei der Gesetzgebung gleichberechtigt ist, herrscht jedoch Stimmengleichheit zwischen Sozialdemokraten und Konservativen. Letta könnte das Patt jedoch aufheben, wenn er einige Senatoren der PDL und der Opposition für sich gewinnen könnte. Auf diesem Weg könnten Neuwahlen vermieden werden.

Ob Berlusconi von Neuwahlen profitiert, ist unklar

Vertreter der PdL sprachen sich indes für Neuwahlen aus. Silvio Berlusconi macht mit Plakaten seiner wiederbelebten Partei Forza Italia bereits seit Wochen Wahlkampf an Italiens Straßenrändern. Ob er von Neuwahlen profitieren würde, ist jedoch ebenso unklar.

Innerhalb der PdL gibt es Widerstand gegen den "Cavaliere". Die italienische Tageszeitung Il Fatto Quotidiano spricht von einem "Riss quer durch das Innere der Partei". Drei PdL-Minister hatten bekannt gegeben, für eine Wahl in Berlusconis Forza Italia nicht zur Verfügung zu stehen.

Doch auch die sozialdemokratische PD ist gespalten und Enrico Letta bei der Bevölkerung nicht sehr beliebt. Von Neuwahlen verspricht sich Beppe Grillo einen neuen Erfolg für seine Bewegung "Fünf Sterne" (M5S). In seinem Blog fordert er zusätzlich den Rücktritt Napolitanos.

Empörte Reaktionen der Öffentlichkeit

Die italienische Presse kritisierte den Rücktritt der PdL-Minister scharf. "Der Verurteilte lässt Italien untergehen", titelte am Sonntag Il Fatto Quotidiano mit Blick auf den wegen Steuerbetrugs verurteilten Berlusconi. La Stampa und die Wirtschaftszeitung Il Sole 24 Ore bezeichneten Berlusconis Vorstoß als "Verrücktheit". La Stampa-Chefredakteur Mario Calabresi rief der politischen Klasse zu: "Jetzt reicht's, denkt an das Land!"

Die Menschen auf den Straßen Italiens und in den sozialen Netzwerken reagierten mit Empörung auf den Rücktritt. Spott erntete die Berlusconi-Zeitung Il Giornale, die nicht die PdL-Minister, sondern Regierungschef Letta als "Zerstörer der Regierung" bezeichnete.

Mit dem Rückzug der PdL-Minister begann Berlusconi seine Drohung wahrzumachen, den politischen Betrieb mit einer kollektiven Mandatsniederlegung lahmzulegen. Dem konservativen Politiker und Milliardär droht der Ausschluss aus dem Senat, weil er wegen einer Steuerstraftat rechtskräftig zu einer Haftstrafe verurteilt wurde. Über Berlusconis weitere politische Karriere will der zuständige Senatsausschuss am kommenden Freitag entscheiden. Damit stehen für Berlusconi nach seinem 77. Geburtstag am heutigen Sonntag bewegende Wochen bevor.

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