Nach Rücktritt des Bundespräsidenten:Scheel drängt Wulff zum Verzicht auf Ehrensold

"Ich wünsche mir, dass Christian Wulff klug genug ist": Altbundespräsident Walter Scheel fordert Christian Wulff dazu auf, auf seinen lebenslangen Ehrensold zu verzichten. Bei der Suche nach einem neuen Bundespräsidenten setzt SPD-Chef Gabriel die Kanzlerin unter Druck - und droht mit einem eigenen Kandidaten.

Für Christian Wulff steht viel Geld auf dem Spiel. 199.000 Euro. Jedes Jahr. So viel steht ihm als Bundespräsident a. D. zu. Vorausgesetzt sein Rücktritt ist aus politischen Motiven erfolgt. So steht es im "Gesetz über die Ruhebezüge des Bundespräsidenten", wo die Alimentierung geregelt ist.

Christian Wulff, Walter Scheel, Bundespräsident, Rücktritt, Ehrensold

Klare Worte vom Altbundespräsidenten: Walter Scheel fordert Chrisitan Wulff auf, auf seinen Ehrensold zu verzichten.

(Foto: dapd)

Daran bestehen Zweifel. Der Staatsrechtler Hans Herbert von Arnim argumentiert beispielsweise, dass Wulff aus persönlichen und nicht aus politischen Gründen das Amt niedergelegt hat. Die Staatsanwaltschaft hatte zuvor beim Bundestag die Aufhebung der Immunität des Staatsoberhaupts beantragt, um gegen Wulff ermitteln zu können - ein beispielloser Schritt in der Geschichte der Bundesrepublik.

Das hat offenbar Altbundespräsident Walter Scheel so alarmiert, dass er sich in die Debatte einschaltet. "Ich wünsche mir, dass Christian Wulff als Bundespräsident a. D. klug genug ist und auf seinen Ehrensold verzichtet", sagte der 92-Jährige der Bild am Sonntag. Damit könnte Wulff in der Bevölkerung verlorengegangenes Vertrauen und Glaubwürdigkeit zurückgewinnen.

Eine deutliche Mehrheit der Deutschen hielte einen Verzicht Wulffs laut einer Emnid-Umfrage ebenfalls für richtig: So seien 78 Prozent der Meinung, Wulff solle auf den Ehrensold verzichten - nur 19 Prozent hielten die Pension für angemessen.

Wulff zweifelte selbst am Ehrensold - lange vor seinem Rücktritt

Die Opposition forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Frage zu äußerster Transparenz auf. "Ob Christian Wulff seinen Ehrensold erhält oder nicht - diese Entscheidung muss die Regierung öffentlich und juristisch nachvollziehbar begründen", sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel der Zeitung.

In einem Fernsehinterview anlässlich seines Amtsantritts im Sommer 2010 hatte Wulff selbst Zweifel daran geäußert, ob der Ehrensold in Zeiten der Schuldenkrise und knapper Staatskassen noch angemessen sei. Auf die Frage, ob eine jährliche Pension von knapp 200.000 Euro eigentlich in die Zeit passe, antwortete Wulff damals: "Ich denke, da muss ein Zeichen gesetzt werden. Das wird man verändern müssen."

Die Union stellt Wulffs Ehrensold dagegen nicht in Frage. Fraktionschef Volker Kauder sagte der Zeitung: "Dafür sehe ich keinen Grund." Ähnlich äußerte sich der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Peter Altmaier, im Deutschlandfunk: "Ich habe keinen Anlass, daran zu zweifeln."

Schwierige Suche nach einem Nachfolger

Die Spitzen von Union und FDP kommen im Laufe des Tages erneut im Kanzleramt zusammen. Möglicherweise gibt es auch ein Treffen mit den Oppositionsparteien SPD und Grüne. Ziel ist es einen Kandidaten zu finden, der breiten Rückhalt in der Bundesversammlung hat. Dort hat Schwarz-Gelb nur eine hauchdünne Mehrheit.

Allerdings gestaltet sich die Suche schwieriger als gedacht. Merkels erster Anlauf für einen Konsenskandidaten scheiterte. Alle Beteiligten hatten sich nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa in Berlin darauf geeinigt, als Nachfolger für Wulff den Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, vorzuschlagen.

Der 48-Jährige lehnte aber nach kurzer Bedenkzeit ab. Auch Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) steht nicht zur Verfügung. Lammert habe offenbar von Anfang an keine Präferenz für dieses Amt gehabt, sagte CSU-Chef Horst Seehofer.

"Er täte unserem Land gut"

Als weiterer möglicher Kandidat wurde der frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Wolfgang Huber, genannt. Gegen ihn gibt es in der aber Vorbehalte in der Koalition. Am Samstagabend fiel in Verhandlungskreisen der Name von Frankfurts Oberbürgermeisterin Petra Roth (CDU). Die 67-Jährige will sich im März nach 17 Jahren von ihrem Amt zurückziehen. Auch in der CSU-Präsidiumssitzung sei über Roth gesprochen worden. Allerdings äußerte die FDP Vorbehalte gegen Roth. Aus Sicht der Liberalen wäre sie ein zu starkes politisches Signal für Schwarz-Grün im Bund, berichtet die Nachrichtenagentur dpa unter Berufung auf FDP-Kreise.

SPD-Chef Gabriel forderte die Kanzlerin erneut auf, ohne Vorfestlegung in die Gespräche zu gehen. "Wir machen nicht mit, wenn wir nach der Methode 'Friss Vogel oder stirb' einen Kandidaten vorgesetzt bekommen", sagte Gabriel. Sollte die Koalition keine ernsthaften Gespräche mit der SPD und den anderen Parteien im Bundestag führen, werde es einen Gegenvorschlag geben. "Ich hoffe nicht, dass es dazu kommt."

Gleichzeitig bekräftigte Gabriel, dass Joachim Gauck der Favorit der SPD für das höchste Staatsamt bleibe. "Er täte unserem Land gut und hätte großes Vertrauen bei den Bürgern." Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Manuela Schwesig sagte: "Für mich wäre es schwer einsehbar, wenn Frau Merkel Herrn Gauck ein zweites Mal verhindern wollte." Der nächste Bundespräsident müsse ein Präsident der Bürger sein, so Schwesig.

Joachim Gauck genießt ein hohes Vertrauen in der Bevölkerung. Gut jeder zweite Deutsche wünscht sich der Emnid-Umfrage zufolge Joachim Gauck als Staatsoberhaupt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: