Proteste gegen Militärrat in Ägypten:Gansuri soll neue Übergangsregierung bilden

Der ägyptische Militärrat lehnt einen Rücktritt ab und beauftragt stattdessen den früheren ägyptischen Regierungschef Kamal al-Gansuri mit der Bildung einer neuen Übergangsregierung. Ein neues Gesicht präsentieren die Generäle damit nicht: Gansuri war schon unter Mubarak Ministerpräsident. Die Demonstranten auf dem Tahrir-Platz kündigen neue Proteste an und mobilisieren für einen "Freitag der letzten Chance".

Der Oberste Militärrat in Ägypten hat den früheren Regierungschef Kamal al-Gansuri zum Ministerpräsidenten ernannt. Das berichtete das ägyptische Staatsfernsehen. Der 78-Jährige ist kein Unbekannter auf der politischen Bühne in Ägypten: Er war bereits von 1996 bis 1999 Regierungschef.

Ex-Regierungschef Gansuri neuer Ministerpräsident in Ägypten

Kamal Ahmed el Gansuri, aufgenommen bei einer Pressekonferenz am 6.1.1996 in Kairo. Der Oberste Militärrat in Ägypten hat den früheren Regierungschef zum neuen Ministerpräsidenten ernannt.

(Foto: dpa)

Gansuri tritt die Nachfolge von Essam Scharaf an, dessen Kabinett nach Ausbruch der neuen Protestwelle den Rücktritt eingereicht hatte. Gansuris Aufgabe wird es jetzt sein, eine Übergangsregierung zu bilden, die voraussichtlich nur einige Monate existieren wird. Denn am kommenden Montag beginnt die Parlamentswahl, die nach der letzten Stichwahl Mitte Januar enden soll.

Dem Vernehmen nach war es nicht leicht für den Militärrat gewesen, einen Übergangsregierungschef zu finden. Denn viele Politiker, die sich Hoffnungen auf einen Ministerposten oder das Amt des Präsidenten machen, wollen in dieser kritischen Übergangsphase lieber keine Verantwortung übernehmen.

Doch die Demonstranten zeigten sich davon wenig beeindruckt. Gansuri, der auf die 80 zugeht, sei zu alt für diese Aufgabe, hieß es vielfach. Ägypten brauche in dieser Übergangsphase junge Führungskräfte und keine Großväter, sagte ein Student. "Die Ernennung von Gansuri ist nicht gut für die Revolution. Wir müssen auf dem Tahrir bleiben", sagte ein 44-jähriger Reiseleiter.

Den Ägyptern ist Gansuri als Ministerpräsident in Erinnerung, der sich für die Belange der Armen interessierte. Als Privatisierung und Liberalisierung des ägyptischen Marktes an Dynamik verloren und eine Währungskrise das Vertrauen ausländischer Investoren erschütterte, musste Gansuri 1999 seinen Hut nehmen.

Parlamentarier warfen ihm damals einen autokratischen Führungsstil vor. Nach Beginn der Massenproteste gegen Mubarak im vergangenen Januar hatte er sich erstmals seit Jahren wieder öffentlich zu Wort gemeldet und sich für einen Wandel ausgesprochen.

"Freitag der letzten Chance" auf dem Tahrir-Platz

Die Demonstranten auf dem Tahrir-Platz in der ägyptischen Hauptstadt Kairo wollen an diesem Freitag mit einem Millionenaufmarsch den Druck auf den Militärrat weiter erhöhen. Die Aktivisten riefen in einem Kommunikee zum "Freitag der letzten Chance" auf, um der Forderung nach einem sofortigen Entmachtung des Militärrats Nachdruck zu verleihen. Auch ägyptische Gewerkschaften haben ihre Mitglieder zur Teilnahme an dem Marsch aufgerufen und wollen die Demonstration mit einem Generalstreik unterstützen.

Die Massenproteste waren vor einer Woche neu entflammt und richten sich gegen den Obersten Militärrat. Die Demonstranten fordern insbesondere, dass Militärratschef Hussein Tantawi zurücktritt und eine zivile Regierung die Amtgeschäfte übernimmt. Die Parlamentswahl soll derweil wie vorgesehen ab Montag stattfinden. Sie soll sich über mehrere Monate hinziehen. Die Generäle gehen mit brutaler Gewalt gegen die Demonstranten vor: Nach amtlichen Angaben sind bei den jüngsten Krawallen bislang mindestens 41 Menschen getötet worden. Wie das Gesundheitsministerium mitteilte, starben allein in Kairo 36 Menschen.

Vier Todesopfer wurden aus Ismailija und der zweitgrößten Stadt Alexandria gemeldet. In der nordwestlichen Stadt Mersa Matruh wurde am Mittwoch ein Demonstrant erschossen, als eine aufgebrachte Menge versuchte, eine Polizeiwache zu stürmen.

Derweil sorgt die amerikanisch-ägyptische Publizistin Mona el Tahawi für Wirbel: Sie wurde nach eigenen Angaben während der jüngsten Proteste in Kairo von der Polizei festgenommen, geschlagen und sexuell misshandelt. Erst dann sei sie wieder auf freien Fuß gesetzt worden, teilte sie über den Kurznachrichtendienst Twitter mit. Eine Journalistin des französischen Fernsehsenders France 3, Caroline Sinz, berichtete ebenfalls, geschlagen und sexuell angegriffen worden zu sein, als sie nahe des Tahrir-Platzes drehte.

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