Nach Rücktritt:Bremen verabschiedet Regierungschef Scherf

"Ich wollte nie Berufspolitiker werden" - ungewöhnliche Worte für einen Mann, der 27 Jahre der Landesregierung angehörte und zehn Jahre lang als Bürgermeister die große Koalition in Bremen führte.

Am Mittwoch ist Henning Scherf (SPD) bei einem Empfang im Rathaus verabschiedet und sein Nachfolger ins Amt eingeführt worden. Jens Böhrnsen war am Dienstag vergangener Woche zum neuen Regierungschef gewählt worden.

Böhrnsen und Scherf, AP

Wechsel an der Spitze: Scherf (rechts) geht, Böhrnsen (links) kommt.

(Foto: Foto: AP)

62 der 81 Bürgerschafts-Abgeordneten hatten bei seiner Wahl für den bisherigen SPD-Fraktionsvorsitzenden gestimmt, 19 gegen ihn. Er war als einziger Kandidat angetreten.

Künftig will Böhrnsen vor allem mit dem Nachbarland Niedersachsen enger zusammenarbeiten: "Wir wollen ja keine Insel sein." Er gehe davon aus, dass es bald eine Kontaktaufnahme mit Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) geben werde.

Größte Herausforderung für Böhrnsen: die Haushaltskrise

"Wir müssen viel mehr in Regionen denken", betonte Böhrnsen. Auch die Europäische Union denke in Regionen. Es gebe eine Nordwest-Region und seit kurzem auch eine Metropolregion Bremen-Oldenburg. Dies müsse fortgesetzt werden. "Eine solche Zusammenarbeit nimmt auch allem Gerede über eine Länderneugliederung die Berechtigung."

Bei Scherfs Verabschiedung dankte Böhrnsen seinem Amtsvorgänger für dessen langjähriges Engagement. Scherf wünschte Böhrnsen vor allem, dass dieser einen Weg aus der Haushaltskrise finden möge. Mit seiner offiziellen Verabschiedung ist der 67-Jährige nun endgültig Rentner.

Scherf wurde am 31. Oktober 1938 als Sohn eines Drogisten und einer Apothekenhelferin in Bremen geboren. Er studierte Rechts- und Sozialwissenschaften sowie zwei Semester Theologie. Zunächst ging er kurz in die niedersächsische Landesverwaltung, 1968 dann in die Verwaltung des Landes Bremen. Mit 25 Jahren trat er 1963 in die SPD ein. 1971 wurde er Abgeordneter in der Bremischen Bürgerschaft.

Überzeugt von der großen Koalition

Nur ein halbes Jahr später übernahm er überraschend den SPD-Landesvorsitz, den er bis 1978 behielt. Im selben Jahr wurde Scherf als Finanzsenator Mitglied der Landesregierung, im Jahr darauf übernahm er das Sozialressort, 1990 das Bildungsressort.

Nach dem SPD-Debakel bei der Bürgerschaftswahl 1995 löste er Klaus Wedemeier (SPD) als Regierungschef ab. Zusätzlich zum Amt des Bürgermeisters und Präsidenten des Senats übernahm er die Ämter des Justizsenators und des Senators für kirchliche Angelegenheiten.

"Das hätte ich mir vorher überhaupt nicht träumen lassen", sagte Scherf einmal rückblickend. Schließlich war er bis dahin ein Anhänger von Rot-Grün gewesen. Der einstige politisch Linke, der gegen Pershing II-Atomraketen in Mutlangen demonstriert und in Nicaragua Kaffeepflücker unterstützt hatte, entwickelte sich zum Stützpfeiler der bis heute regierenden großen Koalition.

Bei der Bürgerschaftswahl 2003 befürworteten zwar weite Teile seiner Partei ein rot-grünes Bündnis. Doch Scherf, dessen großer Popularität die SPD ihren Wahlerfolg verdankte, setzte die Fortführung der Koalition mit der CDU durch. Er kündigte aber an, nicht mehr die volle Wahlperiode regieren zu wollen.

Schon als Sozialsenator erwarb sich Scherf den Ruf, auch für die Nöte der einfachen Menschen ein offenes Ohr zu haben. Dieser Linie blieb er als Regierungschef treu.

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