Nach PKK-Angriff auf türkische Soldaten:Türkei will Angreifer "bis zum Ende" verfolgen

Mit Entsetzen und Entschlossenheit reagiert die Türkei auf den Tod von mehr als 20 Soldaten durch einen Angriff der PKK. Die türkische Armee mache im Grenzgebiet zum Irak Jagd auf die Rebellen, verkündete Ministerpräsident Erdogan. Sie würden "bis zum Ende" verfolgt, sagte Präsident Gül. Offenbar hat der Vergeltungsschlag bereits begonnen.

Präsident Abdullah Gül schwört "fürchterliche Rache", Premierminister Recep Tayyip Erdogan sagt: "Diejenigen, die uns diesen Schmerz zugefügt haben, werden noch größere Schmerzen erleiden."

Die Reaktion der türkischen Staatsführung auf den verheerenden Angriff kurdischer Rebellen, bei dem in der Nacht zum Mittwoch mindestens 24 türkische Soldaten und Polizisten getötet worden sind, ist deutlich. Den Worten folgten Taten.

Nach Angaben aus Militärkreisen hat die türkische Luftwaffe Ziele der Arbeiterpartei Kurdistans (Partiya Karkerên Kurdistan, PKK) im Nordirak angegriffen, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters. Hubschrauber hätten Spezialeinheiten im Nachbarland abgesetzt.

Unterschiedlichen Quellen zufolge verfolgten 500 bis 600 türkische Soldaten die mutmaßlichen Täter über die Grenze in den Irak. Premier Erdogan sagte, Elitetruppen hätten auf der Jagd nach den Angreifern die Grenze überschritten, "wie das Völkerrecht es gestattet". Im Südosten der Türkei sollen Soldaten nach Angaben aus Sicherheitskreisen bei Gefechten mit den Rebellen 15 PKK-Kämpfer getötet haben. Die PKK bestätigte, dass es ein Gefecht mit türkischen Soldaten gegeben habe. Dabei habe es auf beiden Seiten Todesopfer gegeben, sagte ein PKK-Sprecher der irakischen Nachrichtenagentur Sumeria News.

Mindestens 100 Separatisten der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans hatten in der Nacht zu Mittwoch in den Ortschaften Cukurca und Yüksekova mit Maschinengewehren Militärposten angegriffen. In dem etwa 30 Minuten dauernden Feuergefecht sollen mindestens 24 Menschen getötet und 22 Soldaten verletzt worden sein. Anschließend seien die Angreifer geflohen.

Premier Erdogan sagte wegen des Angriffs einen geplanten Besuch in Kasachstan ab. Der türkische Armeechef sowie der Innen- und der Verteidigungsminister begaben sich umgehend ins Kampfgebiet.

Kurdenpartei sagt "Stopp!"

Die kurdisch-nationalistische Partei für Frieden und Demokratie (BDP) verurteilte die PKK-Anschläge mit ungewöhnlicher Schärfe. "Diese Angriffe brechen uns das Herz", erklärte die Partei. "Wir sagen: Stopp! Es hat schon genug Tote gegeben." Die noch junge BDP hatte bei der Parlamentswahl im Juni 36 Sitze gewonnen und damit einen Überraschungserfolg errungen.

Parlamentspräsident Cemil Cicek mahnte, die Angriffe dürften die Bemühungen um eine Verfassungsreform noch in dieser Legislaturperiode nicht beeinträchtigen. Die Kurden kritisieren die alte Verfassung, weil sie ihre Sprache und Kultur nicht achte. "Diese traurigen Vorkommnisse werden unsere Arbeit an der neuen Verfassung nicht aufhalten", sagte Cicek.

Auch Außenminister Guido Westerwelle verurteilte den Angriff. Der FDP-Politiker äußerte sich "bestürzt und erschüttert". Zugleich appellierte er an die Türkei und den Irak, gemeinsam mit der kurdischen Regionalregierung nach Lösungen für den Kurdenkonflikt zu suchen. Terrorgruppen wie die verbotene Arbeiterpartei PKK dürften in der türkisch-irakischen Grenzregion kein "Rückzugsgebiet" haben.

Beobachtern zufolge handelt es sich bei dem Vorfall in der Nacht um einen der schwersten Verluste für die türkische Armee, seit die PKK im Jahr 1984 den bewaffneten Kampf gegen den türkischen Staat aufnahm.

Die türkische Regierung hatte bereits wiederholt mit einem Einmarsch der Armee in den Nordirak gedroht, um dort gegen kurdische Rebellen vorzugehen. Zuletzt war die türkische Armee im Februar 2008 mit mehreren tausend Soldaten im Nordirak einmarschiert. Das türkische Parlament hatte Anfang Oktober das Mandat der Regierung zur Bekämpfung der PKK im Nordirak verlängert.

Die Türkei, die EU und die USA stufen die PKK als Terrororganisation ein. Sie kämpft für Unabhängigkeit oder größere Autonomie der Kurdengebiete in der Türkei. Kurdische Organisationen beklagen eine systematische Diskriminierung ihrer Volksgruppe durch den türkischen Staat. In dem Konflikt starben bislang etwa 45.000 Menschen.

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