Nach Obamas Rede in Berlin:Er kann es

Barack Obama, Berlin und die Botschaft: Dieser Mann ist flexibel genug und taugt zum Präsidenten. Die letzten Tage haben ihm ungemein geholfen. Doch man darf seine Rede vor der Siegessäule auch nicht überschätzen.

Reymer Klüver

Barack Obama im Glück: Die letzten Tage haben ihm ungemein geholfen, sein außenpolitisches Defizit auszugleichen. Seine Auftritte waren geschickt in Szene gesetzt: die lockeren Gespräche mit US-Soldaten, sein lässiger Umgang mit Jordaniens König, der Handschlag mit Präsidenten und Premiers. Und nun Berlin. Alles mit traumwandlerischer Sicherheit erledigt, als hätte er nie anderes getan. Die Bilder senden die erwünschte Botschaft nach Hause: Der Mann ist für das Präsidentenamt geeignet, er wird das Ansehen Amerikas in der Welt mehren.

Nach Obamas Rede in Berlin: Die Außenpolitik war bislang Obamas große Schwachstelle

Die Außenpolitik war bislang Obamas große Schwachstelle

(Foto: Foto: AP)

Passend zum Reisetermin zeigt sich die Bush-Regierung auch noch verhandlungsbereit gegenüber Iran und erwägt erstmals einen "Zeithorizont" für den Abzug aus dem Irak. De facto hat der Präsident damit Obama recht gegeben. Direkte Iran-Gespräche und einen Abzugsplan hatte der Kandidat beharrlich gefordert. Konkurrent John McCain, der gegen Abzugspläne ist und über Bomben auf Teheran räsoniert hat, wirkt plötzlich starrköpfig und gestrig.

Die Außenpolitik war bislang Obamas große Schwachstelle. In Fragen der internationalen Politik, wenn es um Krieg und Frieden geht, trauen die Amerikaner dem Irakkriegsapologeten McCain mehr als dem Friedensapostel Obama. Auf allen anderen Feldern, auch in Wirtschaftspolitik, liegt Obama in Umfragen vorn.

Obama, daran gibt es keinen Zweifel, wird den Europäern mehr abverlangen, um in Afghanistan und im Irak erfolgreich zu sein. Er sprach in Berlin von "geteilten Opfern". Europa müsse "mehr, nicht weniger tun". Und er verlangte explizit deutsche Soldaten für Afghanistan. Er sagte nicht "mehr Soldaten", aber das war gemeint. Und auch das deutete Obama an: Er will als Präsident Unterstützung für die Abwicklung des Irak-Abenteuers. Obama wird teuer für Deutschland.

Allerdings darf man die Berliner Rede auch nicht überschätzen. Obama hat sich bislang im Wahlkampf als gewiefter Taktiker erwiesen. Er ist sich immer bewusst, für welches Publikum er gerade spricht. In Berlin hat er zwar von begeisterten Deutschen Sympathien eingeheimst, seine eigentlichen Adressaten waren aber die zaudernden weißen Wähler in Ohio und Pennsylvania, Colorado und Virginia. Sie will er überzeugen, dass die Welt auch auf einen schwarzen US-Präsidenten hören wird. Deshalb die Inszenierung ausgerechnet in Berlin. Die Deutschen gelten den meisten Amerikanern trotz ihres Widerstands gegen den Irak-Krieg weiterhin als verlässlicher Partner, nicht so widerspenstig wie die Franzosen, nicht so willig wie die Briten.

Und noch eines muss man bei Obama wissen: Selbst in Stein gemeißelte Positionen räumt er leicht und passt sich neuen Erfordernissen an. Seine Absage an Freihandelsabkommen ist inzwischen aufgeweicht, auch der vollständige Abzug aus dem Irak gehört längst nicht mehr zum Programm. Das darf man nicht vergessen, wenn man Obamas Berliner Rede auf ihren Gehalt abklopft.

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