Nach Nordkoreas Einlenken im Atomstreit:Vorsichtiges Hoffen auf eine Annäherung

Nordkorea verzichtet vorerst auf Atom- und Raketentests - doch noch immer überlagert Skepsis den Optimismus in Südkorea und den USA: Der neue nordkoreanische Machthaber Kim Jong Un kann seinen Verzicht auf die Tests leicht rückgängig machen. Und zuhause demonstriert er Entschlossenheit im Kampf gegen den Erzfeind im Süden.

Paul-Anton Krüger

Südkoreas wichtigste Touristenattraktion nach Seoul ist: die demilitarisierte Zone. Mehr als eine Million Besucher zieht es jedes Jahr an die Grenze zum Norden. Im Bus braucht man von der Hauptstadt nur eine gute Stunde. Hier ist der Schrecken des Kalten Krieges noch zu spüren. Rote Dreiecke mit weißen Totenköpfen warnen vor Landminen; Gitterzäune, Stacheldraht und Patrouillenwege durchschneiden die Landschaft.

Für Menschen ist der vier Kilometer breite Streifen tabu, der die koreanische Halbinsel seit bald 60 Jahren in zwei sehr ungleiche Hälften teilt. Nur in der "gemeinsamen Sicherheitszone" von Panmunjeom kann man einen Fuß über die Grenze setzen - zumindest als Ausländer. Dort, in den drei UN-blau gestrichenen Baracken wurde 1953 der Waffenstillstand unterzeichnet, der den Koreakrieg beendete.

Doch zurzeit ist der Zugang gesperrt - aus Sicherheitsgründen. Seit Anfang der Woche trainieren 200.000 südkoreanische Soldaten in einem Großmanöver mit den USA die Abwehr nordkoreanischer Attacken, wie zuletzt den Granatbeschuss der Insel Yeonpyeong im November 2010.

Der einzige Besucher der vergangenen Tage in Panmunjeom kam aus Pjöngjang: Kim Jong-Un, der neue Führer des stalinistischen Regimes, reiste an. Er inspizierte in der Gegend stationierte Einheiten der Volksarmee. Seit Tagen feuern die Nordkoreaner in Grenznähe mit scharfer Munition. Die Scharmützel über den 38. Breitengrad hinweg beschränken sich - bisher zumindest - noch auf kriegerische Rhetorik.

In Seoul war man auf diese Eskalation schon gefasst, als die USA und Nordkorea vergangene Woche bekanntgaben, dass Pjöngjang im Gegenzug für Nahrungsmittelhilfe vorerst auf Atom- und Raketentest verzichtet und seine Atomaktivitäten in der Anlage Yongbyon einstellt, einschließlich der Urananreicherung. Von einem "bescheidenen ersten Schritt in die richtige Richtung" spricht Lim Sung-nam, Seouls Sondergesandter für die sogenannten Sechs-Parteien-Gespräche, die zu einer Denuklearisierung der Halbinsel führen sollen.

Nordkorea sucht die Annäherung an die USA

Die Verhandlungen der Amerikaner mit Pjöngjang und der resultierende Deal hätten "einen ersten Einblick" in das Denken der neuen Führung geboten - Hoffnung auf einen Kurswechsel oder grundlegende Reformen aber macht sich der Diplomat nicht. Und auch neue Sechs-Parteien-Gespräche werde es nur geben, wenn Pjöngjang seinen Worten Taten folgen lässt.

Die US-Verhandler sehen das ähnlich, und auch sie werteten die Vereinbarung als Zeichen der Kontinuität: "Wir haben dieselben Unterhändler getroffen, sie haben dieselben Forderungen vorgetragen, dieselben Begründungen angeführt." In den Grundzügen war der Deal bereits im November ausgehandelt, doch dann starb im Dezember Kim Jong-Il. "Die neue Führung in Pjöngjang macht dort weiter, wo die alte aufgehört hat", resümiert ein US-Diplomat. Vorsicht überlagert den Optimismus, denn alle von Nordkorea versprochenen Schritte sind leicht rückgängig zu machen.

Es sei zu früh, um belastbare Schlüsse ziehen zu können, sagte denn auch ein früherer Sicherheitsberater des südkoreanischen Präsidenten Lee Myung Bak. Neue Sechs-Parteien-Gespräche wagt auch er nicht zu prophezeien. Ein Trend aber sei erkennbar: "Die Nordkoreaner agieren nicht so aggressiv, wie einige erwartet hätten, zugleich zeigen sie sich nicht so entgegenkommend, wie andere gehofft hatten."

Als Grund für das Einlenken nennt er zum einen die Lebensmittelhilfe. Die USA wollen die 240.000 Tonnen zwar in zwölf monatliche Lieferungen splitten, zudem spezielle Rationen für unterernährte Kinder, Schwangere und Alte bereitstellen. Doch das erlaubt dem Regime zumindest, eigene Ressourcen anderweitig zu verwenden - etwa für Armee und Parteikader.

Hinzu komme, dass Nordkorea versuche, sich wieder mehr Spielraum zu verschaffen - eine Politik, die noch Kim Jong-Il eingeleitet habe. Seine harte Linie und all die militärischen Provokationen hätten Pjöngjang keine Zugeständnisse gebracht, zugleich aber die Abhängigkeit vom großen Nachbarn und einzigen Verbündeten China verstärkt. Nun versuche Pjöngjang, an Seoul vorbei, seine Beziehungen zu den USA zu verbessern - auch das keine neue Taktik.

Die Erfolgsaussichten dafür sind gering: Wie der US-Gesandte Glyn Davies klarstellte, wird es zu einer Annäherung nur kommen, wenn sich zuvor die Beziehungen zwischen den beiden Koreas verbessert haben. Ein Schritt dazu wäre etwa, wenn der Norden zustimmen würde, wieder Treffen zwischen nahen Angehörigen zu ermöglichen, deren Familien durch die Teilung des Landes auseinandergerissen wurden - eine Geste, die Kim Jong-Un zum 100. Geburtstag seines Großvaters, des Staatsgründers Kim Il-Sung, ergreifen könnte. Bis dahin aber scheint der 29-Jährige zu Hause Entschlossenheit im Kampf gegen den Erzfeind im Süden demonstrieren zu wollen.

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