Nach Mursis Sturz:Ägypten fürchtet weitere Nacht der Gewalt

Die Muslimbrüder wollen so lange auf der Straße bleiben, bis sie wieder an der Macht sind: Nach den blutigen Gefechten der vergangenen Nacht mit Dutzenden Toten könnten Ägypten weitere Stunden der Gewalt bevorstehen. Die Demonstranten haben neue Proteste angekündigt.

Bereits am Freitagabend hatte Mohammed Badie deutlich gemacht, dass Ägypten schwere Zeiten bevorstehen. In Kairo rief der Führer der Muslimbrüder seinen Mitstreitern zu: "Wir werden ihn auf unseren Schultern tragend zurückbringen. Wir werden für ihn unsere Seelen opfern." Gemeint war Mohammed Mursi, der aus dem Amt geputschte Präsident des Landes.

Nun senkt sich abermals der Abend über das Land und die Furcht vor einer weiteren Nacht der Gewalt ist groß. Denn die Nacht zum Samstag war eine der opferreichsten seit Mursis Sturz. Anhänger und Gegner des vom ägyptischen Militär gestürzten Präsidenten lieferten sich schwere Straßenschlachten. Dem staatlichen Gesundheitsministerium zufolge starben mindestens 30 Menschen, mehr als 1100 wurden verletzt.

Die meisten Opfer gab es in der Hafenstadt Alexandria, wo nach Berichten der Nachrichtenagentur Mena zwölf Menschen starben und etwa 460 verletzt wurden. In der Hauptstadt Kairo stießen Anhänger beider Lager am Tahrir-Platz zusammen. Sie bewarfen sich mit Steinen, es fielen auch Schüsse. Die Situation beruhigte sich, als die Armee beide Seiten mit gepanzerten Fahrzeugen trennte.

Morsi Supporters Gather After Friday Prayers

Nach der Gewalt: ein verletzter Mann in Kairo.

(Foto: Getty Images)

Vor dem Hauptquartier der Republikanischen Garde wurden nach offiziellen Angaben vier Menschen getötet, als Demonstranten versuchten, Porträts des islamistischen Ex-Präsidenten dort aufzuhängen. Zusammenstöße zwischen Anhängern und Gegnern Mursis, der seine Wurzeln in der Muslimbruderschaft hat, wurden neben Alexandria auch aus Suez sowie aus den Nil-Delta-Provinzen Damietta und Beheira gemeldet.

Finanzier der Islamisten festgenommen

In Kairo nahmen Sicherheitskräfte den stellvertretenden Führer und Hauptfinanzier der Muslimbruderschaft, Chairat al-Schater, fest. Ihm wird Anstachelung zur Gewalt vorgeworfen. Er wurde im Osten Kairos festgenommen, wie ein Vertreter des Innenministeriums sagte. Dies wurde auch von den Muslimbrüdern bestätigt.

Gegen al-Schater und den obersten Muslimbrude Badie lagen beziehungsweise liegen Haftbefehle vor. Sie sollen die tödlichen Zusammenstöße zwischen Anhängern und Gegnern Mursis am vergangenen Sonntag vor dem Hauptsitz der Muslimbrüder in Kairo provoziert haben.

Wie ein Sprecher der Muslimbrüder mitteilte, wurde al-Schater festgenommen, als dieser in Kairo seinen Bruder besuchte. Auch der Bruder des wohlhabenden Unternehmers sei von den Sicherheitskräften mitgenommen worden. Al-Schater war von den Muslimbrüdern ursprünglich als Präsidentschaftskandidat aufgestellt worden. Nachdem die Wahlkommission ihn aus formalen Gründen von der Wahl ausgeschlossen hatte, war Mohammed Mursi in letzter Minute ins Rennen geschickt worden. Er hatte die Wahlen dann im vergangenen Jahr mit knappü 52 Prozent der Stimmen gewonnen.

Parlamentskammer aufgelöst

Die USA verurteilten die tödlichen Zusammenstöße in Ägypten. Die Regierung in Washington rufe alle Führer im Land auf, den Gebrauch von Gewalt anzuprangern und weitere Gewalt durch ihre Unterstützer zu verhindern, erklärte das US-Außenministerium. Die USA erwarteten, dass die Armee die Rechte aller Ägypter schütze, dazu zähle auch das Recht auf friedliche Versammlung.

Bereits am Freitag hatte Übergangspräsident Adli Mansur per Dekret die obere Kammer des Parlaments aufgelöst. Der Schura-Rat hat eigentlich nur beratenden Charakter. Das von islamistischen Kräften dominierte Gremium war aber seit mehr als einem Jahr praktisch die einzige parlamentarische Institution, da die Militärs die Volksversammlung - die erste Kammer - aufgelöst hatten.

Im Schura-Rat besetzten Vertreter der Muslimbruderschaft und der besonders strenggläubigen Salafisten 150 der 270 Sitze. 180 Mitglieder waren gewählt worden. Die restlichen 90 hatte der am Mittwoch vom Militär abgesetzte Präsident Mohammed Mursi ernannt. Wie das Staatsfernsehen weiter berichtete, machte Mansur Mohammed Ahmed Farid zum neuen Geheimdienstchef. Dessen Vorgänger Mohammed Raafat Schehata wurde zum Sicherheitsberater berufen.

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