Nach Montreal:Das Klima ändert sich

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Der Erfolg des Klimagipfels von Montreal liegt nicht in den beiden Schlusserklärungen und auch nicht in manchem technischen Detail, das dort besprochen wurde.

Michael Bauchmüller

Viel wichtiger ist, was nicht geschah: Die USA haben sich nicht endgültig aus dem Rahmenabkommen zum Klimaschutz verabschiedet, obwohl es in den letzten Tagen danach aussah.

Eindringlicher Redner in Montreal: Der frühere US-Präsident bill Clinton. (Foto: Foto: AFP)

Die Kyoto-Länder haben nicht zugelassen, dass die Instrumente des Klimaschutzes verwässert wurden, obwohl einige von ihnen es darauf anlegten. Und die Industrie- und Entwicklungsländer haben sich nicht gegeneinander ausspielen lassen, obwohl die USA genau dies versucht hatten. Das Experiment Kyoto ist in Montreal auf die Probe gestellt worden, und es hat sich bewährt.

Viele Staaten haben alleine deshalb ihre Vorbehalte aufgegeben, weil sie sich zunehmend bedroht fühlen. Denn der Klimawandel lässt sich angesichts von Wirbelstürmen, Dürren, Überschwemmungen oder schmelzenden Gletschern nicht mehr wegdiskutieren. Selbst das Opec-Kartell, lange Zeit ein Club der Kyoto-Gegner, spürt diesen Wandel.

Lange ging es den Ölförderländern darum, jeglichen Fortschritt beim Klimaschutz zu verhindern - aus Angst, dass die Autofahrer in den Industriestaaten weniger Sprit benötigen, wenn sich alternative Kraftstoffe und Antriebsarten durchsetzen.

Nun aber merken Länder wie Indonesien, dass der Stoff, den sie fördern, einige unangenehme Nebenwirkungen hat. Die Verbrennung von Öl verändert die Atmosphäre, lässt den Meerespegel steigen und bedroht die eigenen Küstenregionen; im Landesinnern dagegen vertrocknet die Ernte. Beides gefährdet die wirtschaftliche Entwicklung des Landes.

Auch manche Vertreter der deutschen Wirtschaft, die den Kyoto-Prozess für einen Irrweg halten, sollten deshalb einmal über die komplexen Folgen des Klimawandels nachdenken. Vielleicht kämen sie zu der Erkenntnis, dass eine Bedrohung der Menschheit auch eine Bedrohung von Unternehmen darstellen kann.

Vielleicht würden sie begreifen, dass vieles, was den Einzelnen - ob Firmen oder Bürgern - nützt, der Gemeinschaft schadet. Dem Reisenden nützen Fluggesellschaften, die von Deutschland aus "zum Taxipreis" die Balearen ansteuern. Dem Kunden nützen Massenprodukte, die immer billiger werden, weil der Gütertransport kaum mehr ins Gewicht fällt.

Einer Firma nützt ein mangelhafter Klimaschutz, der die Unternehmen nicht beeinträchtigt, weil er sie nichts kostet. Nur: Das Weltklima interessiert sich nicht dafür, wer warum keine Rücksicht nimmt. Es rächt sich an allen. Der individuelle Nutzen vieler Einzelner führt im schlimmsten Fall zur kollektiven Katastrophe.

Deswegen war die Konferenz von Montreal so wichtig. Sie hat gezeigt, dass es doch einen gewissen Grundwillen zum Klimaschutz gibt - wenn auch in unterschiedlicher Intensität.

Vieles, was die Staaten gegen die Veränderungen in der Umwelt unternehmen müssen, können sie nur gemeinsam tun. Es würde wenig bringen, wenn ein einzelner Staat umdenkt, während alle anderen weitermachen wie bisher. Einschneidende Maßnahmen, zum Beispiel die Besteuerung des internationalen Flugverkehrs oder strenge Abgasnormen für Industrieanlagen, lassen sich nur durchsetzen, wenn sich alle großen Industrie- und Schwellenländer dazu bekennen.

Montreal hat dieses Bekenntnis zum gemeinschaftlichen Handeln erneuert und zugleich den Druck auf die USA erhöht, die immer noch glauben, das Problem mit vagen Investitionsversprechungen lösen zu können.

Diese Isolation der Amerikaner aufzulösen, wird die Hauptaufgabe der nächsten Klimakonferenzen sein. Die Länder, die das Kyoto-Protokoll ratifiziert haben, können noch so eng zusammenstehen: Ohne die Mitgliedschaft der Vereinigten Staaten, die ein Viertel aller Treibhausgase erzeugen, bleibt die Klima-Allianz ein Torso.

Die Regierung von George W. Bush wird hier kaum noch eine Kehrtwende vollziehen. Aber für den nächsten Präsidenten, der mit diesem Thema vermutlich anders umgehen wird, müssen die Türen weit offen stehen.

Dies allein wird jedoch nicht ausreichen. Vor allem aufstrebende Länder wie China, Brasilien oder Indien lassen sich nicht davon beeindrucken, dass die Europäische Union und einige andere Industrieländer versuchen, den Vorreiter im Klimaschutz zu spielen.

Bislang bekennen sich diese Schwellenländer vor allem deshalb zum Kyoto-Protokoll, weil es ihnen keine Nachteile bereitet. Chinesen oder Brasilianer pusten pro Kopf der Bevölkerung viel weniger Dreck in die Luft als die Industrienationen und mussten sich daher noch nicht verpflichten, den Ausstoß zu reduzieren. Inzwischen aber steigt der Energieverbrauch dieser Länder enorm und damit auch deren Produktion von Treibhausgasen.

Wenn das Kyoto-Protokoll über das Jahr 2012 hinaus erfolgreich sein soll, werden auch die Globalisierungsgewinner in Asien und Lateinamerika Einschränkungen hinnehmen müssen.

Die alte Welt alleine wird das Klimaproblem nicht lösen können. In Montreal haben die Staaten das Ob geklärt. Sie bleiben im Klimaschutz auf Kurs. Die viel schwierigere Frage liegt noch vor ihnen: das Wie.

© SZ vom 11.12.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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