Nach Hausräumung in Berlin:61 verletzte Polizisten, 82 Festnahmen

Am Tag nach der Räumung eines besetzten Hauses im Berliner Stadtteil Friedrichshain zieht die Polizei eine ernüchternde Bilanz. Auch in anderen deutschen Städten kam es zu Krawallen.

Es war nur ein besetztes Haus, das in Berlin geräumt wurde. Doch die linksextreme Szene hatte gewalttätigen Widerstand überall in der Hauptstadt angekündigt. Die Ausschreitungen zogen sich bis in die Nacht, und die Zerstörungen waren diesmal besonders groß.

Ausschreitungen im Hamburger Schanzenviertel

Ausschreitungen im Hamburger Schanzenviertel: Polizisten stehen bei einer Demonstration vor Aktivisten, die auf Transparenten ihre Solidarität mit der mit der Berliner Hausbesetzerszene bekunden.

(Foto: dapd)

Bei den Krawallen nach der Räumung des besetzten Hauses in der Liebigstraße 14 in Berlin-Friedrichshain sind 61 Polizisten leicht verletzt worden. 82 mutmaßliche Störer wurden festgenommen. Diese Bilanz zog der Berliner Polizeipräsident Dieter Glietsch an diesem Donnerstag. 22 Festgenommene sollen dem Haftrichter vorgeführt werden.

Glietsch sprach von besonders vielen Zerstörungen und einem "politisch motivierten Vandalismus". "Die Gruppen zogen in blinder Zerstörungswut durch Friedrichshain." In Gruppen von 20 bis 200 Menschen seien die Randalierer in Berlin bis in die Morgenstunden durch die Straßen gelaufen. Sie schlugen Schaufensterscheiben ein, zerstörten Bushaltestellen und Reklametafeln, beschädigten Autos und Gebäude wie die O2-Veranstaltungsarena. Auch Straßen wurden zeitweise blockiert.

"Komplexe und schwierige Aufgabe"

Am Mittwochvormittag hatte die Polizei mit einem massiven Aufgebot eines der letzten besetzten Häuser in Berlin geräumt. Die neun festgenommenen Besetzer waren laut Glietsch vier Deutsche, darunter zwei Frauen, drei Italiener, ein Spanier und eine Französin. Das Haus werde jetzt von privaten Wachleuten geschützt, aber auch die Polizei sei dort präsent. Glietsch nannte die Räumung und das Vorgehen gegen die angekündigte Gewalt eine "außerordentlich komplexe und schwierige Aufgabe", die nur mit sehr vielen Polizisten bewältigt werden konnte. "Es ging um Maßnahmen gegen Gewalt im ganzen Stadtgebiet über 24 Stunden." Die Berliner Polizei habe gemeinsam mit 13 Einheiten aus anderen Bundesländern und der Bundespolizei "hervorragende Arbeit" geleistet. Die Verletzungen der Polizisten durch Flaschen, Steine oder Widerstand bei Festnahmen seien alle nicht schwer.

Der Altbau im Osten Berlins war 1990 besetzt worden. Die Bewohner in der Liebigstraße erhielten später Mietverträge, ihnen wurde aber gekündigt, als zwei Privatleute das Haus Ende der neunziger Jahre kauften.

In Hamburg, Kiel und Dortmund kam es zu Solidaritätsbekundungen der linken Szene. Glietsch sagte, die Sachschäden lägen auf jeden Fall über denen der Krawalle vom 1. Mai vergangenen Jahres. Eine Schadenssumme von einer Million Euro sei zwar eine Spekulation, er könne diese Höhe aber nicht ausschließen.

In Dortmund waren am Mittwochabend etwa 30 bis 50 Linke auf den Straßen unterwegs. Wie die Dortmunder Polizei berichtet, randalierten die teilweise vermummten Demonstranten und warfen Steine auf Polizisten und Streifenwagen. Ein Zusammenhang mit der Räumung des besetzten Hauses in Berlin-Friedrichshain am Mittwochmorgen sei nicht von der Hand zu weisen, sagte ein Sprecher der Polizei.

In der Dortmunder Nordstadt wurde bei den Randalen auch ein Fenster des Kinderschutzbundes eingeschlagen. Damit sollte offenbar indirekt ein Miteigentümer des Berliner Hauses getroffen werden, der beim Kinderschutzbund in Unna arbeitet. "Er versucht allerdings schon seit drei Jahren, aus den Verträgen für das Haus herauszukommen", sagte der Geschäftsführer des Kinderschutzbundes in Unna, Frank Zimmer. Seinen Angaben zufolge ist dies nicht der erste Angriff auf die Geschäftsräume des Dortmunder Kinderschutzbundes gewesen.

Bei der spontanen Demonstration wurden durch Steinwürfe und Farbschmierereien auch zwei Streifenwagen erheblich beschädigt. Verletzte gab es nach Polizei-Angaben nicht. Beim Eintreffen der Beamten rannten die Demonstranten in kleineren Gruppen in verschiedene Richtungen. Die Ermittlungen laufen.

Randale in Hamburg, Frankfurt und Kiel

Auch im Hamburger Schanzenviertel, in Kiel und in Frankfurt am Main kam es zu Randalen. Nach einem zunächst friedlichen Protestzug von 470 Demonstranten durch das Hamburger Schanzenviertel seien kleine Gruppen durch das Viertel gelaufen und hätten randaliert, berichtete eine Polizeisprecherin am Donnerstag. Dabei wurden Flaschen, Steine und Knallkörper auch in Richtung der etwa 250 Polizisten geworfen. Vier Beamte wurden nach Polizeiangaben leicht verletzt.

Die Demonstranten steckten Mülltonnen in Brand, schmissen Hindernisse wie Bauzäune und mobile Toiletten auf die Straßen. Außerdem gingen die Fenster eines Cafés sowie eines Drogeriemarktes zu Bruch. Auch die Scheiben von fünf Banken und Sparkassen wurden beschädigt. Die Polizei setzte einen Wasserwerfer ein. Zwei Randalierer im Alter von 16 und 28 Jahren wurden wegen Verdachts auf Landfriedensbruch und Sachbeschädigung festgenommen. An den Ausschreitungen hätten sich auch "erlebnisorientierte" Jugendliche ohne politischen Hintergrund beteiligt, hieß es.

In der Kieler Innenstadt kam es am Mittwochabend ebenfalls zu Ausschreitungen. Eine Gruppe von etwa 20 Demonstranten "des linken Spektrums" sei randalierend durch die Holstenstraße gezogen, sagte ein Sprecher der Kieler Polizei. Dabei wurden Feuerwerkskörper abgebrannt und Geschäftsfassaden mit Farbe beschmiert. Bei einer Bank gingen mehrere Glasscheiben zu Bruch. Die Kriminalpolizei hat Ermittlungen wegen Straftaten mit politischem Hintergrund aufgenommen.

Nach der Hausräumung in der Berliner Liebigstraße kam es auch in der Nacht wieder zu massiven Protesten in der Bundeshauptstadt. Am Abend hinderte die Polizei rund 2000 Demonstranten daran, zu dem geräumten Haus vorzudringen.

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