Nach Guttenberg-Rücktritt:Verteidigungsminister - ein Schleudersitz

Schon der erste Verteidigungsminister der noch jungen Bundesrepublik musste erfahren, wie wackelig der Stuhl ist. Die Chancen für Guttenbergs Nachfolger Thomas de Maizière, das Amt unbeschadet wieder zu verlassen, stehen bei 50 Prozent. Von Theodor Blank bis Karl-Theodor zu Guttenberg - ein Überblick.

Thorsten Denkler, Berlin

Der Stuhl des Verteidigungsministers ist ein heißer. Ein Schleudersitz geradezu, bei dem nie zu sagen ist, ob und wann der Schleudermechanismus ausgelöst wird. Bis heute hat es jeden zweiten Verteidigungsminister getroffen. Acht von 15 Ministern, die bisher der Bundeswehr als Oberkommandierende vorstanden, mussten vorzeitig und/oder gegen ihren Willen gehen beziehungsweise stolperten später über dieses Ministeramt. Es hat gleich den ersten Minister getroffen. Und zuletzt auch den Sonnyboy unter den Kabinettsmitgliedern, Karl-Theodor zu Guttenberg.

Vor 50 Jahren: Erste Bundeswehr-Soldaten ernannt

Bundesverteidigungsminister Theodor Blank (re.) übergibt 1955 den ersten Bundeswehrsoldaten ihre Ernennungsurkunde. Im Bild: Die neuernannten Generalleutnante Adolf Heusinger (li., später erster Generalinspekteur der Bundeswehr) und Hans Speidel (später Oberbefehlshaber der alliierten Landstreitkräfte der Nato in Mitteleuropa).

(Foto: picture-alliance/dpa)

Theodor Blank, CDU, Bundesminister der Verteidigung 1955 bis 1956

Schon der erste Verteidigungsminister der noch jungen Bundesrepublik musste erfahren, wie wackelig der Stuhl ist, auf dem er saß. Blank ist so etwas wie der Vater der Bundeswehr. Er leitete zunächst die nach ihm benannte "Dienststelle Blank", die letztlich die Wiederbewaffnung des Landes in enger Abstimmung mit den Alliierten vorbereitete. 1955 dann machte Kanzler Konrad Adenauer Blank folgerichtig zum ersten Verteidigungsminister.

Immer wieder aber hatte der Christdemokrat Ärger mit den eigenen Leuten. Zu seinen schärfsten Kritikern gehörte ein gewisser Franz Josef Strauß (CSU). Etwas über ein Jahr später war es dann aus mit dem Verteidigungsminister Blank - Adenauer nutzte eine Kabinettsumbildung, um ihn aus dem Amt zu entfernen.

Immerhin: Als er ging, waren Wehrpflicht und Soldatengesetz durchgesetzt, inklusive Grundgesetzänderung. Die Bundeswehr, die Blank aufbaute, zählte 65.000 Mann. Zum Abschied erhielt er das Großkreuz des Verdienstordens. Sein Nachfolger: Ausgerechnet sein Kritiker Franz Josef Strauß.

Franz Josef Strauß, CSU, Bundesminister der Verteidigung, 1956 bis 1962

Strauß hatte in seiner Amtszeit Skandale und Affären produziert, für die er ein Dutzend mal hätte zurücktreten können. Letztlich aber brachte ihn die Spiegel-Affäre zu Fall. Das Nachrichtenmagazin hatte in einem aufsehenerregenden Artikel die Bundeswehr für "bedingt abwehrbereit" erklärt. Strauß muss sich vom Spiegel regelrecht verfolgt gefühlt haben. Das Magazin lastete ihm verschiedenste Skandale mit so schönen Namen wie Starfighter-Affäre, Fibag-Affäre, Onkel-Aloys-Affäre oder den HS-30-Skandal an.

Nach Guttenberg-Rücktritt: Bundesverteidigungsminister Franz Josef Strauß lässt sich 1959 von einem Fallschirmjäger der Bundeswehr eine der Maschinenpistolen zeigen, die aus Israel importiert wurden.

Bundesverteidigungsminister Franz Josef Strauß lässt sich 1959 von einem Fallschirmjäger der Bundeswehr eine der Maschinenpistolen zeigen, die aus Israel importiert wurden.

(Foto: AP)

In Sachen "bedingt abwehrbereit" witterte Strauß allerdings Landesverrat und sorgte - am Bundesjustizminister vorbei - dafür, dass die Spiegel-Autoren verhaftet wurden. Wochenlang hielt die Polizei die Redaktionsräume des Spiegels besetzt.

Strauß leugnete zunächst, sich in die Polizeiarbeit eingemischt zu haben. Diese Lüge löste eine Regierungskrise aus. Die FDP, die den Justizminister stellte, forderte den Rücktritt von Strauß.

Der dachte nicht daran, seinen Platz zu räumen. Erst als sämtliche FDP-Minister geschlossen zurücktraten, konnte Kanzler Adenauer Strauß nicht mehr schützen. In der anschließenden Kabinettsneubildung wurde er nicht mehr berücksichtigt.

Georg Leber, SPD, Bundesminister der Verteidigung 1972 bis 1978

Nach Guttenberg-Rücktritt: Der Bundesminister der Verteidigung Georg Leber (links) schreitet gemeinsam mit seinem französischen Amtskollegen France Yvon Bourges 1977 in Hamburg eine Ehrenformation der Bundeswehr ab.

Der Bundesminister der Verteidigung Georg Leber (links) schreitet gemeinsam mit seinem französischen Amtskollegen France Yvon Bourges 1977 in Hamburg eine Ehrenformation der Bundeswehr ab.

"Schorsch" Georg Leber hätte wohl nicht zurücktreten müssen. Bis 1976 hatte er sich redlich den Ruf des "Soldatenvaters" erworben. Mit ihm traten erstmals Frauen in die Bundeswehr ein - wenn auch nur im Sanitätsdienst. Er ließ die Ausrüstung modernisieren, verbesserte die Ausbildung, gründete die Bundeswehruniversitäten und erhöhte den Verteidigungsetat.

Allerdings hatte es Leber mit einer durch die Vergangenheit noch ziemlich belasteten Bundeswehr zu tun. Er geriet im Herbst 1976 in eine Autoritätskrise, weil er zwei Luftwaffengeneräle kurzerhand entlassen hatte. Die hatten - entgegen einer Weisung - den als Alt-Nazi bekannten ehemaligen Fliegeroberst Hans-Ulrich Rudel an einem Luftwaffentraditionstreffen teilnehmen lassen. Später rechtfertigten sie das Vorgehen damit, dass mit Herbert Wehner für die SPD schließlich auch ein ehemaliger Kommunist im Bundestag saß.

Zu Fall brachte Leber letztlich der Spionagefall Lutze. In dessen Rahmen wurde öffentlich bekannt, dass der Militärische Abschirmdienst (MAD) Lebers Sekretärin bereits 1974 abgehört hatte - angeblich weil sie für die Staatssicherheit der DDR gearbeitet habe, was sich allerdings als falsch herausstellen sollte.

Leber übernahm die politische Verantwortung dafür - und trat am 16. Februar 1978 zurück.

Rupert Scholz, CDU, Bundesminister der Verteidigung 1988 bis 1989

Rupert Scholz

Rupert Scholz war nicht einmal ein Jahr im Amt des Bundesverteidigungsministers.

(Foto: picture-alliance / dpa)

Den Christdemokraten Rupert Scholz hielt es nicht Mal ein Jahr im Amt. Ihm kamen zwei Unglücke mit Militärflugzeugen in die Quere. Im Sommer 1988 stießen bei einer militärischen Flugschau in Ramstein Maschinen einer italienischen Kunstflugstaffel zusammen und rasten in die Zuschauermenge. 70 Tote und mehr als 1000 Verletzte waren zu beklagen. Kein halbes Jahr später stürzte eine US-amerikanische Fairchild-Republic A-10 Thunderbolt II in Remscheid in ein Wohngebiet. Die Bilanz: sieben Tote, 50 Verletze.

Scholz tat sich nicht gerade als wetterfester und sensibler Krisenmanger hervor, stritt gar wegen der Unfälle mit seinem Staatssekretär Würzbach über ein Tiefflugverbot. Würzbach hatte das Verbot in Vertretung des Ministers ausgesprochen - mit Rückendeckung aus seinem Ministerium, aber entgegen einer Weisung von Scholz. Kurz danach trat Würzbach zurück. Vier Monate später, im April 1989, entledigte sich Kanzler Helmut Kohl seines unsympathischen Verteidigungsministers galant durch eine Kabinettsumbildung.

Das war vielleicht ganz gut so. Gut 17 Jahre danach erklärte Scholz 2006, es müsse darüber gesprochen werden, "wie wir auf eine nukleare Bedrohung durch einen Terrorstaat angemessen, im Notfall also sogar mit eigenen Atomwaffen, reagieren können".

Gerhard Stoltenberg, CDU, Bundesminister der Verteidigung 1989 bis 1992

Nach Guttenberg-Rücktritt: Bundesminister der Verteidigung Gerhard Stoltenberg (links) 1991 in Washington im Gespräch mit dem ehemaligen US-General Andrew Goodpaster, dem Vorsitzenden des Atlantic Council of the United States.

Bundesminister der Verteidigung Gerhard Stoltenberg (links) 1991 in Washington im Gespräch mit dem ehemaligen US-General Andrew Goodpaster, dem Vorsitzenden des Atlantic Council of the United States.

(Foto: AFP)

In den zweieinhalb Jahren seiner Amtszeit konnte sich Stoltenberg nicht über zu wenig Arbeit beklagen. Er hatte als Verteidigungsminister der Wiedervereinigung die komplette Nationale Volksarmee der DDR in die Bundeswehr zu integrieren - eine Mammutaufgabe, die ihm später noch zu schaffen machte:

Die Bundeswehr konnte mit alten Panzern der NVA nichts anfangen. Die Frage war, wohin damit? Stoltenberg wollte die Kettenfahrzeuge an den israelischen Mossad verscherbeln. In letzter Minute wurde der Deal gestoppt. Im März 1992 wurde bekannt, dass 15 Bundeswehrpanzer an die Türkei geliefert wurden. Dabei hatte der Haushaltsausschuss des Bundestages genau dies untersagt.

Stoltenberg überlebte den März 1992 politisch nicht mehr. Am 31. des Monats trat er zurück.

Rudolf Scharping, SPD, Bundesminister der Verteidigung 1998 bis 2002

Rudolf Scharping besucht deutsche Truppen in Bosnien-Herzegowina, 1998

Rudolf Scharping, Bundesverteidigungsminister, besucht 1998 deutsche Soldaten in einer Militärbasis nahe der bosnischen Hauptstadt Sarajewo. Die Bundeswehr ist zu dieser Zeit Teil der internationalen Friedenstruppen in Bosnien-Herzegowina.

(Foto: Reuters)

Die Nachricht von Scharpings Rücktritt erreichte Wahlkämpferin Angela Merkel im Bus. Sie war gerade auf Tour durch Schleswig-Holstein um für Kanzlerkandidat Edmund Stoiber zu werben. Scharping trat am 18. Juli 2002 zurück, wenige Wochen vor der Bundestagswahl.

SPD-Mann Scharping war ein klassischer Pleiten-, Pech- und Pannenminister. Er präsentierte 1999 den "Hufeisenplan", mit dem die Serben unter Slobodan Milošević angeblich die Vertreibung der Albaner aus dem Kosovo vollziehen wollten. Scharping stellte den Plan als Rechtfertigung dafür dar, dass Deutschland am Kosovo-Krieg teilnehmen sollte. Beweise für die Existenz des Plans konnte Scharping allerdings nicht vorlegen.

Er benutzte die Flugbereitschaft der Bundeswehr für Urlaubsabstecher, ließ sich für die Bunte planschend im Pool mit seiner Geliebten Kristina Gräfin Pilati-Borggreve ablichten - während kurz zuvor Bundeswehrsoldaten zum Einsatz nach Mazedonien geschickt wurden.

Das Fass zum Überlaufen aber brachte die "Witzblattfigur", als die ihn der damalige Chef des Bundeswehrverbandes, Oberst Bernhard Geertz, bezeichnete, seine Verbindung zum umstrittenen PR-Berater Moritz Hunzinger. Der soll ihm 140.000 DM an Honoraren gezahlt haben. Bekannt wurde das pikante Detail im Juni 2002.

Zurückgetreten ist er am 18. Juli. Er gehe mit "erhobenem Haupt und geradem Rückgrat" erklärte er der Presse.

Gegendarstellung

Unter www.sueddeutsche.de verbreiten Sie seit dem 02.03.2011 unter der Überschrift "Verteidigungsminister- ein Schleudersitz" über den Rücktritt von Rudolf Scharping Folgendes:

"..(..) PR-Berater Moritz Hunzinger (...). Der hatte (...) dem Minister Oberbekleidung im Wert von 55.000 DM gesponsert."

Hierzu stelle ich fest:

Ich habe Herrn Scharping keine Kleidung gesponsert.

Frankfurt am Main, 4.3.2011

Moritz Hunzinger

Franz Josef Jung, CDU, Bundesminister der Verteidigung 2005 bis 2009

Caption-Korrektur: Bundeswehrsoldat bei Anschlag in Afghanistan getoetet

Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung 2008 bei einem Besuch der Luftlandebrigade 26 (Saarlandbrigade).

(Foto: ddp)

Franz Josef Jung ist der erste Arbeitsminister, der als Verteidigungsministers zurücktreten musste. Kaum hatte er nach der Wahl 2009 das Amt des Verteidigungsministers an Karl-Theodor zu Guttenberg übergeben und das Arbeitsressort übernommen, fiel ihm die Bombardierung zweier Tanklaster im Bett des Kundus-Flusses auf die Füße. Ein deutscher Oberst hatte den Befehl dazu gegeben. Vor der Bundestagswahl wurde die Bombardierung kaum thematisiert.

Danach aber wurde sie bald zum Politikum. Es kam heraus, dass der deutsche Oberst die Bombardierung befahl, obwohl er wusste, dass dabei zahlreiche Zivilisten getötet werden könnten. Tatsächlich starben mehr als 100 Menschen, darunter etliche Zivilisten. Jung gab an, darüber schlecht informiert worden zu sein.

Am Tag seines Rücktritts am 3. November 2009 erklärte er: "Ich übernehme damit die politische Verantwortung für die interne Informationspolitik des Bundesverteidigungsministeriums gegenüber dem Minister."

Karl-Theodor zu Guttenberg, CSU, Bundesminister der Verteidigung 2009 bis 2011

Der "Baron" hat einen Untersuchungsausschuss überlebt, die Affären um die Gorch Fock, geöffnete Feldpost und mysteriöse Todesfälle in Afghanistan überstanden. Am Ende aber scheiterte der Superstar der Bundesregierung, der Mann mit den höchsten Sympathiewerten, an nicht gesetzten Fußnoten und fehlenden Quellenhinweisen in seiner Doktorarbeit.

Er entschuldigte sich, räumte Fehler ein, gab seinen akademischen Grad zurück. Es half nichts. Er konnte einfach nicht schlüssig erklären, wie er auf 67 Seiten plagiiert haben konnte, ohne sich dessen bewusst gewesen zu sein, wie er bis heute angibt.

Am 1. März 2011 kommt was kommen musste: Karl-Theodor zu Guttenberg tritt zurück.

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