Nach Fällen in Österreich und Italien:Vogelgrippe erreicht Deutschland

Urlauber hatten auf Rügen verendete Schwäne entdeckt. Schnelltests ergaben, dass zwei der toten Vögel mit dem Virus H5N1 infiziert waren, an dem auch Menschen sterben können. Jetzt bestätigte der Präsident des Robert-Koch-Instituts den Verdacht.

Wir haben persönlich als Experten keine Zweifel mehr", sagte Reinhard Kurth im ZDF-Morgenmagazin. Er warnte jedoch vor Überreaktionen in Deutschland: "Erst mal Ruhe bewahren, keine Panik. Dazu ist kein Anlass."

Toter Schwan

Ein toter Schwan auf Rügen. Zwei Tiere waren offenbar mit dem H5N1-Virus infiziert.

(Foto: Foto: dpa)

Urlauber hatten insgesamt vier verendete Schwäne bereits am vergangenen Freitag an einer Fähre zwischen den Inseln Rügen und Hiddensee gefunden.

Entgültige Klarheit über eine mögliche Infektion sollte es offiziell erst nach weiteren Tests in einem EU-Labor in London bringen. Das Ergebnis wird laut Agrarminister Horst Seehofer (CSU) am Donnerstag erwartet.

Doch auch Seehofer sagte bereits am Dienstag, alle Zeichen deuteten auf das gefährliche Virus H5N1 hin. Es sei eine "sehr ernste Situation" eingetreten, betonte der CSU-Politiker.

Seehofer berief für den heutigen Mittwoch eine Sitzung des Krisenstabs zur Tierseuchenbekämpfung ein. Daran nimmt neben seinen Länderkollegen auch Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) teil.

Nach einer Sitzung des Krisenstabes der Regierung am Dienstag ordnete Seehofer an, dass die Stallpflicht, die ursprünglich erst von März an gelten sollte, schon am Freitag bundesweit und auf Rügen sofort in Kraft tritt. Auch soll es nur noch wenige Ausnahmen für Geflügelmärkte geben.

Die Gesundheitsbehörden in Schweden und Norwegen haben in der Nacht zum Mittwoch nach dem Fund auf Rügen die Geflügelhaltung im Freien verboten.

Einschränkungen in Meckelnburg-Vorpommern

Das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern, in dem Rügen liegt, reagierte sofort auf den Fund der toten Schwäne. Das Landwirtschaftsministerium in Schwerin gab bekannt, dass rund um die Fundstelle ein Schutzgebiet von drei Kilometern eingerichtet worden sei.

Das bedeute, dass Betriebe mit Geflügel überprüft würden und die Tiere nur eingeschränkt transportiert werden dürften. Daneben gebe es ein Beobachtungsgebiet im Umkreis von zehn Kilometern. "Wir rufen alle Geflügelhalter zu äußerster Vorsicht auf", sagte eine Sprecherin.

Der Präsident des Friedrich-Loeffler-Instituts für Tiergesundheit auf der Insel Riems, Thomas Mettenleiter, sagte der Süddeutschen Zeitung, es sei gut, dass die Stallpflicht vorgezogen worden sei. Einen kompletten Schutz biete das aber nicht: "Wir können den Wildvögeln ja nicht verbieten, zu uns zu fliegen." Diese seien kaum zu schützen. Umso sinnvoller aber sei es, die Nutztiere vor der Ansteckungsgefahr zu bewahren.

Falls sich der Verdacht auf H5N1 bestätige, sei das noch keine Katastrophe. Das bedeute nicht zwangsläufig, dass sich Nutzgeflügel oder gar Menschen infizierten. Die Seuche sei weiter eine Tierkrankheit, die nur im Ausnahmefall auf Menschen mit engem Kontakt zu infizierten Vögeln übergreife.

Auch Susanne Glasmacher vom Robert-Koch-Institut (RKI) in Berlin betonte im Gespräch mit der SZ: "Das Risiko, dass sich in Deutschland eine Pandemie entwickelt, wird durch die neuen Fälle nicht größer." Dies träte nur ein, wenn die H5N1-Viren die Fähigkeit erlangen würden, sich von Mensch zu Mensch auszubreiten. An der Krankheit, die zuerst 2003 in Asien aufgetreten war, sind mehr als 90 Menschen gestorben.

Krisentreffen der EU-Staaten

"Seit gestern ist es offiziell, dass wir die Vogelgrippe haben", sagte der steirische Landwirtschaftsminister Johann Seitinger am Nachmittag im österreichischen Graz. In den vergangenen Tagen waren im Grenzgebiet zu Slowenien 21 tote Vögel gefunden worden. Erste Tests ergaben, dass bei zwei Schwänen eine Infektion mit einem H5-Virus vorlag.

Jetzt müsse nur noch geklärt werden, "ob die Schwäne das H5N1-Virus in sich tragen", sagte Seitinger. Auch die österreichischen Proben werden im EU-Labor in Weybridge analysiert. In Graz hieß es, die Wahrscheinlichkeit für H5N1 liege bei 70 Prozent. Laut EU-Kommissionssprecher Philip Tod besteht "ein starker Verdacht".

Susanne Glasmacher vom RKI warnte dagegen vor voreiligen Schlüssen: "Ich frage mich, woher man wissen will, dass es sich mit 70 Prozent Wahrscheinlichkeit um H5N1 handelt."

Die österreichischen Behörden sicherten der EU-Kommission Schutzmaßnahmen zu. So muss zum Beispiel Geflügel im Umkreis von drei Kilometern um den Fundort für zunächst 30 Tage in den Ställen bleiben. Am Wochenende hatte das H5N1-Virus erstmals die EU erreicht. Fälle gab es in Italien und Griechenland, ein Verdacht besteht zudem in Slowenien.

Die Veterinärexperten der EU-Mitgliedstaaten wollen am Mittwoch und Donnerstag über Schutzmaßnahmen beraten.

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