Nach der Wahl in NRW:Schwarz, Gelb, Aus

Rüttgers hat verloren, weil Schwarz-Gelb in Berlin so schlecht ist: Die Koalition ist ein rückentwickeltes politisches Lebewesen - eine Art Retro-Mops.

Heribert Prantl

Was hat die Koalition aus Union und FDP im Bund bisher zusammen gehalten? Es war vor allem die Angst vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen. Erste Frucht dieser Angst war der labbrige Koalitionsvertrag. Zweite Frucht war die schwarz-gelbe Unehrlichkeit in der Steuer- und Finanzpolitik. Vorletzte Frucht der Angst war die folgenschwere Furchtsamkeit in der Griechenlandkrise.

Landtagswahl Nordrhein-Westfalen Bundesregierung Schwarz-Gelb Berlin, Reuters

Aus der Zeit gefallen: Guido Westerwelle und Angela Merkel

(Foto: Archiv-Foto: Reuters)

Die Fixierung auf den Muttertags-Wahlsonntag war der gemeinsame Nenner der Merkel/Westerwelle-Regierung. Jetzt ist auch diese Gemeinsamkeit entfallen: Die Angst hat sich realisiert. Das schwarz-gelbe Bündnis in Nordrhein-Westfalen ist zu Ende, die schwarz-gelbe Bundesrats-Mehrheit ist perdu. Das ist nun die letzte Frucht der Angst. Grün triumphiert, Rüttgers bankrottiert, die FDP lamentiert, die Linke bramarbasiert.

Vor fünf Jahren hatte der damalige Oppositionschef Rüttgers die Wahl in NRW nicht deswegen gewonnen, weil er so gut, sondern weil die rot-grüne Regierung in Berlin so schlecht dastand. Diesmal hat der Ministerpräsident Rüttgers die Wahl verloren - nicht weil er, sondern weil die schwarz-gelbe Regierung in Berlin so schlecht ist; Schwarz-Gelb in Berlin hat einen so elenden Ruf, dass sich der Ruf von Rot-Grün schon wieder verklärt.

Rüttgers' Niederlage hat auch damit zu tun, dass Hannelore Kraft, die Spitzenkandidatin der NRW-SPD, die aussichtlose Lage der SPD in eine aussichtsreiche verwandeln konnte. Dass ihr das mir einer immer noch schwer verunsicherten SPD und einer C-Mannschaft gelang, ist ein kleines Wunder. Auch dieses lebt von der Schwäche der Koalition in Berlin.

Die NRW-Wahl hat die Bedeutung einer kleinen Bundestagswahl; und weil die Sieger der großen Bundestagswahl partout keine Niederlage bei der kleinen riskieren wollten, haben sie alle schwierigen Entscheidungen auf die Zeit nach dieser Wahl zu verschieben versucht.

Die Bundesregierung hat seit Amtsantritt ihrer Angst davor so viel Raum gegeben, dass sich in diesem Raum die Zweifel an Schwarz-Gelb nicht nur in Nordrhein-Westfalen, sondern in ganz Deutschland entfalten konnten. Die Farbe Schwarz-Gelb, die jetzt noch weite Flächen Deutschlands bedeckt, verblasst. In Baden-Württemberg und Bayern, in Sachsen, Hessen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und, bis jetzt noch, in Nordrhein-Westfalen, werkeln Koalitionen aus Union und FDP - im Schnitt durchaus durchschnittlich. Aber seitdem Schwarz-Gelb im Bund regiert, verliert das Bündnis an Farbe, Anziehung und Kraft.

Merkels grüne Schuhe

Schwarz-Gelb verfällt: Es verfällt deswegen, weil die Koalition im Bund eine Koalition zum Abgewöhnen ist. Die große Erwartung der Bevölkerung an die neue Regierung hat sich in tiefe Enttäuschung verwandelt. Die schwarz-gelbe Tristesse legt sich auf die Länder. Als Erstes hat sie Nordrhein-Westfalen erwischt. Das liegt nur vordergründig an Guido Westerwelle. Er ist nur der Lautsprecher, der die Malaise verkündet.

Die Merkel/Westerwelle-Koalition ist eine verspätete Koalition, eine Koalition zur Unzeit, ein Produkt der Vergangenheit, die man als neoliberal bezeichnet. Fast immer wenn Westerwelle den Mund aufmacht, hört man die Stimme dieser Zeit. Das ist nicht nostalgisch, sondern befremdlich. Die Beliebtheit Merkels mag auch einiges mit der anhaltenden Unbeliebtheit Westerwelles zu tun haben. Der FDP-Vizekanzler steht in seiner Person für die unbeliebte Konstellation, in der sie präsidial regiert.

Die schwarz-gelbe Koalition in Berlin ist so eine Art Retro-Mops, ein rückentwickeltes politisches Lebewesen; diese Koalition trägt die DNS aus der Zeit vor der Wirtschafts- und Finanzkrise in sich. Schwarz-Gelb ist eine Koalition von Parteien, die sich entfremdet haben. Beim langen Warten auf die Liaison ist eingetreten, was vielen Paaren passiert: Sie haben sich auseinanderentwickelt, bemerken dies aber erst, wenn sie endgültig zusammen sind. Unter Merkels Vorsitz hat sich die CDU gewandelt; sie hat die Familienpolitik modernisiert und die Umweltpolitik leicht vergrünt. Und in der großen Koalition mit der SPD ist die CDU auch ein wenig sozialer geworden. Die FDP dagegen ist stehen geblieben, wo sie vor zwanzig Jahren schon war.

Die CDU hat sich wieder als Staatspartei etabliert, sucht nach Möglichkeiten, Staat und Bürger vor marodierenden Kapital zu schützen. Die FDP aber will immer noch den Staat zurückschneiden und insistiert auf einer Art Kapitaldemokratie. Die FDP hat ihren Horizont nicht erweitert, sondern verengt. Das hat eine Zeitlang ihren Wiedererkennungswert gesteigert, wird aber nun zum Fluch. Aus der Verlässlichkeit, die die FDP für sich reklamiert hat, ist Realitätsferne geworden. Die CDU regiert also im Bund mit einer realitätsblinden FDP und einer derangierten CSU, die nur noch ein Schatten ihrer selbst ist. Eine Koalition mit zwei Parteien, die in der Vergangenheit leben, ist keine Zukunftskoalition.

Die Koalition aus Union und FDP war ein Bundesprojekt, das sich Merkel nicht gewünscht hatte. Sie musste in die schwarz-gelben Schuhe schlüpfen, weil die schon so lang dastanden. Es zeigt sich aber nun, dass Gelb hinten und vorne drückt. Es zeigt sich, dass die CDU damit ins Abseits rennt. Sie wird, über kurz oder lang, den gelben gegen einen grünen Schuh tauschen. Und die Partei der Grünen wird zu dem, was die FDP einmal war: der Joker der deutschen Politik, das Objekt der Begierde von SPD wie CDU.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: