Nach der Wahl in Ägypten:Muslimbrüder kämpfen um ihre Existenz

Schafik oder Mursi? Ex-Präsident Mubarak liegt im Sterben, doch noch immer herrscht in Ägypten Uneinigkeit darüber, wer die Wahl als sein Nachfolger gewonnen hat. Doch für die Muslimbrüder geht es um mehr als nur das Präsidentenamt: Ein Verwaltungsgericht prüft, ob die Organisation der Islamisten aufgelöst wird.

Sonja Zekri, Kairo

Mit einem Protestaufruf haben Ägyptens Muslimbrüder am Dienstag auf die Ausweitung der Machtbefugnisse für den regierenden Militärrat reagiert. Gleichzeitig wiederholten sie mit der geplanten Kundgebung auf dem Tahrir-Platz in Kairo ihren Anspruch auf einen Sieg ihres Kandidaten Mohammed Mursi in der Präsidentschaftswahl.

Nach der Wahl in Ägypten: Tausende Anhänger der Muslimbrüder feiern den Sieg ihres Kandidaten Mohammed Mursi auf dem Tahrir-Platz in Ägyptens Hauptstadt Kairo.

Tausende Anhänger der Muslimbrüder feiern den Sieg ihres Kandidaten Mohammed Mursi auf dem Tahrir-Platz in Ägyptens Hauptstadt Kairo.

(Foto: AFP)

Die Islamisten reklamieren für Mursi nach Auszählung weiterer Stimmen 52 Prozent, während 48 Prozent auf Ahmed Schafik entfielen, den letzten Premier des gestürzten Präsidenten Hosni Mubarak. Ihrem Protestaufruf schlossen sich neben den ultraislamistischen Salafisten auch einige demokratische Jugendorganisationen an wie die Bewegung "6. April".

Muslimbrüder und Aktivisten eint die Ablehnung der Militärherrschaft, die sie als "sanften Coup" begreifen. Die Generäle hatten kurz nach der Schließung der Wahllokale in der Nacht zum Montag in einer Erklärung die Befugnisse des künftigen Präsidenten stark eingeschränkt, sich selbst aber unter anderem Hoheit über den Haushalt und die Gesetzgebung verliehen und die Armee praktisch jeder Kontrolle durch den Präsident oder das Parlament enthoben.

Die Muslimbrüder lehnen auch die vorangegangene Parlamentsauflösung und die drohende Neubesetzung der verfassungsgebenden Versammlung ab. Demonstrativ einigten sich die Mitglieder des 100-köpfigen Gremiums auf den Richter Hossam el-Ghariani als Vorsitzenden der Versammlung. Zuvor hatten sich - wie schon bei einem ersten Versuch - einige Gruppen aus Protest gegen die Islamisten zurückgezogen. Beweist die jetzige Versammlung nicht innerhalb weniger Tage ihre Arbeitsfähigkeit, kann der Militärrat sie auflösen und die Mitglieder neu bestimmen.

Drohende Auflösung der Muslimbrüder

Für die Muslimbrüder steht mehr auf dem Spiel als das höchste Staatsamt: Ein Verwaltungsgericht soll derzeit über die Auflösung der Organisation, die Schließung aller Filialen und die Konfiszierung ihres Vermögens entscheiden. Der Anwalt Mohammed Schehata hatte Klage gegen Mursi, den Obersten Führer der Muslimbrüder, Mohammed Badie, Premier Kamal al-Gansuri und zwei seiner Minister eingereicht. Die Regierung habe es versäumt, die Bruderschaft aufzulösen und die Bildung ihrer Partei "Freiheit und Gerechtigkeit" zu verhindern, da diese gesetzeswidrig auf religiösen Grundsätzen beruhe.

Die Bruderschaft, 1928 gegründet und weltweit die älteste Organisation des politischen Islams, habe sich selbst nach dem Sturz Hosni Mubaraks nicht ordnungsgemäß registriert, um eine Einsicht in ihre Unterlagen zu verhindern. Am Dienstag gaben sich die Muslimbrüder zuversichtlich: Man werde die Vorwürfe entkräften können. Das Gericht will im September entscheiden.

Ein Sprecher Ahmed Schafiks beharrte unterdessen weiterhin auf einen Sieg des Luftwaffenkommandeurs. "Es ist ein Akt der Piraterie, falsche Zahlen zu verwenden, um einen Sieg zu behaupten", sagte Ahmed Sarhan. Schafik liege weiterhin mit mindestens 51 Prozent der Stimmen vorn.

Im Ausland mehrt sich die Kritik an der Machterweiterung des Militärrates. In Amerika, das Ägypten Militärhilfe in Milliardenhöhe zahlt, rief Victoria Nuland vom Außenministerium die Generäle auf, "das Vertrauen in den demokratischen Übergangsprozess" wiederherzustellen.

Der Militärrat reagierte auf die Vorhaltungen mit der Wiederbelebung des Nationalen Verteidigungsrats, eines Gremiums aus hochrangigen Vertretern von Armee, Außen- und Verteidigungsminister, Regierungschef und der Sprecher des derzeit aufgelösten Parlaments. Der Nationale Verteidigungsrat soll unter Führung des Präsidenten tagen, wenn das Land bedroht ist. Seit dem Sturz Mubaraks trat er nicht mehr zusammen.

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