Loveparade:Sauerland: Ihr könnt mich abwählen!

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Immer mehr Anzeigen - doch Duisburgs Oberbürgermeister Sauerland zieht noch keine direkten Konsequenzen aus der Tragödie auf der Loveparade. Immerhin: Er will sich einem Abwahlverfahren stellen.

Er tritt zurück, er tritt nicht zurück. Tagelang rätselten Freunde und Feinde, was Duisburgs Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) nach der Loveparade-Tragödie machen wolle. Nun ist klar: Er tritt zurück - vielleicht, womöglich, ein bisschen.

Unterschriften gegen den Oberbürgermeister: FDP, SPD und Linkspartei wollen Adolf Sauerland abwählen lassen. (Foto: dpa)

Einem Abwahlverfahren im Stadtrat wolle er sich stellen, das versichert der kritisierte Politiker. In einer persönlichen Erklärung heißt es: "Selbstverständlich werde ich mich,­ wie bereits von mir angekündigt,­ einem gemäß der Gemeindeordnung für das Land NRW vorgesehenen Abwahlverfahren stellen."

Die Verantwortung für die Katastrophe bei der Loveparade will Sauerland vorerst jedoch nicht übernehmen, auch einen sofortigen Rücktritt lehnt er weiterhin ab. Er müsste also offenbar erst aus dem Amt gewählt werden.

In Sauerlands Stellungnahme wird Vages bemüht: "Für mich steht fest, ich werde mich meiner Verantwortung uneingeschränkt stellen - der persönlichen wie der politischen. Beides hängt allerdings zusammen. Ich bitte um Verständnis dafür, dass ich erst Klarheit über eine etwaige tatsächliche Verantwortung der Stadtverwaltung haben muss, bevor ich die politische Verantwortung dafür übernehme."

Die Duisburger CDU hat sich unterdessen hinter Sauerland gestellt. In einer Erklärung vom Montagabend begrüßten Partei und Fraktion "die laufende Aufarbeitung" durch den OB und die Staatsanwaltschaft. Gleichzeitig wandten sie sich gegen "die einseitige Vorverurteilung" Sauerlands. Wenn dem Stadtrat ein Antrag zur Abwahl des OB vorliege, werde die CDU-Fraktion darüber in einer Sitzung beraten und entscheiden. "Diese Entscheidungsfindung wird dann auf dem zu diesem Zeitpunkt verfügbaren Erkenntnisstand zu den Ursachen der Katastrophe stattfinden", hieß es.

Sauerland selbst regt nun einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss an. "Ich persönlich wünsche mir zusätzlich nach der Innenausschusssitzung am Mittwoch die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses des Landtags NRW. Dieses schärfste parlamentarische Instrument zur Aufklärung von Abläufen und Verantwortlichkeiten sollte unverzüglich seine öffentliche Arbeit aufnehmen."

Zur weiteren Aufklärung hat Sauerland nach eigenen Worten verwaltungsintern eine Untersuchungsgruppe eingesetzt, die den gesamten Sachverhalt im Verantwortungsbereich der Stadt aufklärt. Ein erster schriftlicher Zwischenbericht werde dem Innenausschuss des Landtags zur Sondersitzung am Mittwoch zur Verfügung gestellt.

Der Duisburger Oberbürgermeister bittet zugleich erneut um Entschuldigung. Wenn er in den vergangenen Tagen Fehler gemacht habe, möge ihm dies verziehen werden, erklärt Sauerland. Als Grund für mögliche Fehler nennt er den "tiefen Schock", in den ihn das Unglück versetzt habe.

Sauerland war in den vergangenen Tagen wegen des Unglücks zunehmender Kritik aus der Politik und von Bürgern ausgesetzt. Auch aus den Reihen der eigenen Partei wurden gegen den CDU-Politiker Rücktrittsforderungen erhoben.

Bei einer Massenpanik auf der Duisburger Loveparade sind 21 Menschen gestorben und mehr als 500 verletzt worden. Die Linkspartei im Duisburger Rathaus strebt die Abwahl des OB an und sammelt bei den anderen Fraktionen derzeit Unterstützerunterschriften. FDP und SPD hatten bereits ihre Unterstützung für die Abwahl Sauerlands signalisiert.

An der Unglücksstelle vor dem Tunnel, der zum Veranstaltungsgelände der Loveparade führte, trauern weiterhin viele Menschen. "Etwa 1500 Menschen kommen täglich hier her", sagt ein Polizeisprecher. Sie entzündeten Kerzen und legten Blumen nieder. Nach Polizeiangaben bleibt der Tunnel diese Woche noch gesperrt. "Solange die Trauernden noch hier herkommen, wird die Sperrung bleiben", so der Sprecher.

Von den Opfern der Loveparade befinden sich weiterhin zwei Verletzte in Krankenhäusern. Das Land Nordrhein-Westfalen plant derzeit die Schaffung eines Sonderfonds, um den Opfern des Unglücks und ihren Angehörigen zu helfen. "Wir arbeiten mit Hochdruck daran", erklärt eine Regierungssprecherin. Einzelheiten sollten noch in dieser Woche bekanntgegeben werden.

Die Duisburger Staatsanwaltschaft registriert derweil immer mehr Anzeigen Betroffener. Es gebe "wesentlich mehr" Strafanzeigen als noch vor wenigen Tagen, sagt ein Sprecher. Eine genaue Zahl ist jedoch nicht bekannt. Ob auch eine Anzeige des ehemaligen Bochumer Polizeichefs Thomas Wenner darunter ist, wurde nicht bestätigt. Wenner hatte in der vergangenen Woche angekündigt, den Duisburger Oberbürgermeister, die Stadt und ihre leitenden Beamten sowie den Veranstalter anzuzeigen.

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