Nach den Landtagswahlen:Politik paradox

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Die Landtagswahlen haben gezeigt: Die Bundesbürger wählen mehr denn je eine Person, gleichzeitig nimmt die Bindung an Parteien rapide ab. Das ist eine gute Nachricht für Bundeskanzlerin Angela Merkel - aber es ist die einzig gute.

Nico Fried, Berlin

In einem Punkt ist der Wahlsonntag für Angela Merkel gut gelaufen: In drei Ländern haben Persönlichkeiten die Wahlen entschieden, im Sieg wie in der Niederlage.

Probleme über Probleme für Kanzlerin Angela Merkel. (Foto: Foto: Reuters)

In Thüringen ist Dieter Althaus abgewählt worden, nachdem er sich durch den Umgang mit seinem Skiunfall unmöglich gemacht hatte. In Sachsen hat Stanislaw Tillich sich behauptet, weil die Vergangenheit eines Ost-Politikers im Osten milde beurteilt wird und er ansonsten einen ordentlichen Job macht. Und im Saarland ist ein gelangweilter Ministerpräsident Peter Müller bestraft und der alte König Oskar Lafontaine beinahe wieder inthronisiert worden.

Personen machen einen Unterschied. Die Bürger, wenn sie denn wählen, wählen mehr denn je einzelne Politiker - oder sie wählen sie ab. Die abnehmende Bindung an Parteien kann mittlerweile zu massiven Ausschlägen bei der Gewinn- und Verlustrechnung führen, wie es sie früher nicht gab.

Diese Personalisierung ist eine gute Nachricht für die Kanzlerin, deren hohe Sympathiewerte seit Monaten konstant sind; deren Vorsprung in der Kanzlerfrage so gewaltig ist, dass sie ihren Herausforderer Frank-Walter Steinmeier bislang einfach ignorieren konnte. Ein CDU-Wähler, der Dieter Althaus verärgert die Stimme verweigert hat, ist in vier Wochen für Angela Merkel keineswegs verloren. Allerdings ist das aus den Landtagswahlen die einzige gute Nachricht für die Kanzlerin.

Die Probleme für die CDU-Vorsitzende Merkel beginnen damit, dass sie als Parteichefin eine Mitverantwortung für die Niederlagen übernehmen muss, weil sie Althaus und Müller nicht die alleinige Schuld hinschieben kann, obgleich beide selber schuld sind - wenn auch Althaus mehr als Müller.

So werden aus den Niederlagen von Personen Niederlagen der Partei. Und eine Partei wird schnell nervös. Der Wahlkampf der CDU sei zu profillos, schimpfen der Wirtschaftsflügel und auch die CSU, zu emotionslos, findet der Junge-Union-Chef, es fehle die klare Koalitionsaussage, findet Herr Bosbach.

Jene, die wirklich wichtig sind in der CDU, nehmen Merkel in Schutz. Wenn aber Christian Wulff und Jürgen Rüttgers die Kanzlerin verteidigen müssen, dann ist es schon ein schlechtes Zeichen, dass sie das überhaupt nötig hat. Und wenn sich Althaus und Müller zu lange an die Macht klammern, wirft das ein schlechtes Licht auf die CDU.

Merkels zweites Problem besteht darin, dass selbst sie trotz aller Popularität einen Koalitionspartner braucht. Die Ergebnisse vom Wochenende werden aber die Unruhe in der FDP nicht mindern. Die Liberalen fühlen sich im Saarland und in Thüringen um die Chance gebracht zu regieren, weil die CDU ihren Teil nicht liefert. Und sie sorgen sich, dass es am 27. September im Bund auch so sein könnte.

Die FDP verschweigt dabei gerne, dass ihre Zugewinne vor allem vom Unions-Konto abgebucht werden. Das war in Hessen so, in Bayern, bei der Europawahl und auch an diesem Sonntag. Die Sorge der Union, jenseits von ihr könne eine Protestpartei entstehen, so wie die SPD es mit der Linken erlebt hat, ist überholt. Es gibt sie schon: die FDP.

Ob ein drittes Problem für Merkel dazukommt, hängt davon ab, ob die SPD irgendwann den Unsinn glaubt, den sie selbst erzählt. Dafür spricht zum Beispiel der Jubel, mit dem die SPD im Saarland mehr als sechs Prozentpunkte Verlust quittiert. Die Sozialdemokraten haben seit Monaten nichts als Niederlagen zu verkraften, daran ändert auch ein kleiner Zugewinn in Thüringen nichts. Sie delektieren sich an den schwarzen Verlustbalken und kneifen bei den roten die Augen zu.

Die CDU-Mehrheiten in Saarbrücken und Erfurt sind vor allem von der Linken gebrochen worden, Schwarz-Gelb ist von Linken und Grünen verhindert worden, die SPD profitiert nur davon. Die Sozialdemokraten hängen in einem zerbeulten Auto am Abschleppwagen von Oskar Lafontaine und rufen: Seht her, wie gut wir vorankommen!

"Künstliche Euphorie"

Diese Euphorie ist künstlich. Aber die SPD hätte nicht elf Jahre lang regiert, verfügte sie nicht unter allen Parteien über die größte Fähigkeit, sich ihre Lage autosuggestiv schönzureden. Und man darf die Wirkung nicht unterschätzen, die selbst das Irrationale in der Politik erzielen kann. Die Union und Merkel selbst haben das in einem ganz anderen Zusammenhang vor einigen Monaten erlebt: Mitten in der Wirtschaftskrise ist damals Merkels Wirtschaftsminister zurückgetreten, im Grunde ein Desaster. Der Nachfolger war eine Notlösung, profilierte sich gegen die Kanzlerin und gehört heute trotzdem neben ihr zu den populärsten Politikern in Deutschland. Man nennt das ein Paradoxon.

Genau darauf setzt jetzt auch die SPD. Im Saarland will sie einen Ministerpräsidenten von Lafontaines Gnaden einsetzen. Es wäre eine Koalition mit der Linkspartei, von der Franz Müntefering nach der Europawahl gesagt hatte, sie habe ihren Höhepunkt überschritten, obwohl sie inzwischen stärker geworden ist, als sie unter seinem Vorgänger Kurt Beck je war. Und im Bund setzt die SPD zwar nicht auf eine Regierungs-, wohl aber auf eine Verhinderungsmehrheit mit der Linken. Sollte Oskar Lafontaine, der die SPD so brutal bekämpft hat, jetzt den Sozialdemokraten helfen, eine Koalition aus Union und FDP zu verhindern, wäre das auch ein Paradoxon. Und Oskar Lafontaine in gewisser Weise der Karl-Theodor zu Guttenberg der SPD.

© SZ vom 01.09.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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