Höchste Terrorwarnstufe für Brüssel:Belgischer Premier: Hinweise auf Anschlag wie in Paris

  • In Brüssel gilt ab sofort die höchste Terrorwarnstufe. Belgiens Ministerpräsident spricht von "ganz genauen Informationen" über ein Anschlagrisiko.
  • Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen nimmt einstimmig Frankreichs Anti-Terror-Resolution an.
  • Zwei der drei Selbstmordattentäter vom Stade de France wurden bei der Reise durch Griechenland erfasst.
  • Bei einer der Toten aus der nach den Terror-Anschlägen von Paris gestürmten Wohnung handelt es sich um Hasna Aitboulahcen.

Brüssel: "Ganz genaue Informationen" über Anschlagrisiko

Belgien hat die Terrorwarnung für die Hauptstadt Brüssel auf die höchste Stufe erhöht. Es gebe eine "unmittelbare" und "sehr ernste Bedrohung", erklärte das nationale Krisenzentrum Ocam am Samstagmorgen. Der belgische Ministerpräsident Charles Michel sagte, es gebe "ganz genaue Information über das Risiko eines Anschlags wie dem, der sich in Paris ereignet hatte".

Die Befürchtung sei, dass "einige Personen mit Waffen und Sprengstoff einen Anschlag starten könnten (...) vielleicht sogar an verschiedenen Orten". Michel fügte hinzu: "Wir bitten die Öffentlichkeit dringend, nicht in Panik auszubrechen, ruhig zu bleiben. Wir haben die Maßnahmen getroffen, die notwendig sind." Der belgische Innenminister Jan Jambon sagte, die Lage sei ernst, aber unter Kontrolle.

Der U-Bahn-Verkehr in der belgischen Hauptstadt wurde am Samstag komplett eingestellt. Am Abend soll entschieden werden, ob auch am Sonntag keine Metros verkehren. Die meisten Busse und Straßenbahnen in Brüssel fuhren, auch der Flugverkehr lief normal. Am Samstagmorgen patrouillierten schwer bewaffnete Polizisten und Soldaten an den wichtigen Kreuzungen der Stadt.

Alle für dieses Wochenende angesetzten Fußball-Spiele in der Hauptstadtregion wurden abgesagt. Dies habe das Provinzkomitee Brabant am Samstag entschieden, teilte der belgische Fußball-Verband KBVB mit. Betroffen ist auch das Erstliga-Topspiel zwischen dem KSC Lokeren und dem RSC Anderlecht. Grund für die Absage sei, "dass die Sicherheit nicht garantiert werden kann", heißt es auf der Homepage des gastgebenden Vereins.

Den Einwohnern von Brüssel riet das Krisenzentrum, in ihren Häusern zu bleiben sowie größere Menschenansammlungen, Bahnhöfe, Flughäfen und Einkaufszentren zu meiden, den Anweisungen der Sicherheitskräfte Folge zu leisten und keine Gerüchte zu verbreiten. Die Urheber der Anschläge von Paris hatten zum Teil im Brüsseler Brennpunktviertel Molenbeek gelebt.

Auswärtiges Amt ruft Reisende in Brüssel zur Vorsicht auf

Angesichts der Terrorwarnung in Brüssel hat das Auswärtige Amt Reisenden empfohlen, größere Menschenansammlungen in der Region zu meiden. In einem aktuellen Hinweis zählte die Behörde am Samstag dazu Konzerte, Großveranstaltungen, Bahnhöfe, Flughäfen, öffentlichen Personennahverkehr und Einkaufszentren. Es werde auch erhöhte Wachsamkeit empfohlen sowie Weisungen der belgischen Sicherheitskräfte zu befolgen. In dem Hinweis werden die entsprechenden Empfehlungen der belgischen Behörden angeführt.

Türkei nimmt drei Terrorverdächtige fest

In der Türkei sind in Zusammenhang mit den Anschlägen in Paris drei Männer festgenommen worden. Bei einem handele es sich um einen Belgier mit marokkanischer Abstammung, sagte ein türkischer Regierungsvertreter am Samstag. Er werde verdächtigt, mögliche Ziele für die Anschläge ausgekundschaftet zu haben. Der 26-Jährige sei in einem Luxushotel im Urlaubsort Antalya festgenommen worden.

Zu den beiden anderen Männern äußerte sich der Regierungsvertreter nicht weiter. Der Nachrichtenagentur Dogan zufolge soll es sich um zwei Syrer handeln, die von der Extremistenmiliz Islamischer Staat (IS) entsandt worden seien, um den Belgier sicher über die Grenze zu geleiten.

UN-Sicherheitsrat nimmt Frankreichs Anti-Terror-Resolution an

Eine Woche nach den Anschlägen in Paris hat der UN-Sicherheitsrat einstimmig eine Resolution verabschiedet, die alle Staaten auffordert, "alle nötigen Maßnahmen" im Kampf gegen die Dschihadistenmiliz IS im Irak und Syrien zu ergreifen. Dabei sollten das "internationale Recht und insbesondere die UN-Charta" eingehalten werden, heißt es in dem von Frankreich eingebrachten Text.

Die Resolution erteilt nicht die rechtliche Erlaubnis, militärisch gegen die IS-Miliz vorzugehen. Sie erwähnt auch nicht Kapitel VII der UN-Charta, der Staaten den Einsatz von Gewalt erlaubt. Sie gibt aber politische Rückendeckung für den Kampf gegen die Dschihadistengruppe, die sich zu den Anschlägen mit 130 Toten in Paris bekannt hatte.

Zwei der Terroristen auf Durchreise in Griechenland registriert

Die Fingerabdrücke des Terroristen, der sich am Eingang H des Fußball-Stadions Stade de France um 21.30 Uhr in die Luft gesprengt hatte, entsprechen denen eines Mannes, der am 3. Oktober auf der griechischen Insel Leros erfasst wurde, wie die Staatsanwaltschaft in Paris am Freitag mitteilte. Er trug nach Angaben aus Ermittlerkreisen einen syrischen Pass auf den Namen Mohammad al-Mahmod bei sich.

Bei derselben Kontrolle in Griechenland ist nach den Angaben auch ein zweiter Attentäter registriert worden, der sich um 21.20 Uhr am Eingang D des Stadions mit einem Sprengstoffgürtel umgebracht hatte. Bei den Überresten dieses Mannes war ein syrischer Pass auf den Namen Ahmed al-Mohammed gefunden worden.

Die Ermittler konnten mit den Fingerabdrücken lediglich belegen, dass die beiden Männer in Griechenland kontrolliert wurden. Nicht geklärt ist ihre Identität: Die Pässe könnten auch Fälschungen sein oder eigentlich einer anderen Person gehört haben.

Identifizierung einer der Leichen steht noch aus

Bei der in der Nacht in der gestürmten Wohnung im Pariser Vorort Saint-Denis gefundenen Leiche handelt es sich um die 26 Jahre alte Hasna Aitboulahcen. Das teilte die Staatsanwaltschaft in Paris mit. Die Frau sei anhand von Fingerabdrücken identifiziert worden. Medienberichten zufolge ist sie eine Cousine von Abdelhamid Abaaoud, den die französischen Ermittler für den Hintermann der Anschläge halten. Er kam bei der Razzia ebenfalls ums Leben.

Verschiedene Zeitungen hatten zuvor berichtet, Hasna Aitboulahcen habe sich bei dem Zugriff in Saint-Denis in die Luft gesprengt. Nach Angaben der Nachrichtenagentur AFP schließen die Ermittler dies jetzt aus. Eine dritte Leiche aus der Wohnung ist bislang nicht identifiziert; offenbar ist noch nicht einmal geklärt, ob es sich dabei um einen Mann oder eine Frau handelt. Acht Menschen waren bei dem Anti-Terror-Einsatz festgenommen worden.

Abaaoud war am Terror-Abend in Paris

Wie am Freitag ebenfalls bekannt wurde, befand sich Abdelhamid Abaaoud am Abend der Angriffe offenbar im Großraum Paris. Der französische Fernsehsender BFM TV berichtet, eine Überwachungskamera in einer U-Bahn-Station im Vorort Montreuil habe Abaaoud am Tatabend gefilmt. Die Bilder seien am Freitag vor einer Woche gegen 22 Uhr aufgenommen worden, als Abaaoud die Metrostation betrat. Sie sollen zeigen, wie er die Drehkreuze am Eingang überspringt. Der Angriff auf die Konzerthalle Bataclan war zu diesem Zeitpunkt noch im Gange.

Unweit der Metrostation der Linie M9 hatten Ermittler einen schwarzen Seat sichergestellt, aus dem heraus die Attentäter die Cafés und Restaurants beschossen hatten. Der Wagen war von Ibrahim Abdeslam gemietet worden, der sich bei den Angriffen selbst in die Luft sprengte. Nun wird spekuliert, ob Abaaoud mit im Wagen saß und diesen möglicherweise an der Metrostation abstellte.

Bei Razzien festgenommene Verdächtige wieder frei

Nach Angaben der Nachrichtenagentur AP sind inzwischen sieben der neun bei Razzien in Belgien festgenommenen Verdächtigen wieder frei. Bei zweien sei die Haft um je einen Tag verlängert worden, teilte die Staatsanwaltschaft am Freitag mit. Einer von ihnen stamme aus dem Umfeld des Franzosen Bilal Hadfi, der zeitweise in Brüssel gelebt und sich vor einer Woche in Paris in die Luft gesprengt hatte. Der andere Verdächtige stehe direkt mit den Attacken in Verbindung. Zwei weitere Terrorverdächtige sind in Belgien bereits in Haft.

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