Nach dem Wahldebakel in Bayern:Angst vor der Abspaltung

Die CDU attackiert nach der Bayern-Wahl öffentlich die SPD. Dabei quält die Unionsparteien eine Frage: Gibt es bald Konkurrenz im eigenen Lager?

Stefan Braun

Ronald Pofalla gibt an diesem Montag erst mal keine Pressekonferenz. Er hält eine Wahlkampfrede, und er wirkt dabei, als stehe er im Bierzelt. Mit großer Geste und betont lauter Stimme macht er sich in der CDU-Parteizentrale über die Sozialdemokraten her.

Angela Merkel, dpa

Das bayerische Ergebnis bereitet auch Angela Merkel große Probleme.

(Foto: Foto: dpa)

Was die am Sonntagabend im Willy-Brandt-Haus zelebriert hätten, sei absurdes Theater gewesen. "Diese organisierte Jubelveranstaltung" sei angesichts des miserablen Ergebnisses der SPD völlig unangemessen. Offenbar aber gehöre zu den "linken Tugenden, Jubelveranstaltungen zu organisieren".

Ja, der CDU-Generalsekretär redet sich richtig in Rage, jedenfalls will er diesen Eindruck erwecken bei seiner Attacke. "Herr Steinmeier ist aufgetreten wie Herr Schröder am Wahlabend 2005", ein Angriff Pofallas, mit dem er besonders weh tun möchte. Die Fakten, so der CDU-Generallautsprecher an diesem Montag, seien eindeutig: "Der Steinmeier-Effekt ist gleich null gewesen."

Und weil derlei Erkenntnisse natürlich sehr schön sind für einen Christdemokraten, macht Pofalla immer weiter. Er sagt voraus, dass der SPD-Kanzlerkandidat in Hessen nicht für Ruhe sorgen werde. Er behauptet, dass Steinmeier nicht mutig sei, nicht glaubwürdig, nicht entschlossen. Viele Minuten widmet Pofalla dem SPD-Mann. Sollte Steinmeier je Zweifel gehabt haben, ob ihn die CDU-Führung ernst nimmt, dann muss er sich nach diesem Auftritt keine Sorgen mehr machen.

Pofalla: Die Niederlage in München lassen

Doch was der Chef des Konrad-Adenauer-Hauses für die richtige Strategie hält, was er schon am Abend der CSU-Wahlniederlage per SMS als Sprachregelung ausgab, ist bei anderen im Parteivorstand gar nicht so gut angekommen. "Sind die SPD und ihr Kanzlerkandidat wirklich unser Hauptproblem nach diesem Wahlsonntag?", fragt ein Mitglied des CDU-Präsidiums. Beruhigungspillen seien ja was Schönes, aber sie würden der Union nächstes Jahr nicht weiterhelfen. "Wir müssen uns fragen, was das CSU-Ergebnis für uns bedeutet."

Das sieht Herr Pofalla von der CDU derweil noch anders. Er zeigt sich zufrieden mit der Tatsache, dass die CSU ihre schwere Niederlage "unumwunden eingestanden hat". Er sagt großzügig, dass er keine Ratschläge Richtung München zu geben habe, er freut sich, dass die CSU ihr Ergebnis ganz sicher sehr genau analysieren werde - und signalisiert mit all dem eines: Dass die Sache zwar schlimm ist, aber nicht wirklich was mit den Christdemokraten zu tun hat. Sieht man einmal davon ab, dass Pofallas Ansage, die Union müsse in der großen Koalition mehr denn je "Anker der Stabilität" sein, eigentlich der SPD gilt, aber auch an die CSU gerichtet sein könnte.

Die Kanzlerin immerhin klingt etwas anders. Bei Angela Merkel spürt man, dass das bayerische Ergebnis sie sehr beschäftigt. Sie sieht, man kann das so sagen, richtig besorgt aus am Montag. Das mag mit der aktuellen Finanzkrise zu tun haben.

Auch die Krise der CSU aber zeichnet tiefe Falten in ihr Gesicht. Als Reaktion bemüht sie sich, anders als ihr Generalsekretär, um ein Zeichen der Solidarität in Richtung München. CDU und CSU stünden bei Erfolgen zusammen, erklärt sie da, und das gelte auch im Falle einer Enttäuschung. Der Satz sagt nicht viel aus über Verantwortlichkeiten, aber Merkel will zeigen, dass sie sich nicht aus dem Staub macht.

"Die Arroganz ist abgewählt worden"

Vielleicht sagt sie das auch, weil sie ahnt, dass die Frage noch mal hochkommen wird, ob die CDU für die CSU mehr hätte tun können. Da mögen Präsidiumsmitglieder wie Eckart von Klaeden oder Ministerpräsidenten wie Roland Koch und Günther Oettinger entsprechende Fragen zurückweisen. Merkel weiß, dass schwierige Gespräche bevorstehen. Den ganzen Sonntagabend diskutierte sie in kleiner Runde über die Folgen des Wahltags.

Dabei rückt eine Entwicklung in den Fokus, die sie lange nicht ernst nehmen mochte: die Gefahr, dass ihr Ähnliches passieren könnte wie der SPD - eine Abspaltung aus dem eigenen Lager. Merkel selbst ist es, die das Thema im Parteipräsidium als Erste anspricht, andere wie Wolfgang Schäuble und Roland Koch bestätigen die Sorge, ausgelöst durch den Erfolg der Freien Wähler in Bayern.

"Demokratietheoretisch kann einem da nur schlecht werden", meint ein Präsidiumsmitglied später. Merkel, so berichten es Teilnehmer später, verbindet damit auch eine Warnung: Alle in der CDU, die meinten, die Freien Wähler von oben herab behandeln zu können, alle die glaubten, im Bund könnte man deren Anhänger ganz selbstverständlich der Union zuschlagen, weil sie hier niemand anderen wählen könnten, sollten derartiges nicht länger verbreiten. Genau jene Arroganz, sagt hinterher ein CDU-Präside, "ist in Bayern gerade abgewählt worden".

Was das für die CDU bedeutet? Es wird wieder Diskussionen über den Kurs auslösen, inbesondere über die wirtschaftspolitische Linie. Eine erste Vorahnung gab es im Präsidium selbst, in dem unter anderem Peter Müller und Ole von Beust viele Fragen stellten und Schäuble wie Koch dafür warben, den Menschen nötige Härten mehr zu erklären.

Antworten aber blieben diesmal Mangelware. Zumal Christian Wulff und Jürgen Rüttgers, die am Montag über die Medien wahlweise ein breites Programm (Rüttgers) oder eine breite Mannschaft (Wulff) einforderten, zur Sitzung der Parteispitze nicht angereist waren.

So blieb nur Merkels kleine Botschaft. Sie sagte bei ihrem kurzen Auftritt, die Union müsse als Lehre aus Bayern im Bundestagswahlkampf beweisen, "dass sie in den Bereichen Wirtschaft, Arbeit, Bildung und Integration den Menschen eine Zukunftsperspektive geben" könne. Ein gutes Wort ist das, um die Stimmung zu schildern. Eine Zukunftsperspektive - die suchen derzeit alle. Auch in der CDU.

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