Nach dem U-Bahn-Attentat in Minsk:Lukaschenkos Angriff auf die Opposition

Weißrusslands Präsident Lukaschenko hält das Bombenattentat auf die Minsker U-Bahn für "aufgeklärt". Dabei nutzt er die angeblichen Geständnisse der Verdächtigen, um gegen politische Gegner vorzugehen - und kündigt "härtestmögliche" Strafen an.

Frank Nienhuysen, Moskau

Zwei Tage nach dem Anschlag auf eine Metrostation in Minsk ist die Tat nach Angaben der weißrussischen Behörden aufgeklärt. Präsident Alexander Lukaschenko sagte am Mittwoch, dass zwei festgenommene Männer aus Weißrussland um fünf Uhr in der Früh ein Geständnis abgelegt hätten. Sie hätten sich auch zu zwei weiteren Anschlägen bekannt, auf die Feier zum Unabhängigkeitstag im Juli 2008 sowie in Witebsk im Jahr 2005. Lukaschenko lobte seine Sicherheitsdienste und sprach von einer "glänzenden Operation".

A boy places flowers at the entrance to the Oktyabrskaya metro station in Minsk

Ein Junge legt Blumen am Eingang der Oktyabrskaya-Station in Minsik nieder: Dort starben zwölf Menschen bei einem Anschlag, 200 weitere wurden verletzt. Zwei Tage nach dem Attentat glaubt Weißrusslands Staatschef Lukaschenko, die vermeintlichen Täter gefunden zu haben.

(Foto: REUTERS)

Einer der beiden etwa 30 Jahre alten Männer wird beschuldigt, einen Koffer mit Sprengstoff unter einem Sitz an der Metrostation Oktjabrskaja abgestellt und aus der Ferne gezündet zu haben. Bei dem Anschlag am Montagabend starben zwölf Menschen, etwa 200 weitere wurden verletzt. Die Hintergründe der Tat seien noch unklar, sagte Lukaschenko, "aber die werden wir auch bald kennen." Ihm sei unverständlich, "wie man die Anomalitäten dieser Schufte nicht sehen konnte". Er kündigte an, dass die Schuldigen die härtestmöglichen Strafen erhalten würden. Weißrussland ist das einzige Land in Europa, in dem die Todesstrafe vollstreckt wird.

Lukaschenko ordnete an, dass einige Oppositionspolitiker wegen ihrer Bemerkungen zum Terroranschlag verhört werden sollten. Man müsse alle Äußerungen jener Politiker untersuchen, die beschuldigt hätten, wen sie wollten. "Vielleicht decken diese Angehörigen der fünften Kolonne ihre Karten auf und zeigen, wer den Auftrag gegeben hat." Er nährte damit Befürchtungen vieler Regierungskritiker, dass das Regime den Anschlag zum Anlass nehmen könnte, um die Opposition noch stärker zu unterdrücken.

Bereits am Dienstag besuchten Mitarbeiter des weißrussischen Geheimdienstes die Redaktion der Zeitung Nascha Niwa, hinderten deren Journalisten daran, das Gebäude zu verlassen und beschlagnahmten Video- und Fotoaufnahmen. Die Internetseite Charta'97, eine Plattform für Kritiker der Regierung, berichtete von Hackerversuchen. Laut einem Bericht der russischen Zeitung Kommersant sind einige Blogger und Journalisten zum Verhör einbestellt worden, die angedeutet hatten, dass sogar Personen aus der Umgebung der politischen Führung in den Anschlag verwickelt sein könnten. Eine Reihe von Regimekritikern sitzt bereits seit der Präsidentenwahl am 19. Dezember in Haft, unter ihnen sind auch noch einige damalige Herausforderer von Lukaschenko.

Mehrere Versionen zum Hintergrund der Tat

Der stellvertretende Generalstaatsanwalt Andrej Schwed sagte am Mittwoch, dass umfassendes Videomaterial von dem Anschlagsort zu den Festnahmen geführt habe. Die Metrostation Oktjabrskaja liegt im Zentrum von Minsk und ist der einzige Schnittpunkt zwischen den beiden U-Bahnlinien der Hauptstadt. Die Bombe explodierte während des Abendverkehrs, als ein vollbesetzter Zug in die Station einfuhr.

Der Geheimdienst KGB präsentierte am Mittwoch, dem Tag der Trauer in Weißrussland, mehrere Versionen über die Hintergründe des Anschlags. Eine sei der Versuch, die Lage in Weißrussland zu destabilisieren, sagte KGB-Chef Wadim Sajzew. "Der Wunsch, Angst und Panik zu verbreiten, den Behörden zu schaden - und damit der Macht." Als weitere mögliche Ursache nannte er die Rache junger Extremisten. Derzeit gebe es einen Strafprozess gegen Anarchisten. Schließlich kämen auch einzelne Täter "mit irgendwelchen persönlichen Ambitionen" in Frage, sagte Sajzew.

Präsident Lukaschenko warnte indessen vor Panikmache. Wer Gerüchte über eine Lebensmittelknappheit oder über mangelnde Devisen verbreite, der müsse mit einer Strafe wegen Verleumdung rechnen. Seit Wochen steht Weißrussland unter starkem wirtschaftlichen Druck. Die Preise für Brot und Benzin stiegen zuletzt mehrfach. Viele befürchten eine Abwertung des weißrussischen Rubel. Die Führung hofft auf baldige Milliardenkredite, vor allem aus Russland, damit sich die angespannte Finanzlage beruhigt.

Lukaschenko regiert seit 17 Jahren die frühere Sowjetrepublik. Noch vor seiner umstrittenen Wiederwahl hatte er sich monatelang mit der russischen Führung gestritten und größere Nähe zur Europäischen Union gesucht, um mehr politischen Spielraum zu gewinnen. Umso enttäuschter zeigte sich der Westen nach dem harten Einsatz gegen Oppositionelle. Die Sanktionen gegen führende Mitglieder der Regierung wurden verschärft.

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